Experte: Migranten nicht das „Hauptproblem“ bei Messerkriminalität

Obwohl Messerangriffe in Deutschland erst seit 2021 kriminalstatistisch erfasst werden, lässt sich im Land ein Anstieg der Messergewalt feststellen. Der Kriminologe Dirk Baier mahnt aber dennoch dazu, nicht vorschnell zu urteilen, sondern „genauer hinzuschauen“.

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Experte: Migranten nicht das „Hauptproblem“ bei Messerkriminalität

In Deutschland wurde in den vergangenen Tagen und Wochen wieder vermehrt über Messerangriffe berichtet.

© IMAGO / Rolf Kremming

In den letzten Wochen haben mehrere Messerstechereien in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt, unter anderem in Saarbrücken, Mannheim und Wolmirstedt. Der Fall in Mannheim, bei dem ein Polizist von einem afghanischen Tatverdächtigen erstochen wurde, löste Diskussionen über einen möglichen Zusammenhang zwischen Migration und Kriminalität aus. Nach Ansicht des Kriminologen Dirk Baier ist es jedoch wichtig, „genauer hinzuschauen und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen“.

„Wir sind in jedem Fall sensibilisiert für diese Form von Gewalt“, erklärt Baier im Gespräch mit Focus Online. „Vielleicht auch, weil es Messerattacken so schnell in die Nachrichten schaffen.“ Das Messer sei eine besondere Waffe, die schwere Verletzungen verursachen könne, auch wenn sie nicht gezielt zum Töten eingesetzt werde.

Messerstechereien in den Medien sehr präsent

Baier weist darauf hin, dass die Datenlage zu Messergewalt in Deutschland noch unvollständig ist. „Erst seit 2021 werden Messerangriffe in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Bis die Zahlen belastbar sind, muss noch etwas Zeit vergehen“, so der Experte. Dennoch ließe sich ein Anstieg der Messergewalt in Deutschland feststellen. „Die Einheitlichkeit der Erfassung ist bei solchen Erhebungen enorm wichtig. Jemand in Mecklenburg-Vorpommern muss unter Messerkriminalität dasselbe verstehen wie jemand in Baden-Württemberg. Diese Harmonisierung ist noch nicht ganz abgeschlossen.“

Ein wichtiger Punkt, den Baier bei der Interpretation der Zahlen hervorhebt, ist die Anzeigebereitschaft. „Damit Messerangriffe in der Statistik auftauchen, müssen sie angezeigt werden. Es kann sein, dass es gar nicht mehr Messergewalt als in den Vorjahren gibt – solche Angriffe aber immer häufiger der Polizei gemeldet werden.“

Ein wesentlicher Aspekt der Diskussion ist der Zusammenhang zwischen Migration und Kriminalität. Baier stellt klar: „Es handelt sich um Einzelfälle.“ Zwar werde in Medien und Politik oft über die ausländische Herkunft der Täter gesprochen, das sei aber nicht der zentrale Punkt. „In neun von zehn Fällen sind die Angreifer Männer und oft auch mit deutscher Nationalität. Wir sollten uns auf andere, eigentlich viel wichtigere Punkte konzentrieren.“ Dazu gehörten Faktoren wie Geschlecht, psychische Probleme, Milieu und Bildung.

Nur Einzelfälle

„Bei all unseren Analysen haben wir keine ethnische oder religiöse Gruppe gefunden, bei der die Mehrheit kriminell wäre oder bei der das Messer quasi zur Standardausrüstung zählt“, betont Baier. „Die ausländische Herkunft ist häufig das Erste, was auffällt – aber die Ursachen für kriminelles Verhalten liegen tiefer.“

Baier erklärt weiter, dass Menschen kriminell werden, wenn sie sich in kriminellen Milieus bewegen und kriminalitätsfreundliche Einstellungen haben. „Zum Beispiel, dass man sich mit Gewalt holen darf, was einem zusteht.“ Diese pro-kriminellen Einstellungen würden häufig in Milieus vermittelt, in denen eine Gewalt legitimierende Männlichkeitsnorm vorherrsche.

Rechtspopulisten hätten den sogenannten„Messer-Migranten“ als Angstfigur entdeckt, so Baier. Diese Vorurteile hätten sich durch eine Kombination aus medialer Berichterstattung und politischer Instrumentalisierung durchgesetzt. „Die Medien berichten tagelang intensiv über Taten wie die in Mannheim, die ohne Zweifel schrecklich sind. Trotzdem kommt es auch häufig zu Messerangriffen unter Deutschen. Erst vor wenigen Tagen gab es in Frankfurt eine tödliche Messerstecherei; Tatverdächtiger und Opfer sind wohl beide deutsche Staatsangehörige. Darüber wurde deutlich weniger berichtet.“

Rechte nutzen Messerattacken als Angstfigur

Zu den Motiven solcher Taten sagt Baier, dass die jüngsten Zahlen des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2022 43 religiös oder weltanschaulich motivierte Gewalttaten verzeichnen. „Im Bereich rechtsextremistisch motivierte Taten gab es 2022 insgesamt 1.016 Gewalttaten, im Bereich linksextremistisch motivierte Taten waren es 602“, so Baier. Abschließend der Kriminologe die Bedeutung von Aufklärungsarbeit: „Deutschland ist ein sehr sicheres Land, nur ist das vielen Menschen nicht bewusst“. Angesichts der medialen und politischen Darstellung von Kriminalität sei es wichtig, Dinge besser einzuordnen und nicht vorschnell Parallelen zu ziehen.

Dirk Baier leitet seit 2015 das Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind Jugendkriminalität, Zusammenhänge von Gewalt, Religion und Extremismus sowie häusliche Gewalt.

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