Die lange Tradition der Gegenuniversitäten

Als die GegenUni letztes Jahr ihre digitalen Türen öffnete, wandelte sie dabei auf einem langen Pfad der Tradition, denn schon immer engagierten sich Intellektuelle und Dozenten in der Geschichte abseits der offiziellen Bildungsinstituten in privaten oder halbstaatlichen Organisationen. Die Online-Gegenuni ist dementsprechend nur das neueste Glied in der Kette dieser Tradition der deutschen Bildungsgeschichte – aber beginnen wir von vorne!

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25.9.2022
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3 Minuten Lesezeit
Die lange Tradition der Gegenuniversitäten

Symbolbild Hörsaal: By Xbxg32000 (Own work by uploader; the watermark is my own.) [CC BY-SA 3.0 or GFDL], via Wikimedia Commons

Als die GegenUni letztes Jahr ihre digitalen Türen öffnete, wandelte sie dabei auf einem langen Pfad der Tradition, denn schon immer engagierten sich Intellektuelle und Dozenten in der Geschichte abseits der offiziellen Bildungsinstituten in privaten oder halbstaatlichen Organisationen. Die Online-Gegenuni ist dementsprechend nur das neueste Glied in der Kette dieser Tradition der deutschen Bildungsgeschichte – aber beginnen wir von vorne!

Die im Zuge der Reformation und Säkularisierung durchschlagende Entwicklung hin zu neuzeitlichen Territorialstaaten im Reich sorgte für eine immer größer werdende Nachfrage an gut gebildeten Personen. Eine Universität des Mittelalters, oft von der Kirche getragen und finanziert, konnte die Ausbildung und Weiterbildung nicht mehr stemmen, sodass immer mehr Fürsten ihre eigenen Hochschulen und Universitäten gründeten, um ihren Nachwuchs für Verwaltung und Militär auszubilden. Spätestens mit Napoleon kamen die Ausbildungsstätten junger Menschen, seien es Schule oder Universitäten, immer mehr unter die Fittiche der weltlichen Herrscher.

Ein Umstand, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die Wissenschaft einerseits große finanzielle Reserven, aber andererseits auch politische Einsprüche seitens des Staates bedeutete. Dass vor allem philosophische und politische Professoren und Dozenten auf einem Pulverfass saßen, zeigten nicht nur die Karlsbader Beschlüsse, die die Zensur im Zuge der Restauration ab 1819 stark ausbauten, sondern auch die aktive Teilnahme von vielen Professoren bei der Frankfurter Nationalversammlung. Eine letztendlich große Tragödie, da mit dem Ende des ersten gesamtdeutschen Parlamentes die politische Lehre an den Universitäten noch mehr eingeschränkt wurde. Viele Professoren flüchteten oder gingen in eine Art innere Emigration und spezialisierten sich auf Nischenprojekte.

Eine Alternative war gesucht

Die Konsequenz für die politische Philosophie und Politikwissenschaft war die fachliche Stagnation im deutschen Kaiserreich. Politiklehrer wie Heinrich von Treitschke verstanden ihre Disziplin im selben Sinne wie die kaiserlichen Behörden, während liberale oder sogar sozialdemokratische Lehrer ins Abseits gerieten. Die Lehre der Politik entwickelte sich auf eine gewisse Art und Weise zur unkritischen Sozialtechnologie. Für die Konservativen war dieser Umstand verständlicherweise erfreulich, für die Oppositionellen jedoch eine Katastrophe.

Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und der Übernahme der Regierungsverantwortung durch die Sozialdemokraten kam es zu einer Auflockerung der Atmosphäre in der Politologie. Die neuen Verantwortlichen und deren Unterstützer wussten, dass an den staatlichen Universitäten noch eher traditionell gesinnte Fachvertreter lehrten und sie eigene Bildungsinstitute benötigten. Ernst Jäckh, ein exotischer Lebemann und Journalist, sorgte in Zusammenarbeit mit dem späteren preußischen Minister Carl Heinrich Becker für die Gründung der Deutschen Hochschule für Politik (DHfP) im Jahre 1920 in Berlin.

Die Gründer hatten dabei zwei Ziele im Sinn: Sie wollten einerseits einen alternativen Ort für Gleichgesinnte schaffen, also eine „freie Vereinigung vaterländisch gesinnter Männer und Frauen“, die auf die Niederlage und Revolution anders als konservative Fachgenossen nicht mit militärischem Revanchismus und ähnlichen Vorstellungen reagierten, sondern positiv in die Zukunft schauen wollten. Sie verstanden es sogar als „patriotische Pflicht“, ein Gegengewicht zu bilden. Andererseits wollten sie mit der DHfP auch einen Ort für „staatsbürgerliche Sozialisation“ ermöglichen und die Volksmassen erreichen.

Drei Funktionen

Diese private Hochschule hatte also drei Funktionen. Sie sollte ein Gegengewicht zu den staatlichen Institutionen bilden und als eine Art Abendschule für die Volksmassen dienen, um diese mit liberalen und sozialdemokratischen Ideen in Kontakt zu bringen. Darüber hinaus sollte sie für eine fachliche Aus- und Weiterbildung der staatlichen Fachkräfte sorgen sowie wissenschaftlich die Themenfelder der Politik erforschen.

Innerhalb der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts studierten pro Semester fast bis zu 1000 Studenten an der Hochschule, wobei die Abgänger mit Studienabschluss gering blieben. Die DHfP entwickelte sich im Laufe der 20er Jahre zu einem Ort für ein Gelegenheitsstudium und zu einer Möglichkeit der Horizonterweiterung für die breite Masse des Volkes.

Trotz des eher liberalen Fundaments kamen zur DHfP auch konservative oder nationale Dozenten. Historiker wie Friedrich Meinecke oder Adolf Grabowsky lehrten für einige Semester an der Hochschule – selbst Carl Schmitt wollte den Schritt aus dem Rheinland in die Hauptstadt über die DHfP wagen, wurde jedoch von Theodor Heuss abgelehnt und musste somit mit der Handelshochschule in Berlin Vorlieb nehmen. Im Großen und Ganzen war das Lehrpersonal mit Namen wie Theodor Heuss, Herman Heller oder Rudolf Hilferding somit liberal oder sozialdemokratisch gesinnt.

Mit den Ereignissen im Jahre 1933 kamen die Veränderungen auch zur privaten Hochschule, die DHfP wurde in den nächsten Jahren gleichgeschaltet und zu einer Kaderakademie für die NSDAP umfunktioniert. Der ursprüngliche Auftrag der Hochschule ging somit zu Ende, wurde jedoch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder aufgenommen.

Es wäre vermessen, knapp hundert Jahre nach der originalen DHfP unter umgekehrten Vorzeichen nicht den Sinn für eine neue Hochschule für Politik zu sehen.


Die GegenUni ist „die weltweit erste rechte Online-Akademie“. Sie bietet zahlreiche Kurse zu Themen, die der akademische Mainstream verdrängt. Am 26.09. beginnt mit dem „Wintersemester 22/23“ eine neue Reihe von Seminaren, diesmal mit dem Schwerpunkt auf Geopolitik.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Bruno Wolters

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei Freilich. Seine Interessengebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

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