Ein Jahr nach tödlicher Gleisattacke: Prozessauftakt in Frankfurt
Ende Juli vergangenen Jahres wird ein achtjähriger Junge am Frankfurter Bahnhof von einem Mann aus Eritrea vor einen einfahrenden ICE gestoßen und stirbt. Die Tat sorgte über die Grenzen hinweg für Entsetzen.
Frankfurt. – Der Beschuldigte im Prozess rund um die tödliche Gleisattacke am Frankfurter Hauptbahnhof hat sich am Mittwoch am Frankfurter Landgericht zu der Tat geäußert. „Es tut mir unendlich leid, ganz besonders für die Familie“, hieß es in einer Erklärung, die der Anwalt des Mannes zum Prozessbeginn abgab. Der 41-jährige Mann, der ursprünglich aus Eritrea stammt, soll einen Achtjährigen und seine Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen haben. Der Junge kam dabei ums Leben, die Mutter konnte sich in letzter Minute retten.
Angreifer kann sich nicht an Tat erinnern
Im Prozess las ein psychiatrischer Sachverständiger aus Gesprächsprotokollen vor. Demnach sagte der Eritreer, er könne sich an die Tat nicht erinnern. Falls die Vorwürfe zuträfen, handele es sich um den größten Fehler seines Lebens. Frauen und Kinder müsse man beschützen, betonte er. Die Staatsanwaltschaft hat den Mann nicht angeklagt, sondern beantragt in einem sogenannten Sicherungsverfahren seine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie, da eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass er weitere Taten begehe.
Musterbeispiel der Integration
Die Familie des Jungen tritt in dem Verfahren als Nebenkläger auf. Ebenso wie eine heute 79 Jahre alte Frau, die der Mann gestoßen haben soll. Sie stürzte auf den Bahnsteig. Er floh, doch Passanten verfolgten ihn und er konnte außerhalb des Bahnhofs festgenommen werden. Später wurde er in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Der Eritreer, der viele Jahre als Musterbeispiel gelungener Integration galt, war 2006 illegal in die Schweiz eingereist, wo er ein eher unauffälliges Leben geführt hatte. Im Juli 2019 kam es dann zum Ausbruch häuslicher Gewalt. Er schloss seine Frau und seine drei Kinder in der Wohnung ein, bedrohte eine Nachbarin mit einem Messer und machte sich davon. Daraufhin wurde national nach ihm gefahndet.
Mehr Sicherheit an Bahnsteigen
Der Tat in Frankfurt folgte eine Debatte über die Sicherheit an Bahnsteigen. Denn erst vor wenigen Tagen wurde eine Frau in Nordrhein-Westfalen vor einen Zug gestoßen und tödlich verletzt, gestern hat in Berlin ein Unbekannter eine Frau ins Gleisbett gestoßen – sie kam mit schweren Kopfverletzungen davon. Bundesregierung, Bahn und Bundespolizei richteten eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Erörter werden sollten Maßnahmen wie Zugangsbeschränkungen zu den Bahnsteigen, Gitter vor den Bahngleisen oder Markierungen an Bahnsteigkanten.
In Frankfurt würden derzeit als Konsequenz aus der Attacke neue Videokameras installiert, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Die Kameras zeigten Bilder nun in größerer Auflösung. Bis Ende Oktober soll die Umstellung abgeschlossen sein. Zudem achteten die Bundespolizisten bei ihren Kontrollgängen noch mehr auf Auffälligkeiten. Seit der Tat hätten sie immer auch einen genauen Blick auf die Bahnsteige. Der Anwalt der Nebenkläger, Ulrich Warncke, forderte, die Umsetzung zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen müsse beschleunigt werden, denn: „Das kann jederzeit wieder passieren, an jedem Ort.“