Nach Papst Franziskus: Ecclesia catholica – quo vadis?
Nach dem Tod von Franziskus ist das Papstamt vakant und die Welt wartet gespannt auf das nächste Oberhaupt der katholischen Kirche. Es steht ein möglicher Kampf zwischen progressiven und konservativen Kräften bevor, so Fabian Walch.
Nach dem Tod von Papst Franziskus warten Gläubige in aller Welt gespannt auf die Wahl des neuen Kirchenoberhaupts.
© IMAGO / Matteo GribaudiDer „Sancta Sedes“ (Heilige Stuhl) in Rom ist vakant. Am Ostermontag verstarb der 266. Papst (nach offizieller Zählung des Vatikans), nachdem er noch am Vortag den traditionellen Segen „Urbi et orbi“ erteilt hatte. Der Argentinier Jorge Mario Bergoglio war der erste Lateinamerikaner, der im Vatikan regierte. Zudem war er der erste Jesuit, der das höchste Amt der Katholiken bekleidete. Zwölf Jahre, einen Monat und acht Tage dauerte das Pontifikat von Franziskus. Nun blickt die ganze Welt gespannt nach Rom und wartet darauf, dass wieder weißer Rauch aufsteigt. Dann heißt es nämlich, die Kardinäle, die sich im Konklave versammelt haben, haben das neue Oberhaupt der katholischen Christen gewählt.
135 Kardinäle können wählen
Nach kanonischem Recht kann theoretisch jeder ledige, getaufte männliche Katholik zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gewählt werden, der mindestens 35 Jahre alt ist. In der Praxis wählen die Kardinäle jedoch traditionell einen aus ihrer Mitte. Von den aktuell 252 lebenden Kardinälen sind beim jetzigen Konklave 135 wahlberechtigt, wobei davon zwei ihre Teilnahme abgesagt haben. Aus der Bundesrepublik Deutschland sind drei Kardinäle, nämlich Reinhard Marx, Rainer Maria Woelki und Gerhard Ludwig Müller dabei. Aus Österreich wird diesmal keiner dabei sein, weil Kardinal Christoph Schönborn altersbedingt nicht stimmberechtigt ist. Wahlberechtigt sind nämlich in der Sixtinischen Kapelle, wo das Konklave traditionell stattfindet, nur jene Kardinäle, die am Tag vor dem Zeitpunkt des Ablebens des Papstes jünger als 80 Jahre alt sind.
Schlägt das Pendel zurück?
Spannend wird die Frage sein, in welche Richtung sich die römisch-katholische Amtskirche künftig bewegen wird. Weiter dem Zeitgeist nachhechelnd, wie dies unter Franziskus – aber auch dessen Vorgängern – bis zum Geht-nicht-mehr geschehen ist, oder schlägt das Pendel zurück und man besinnt sich wieder auf das Transzendente, die eigentlichen katholischen Inhalte und Lehren?
Maßgeblich beeinflussen wird dies der neue Papst. Allein schon die Wahl wird viel aussagen, da sie zeigt, wie die Mehrheit der wahlberechtigten Kardinäle im Konklave denkt. Von den deutschen Kardinälen ist aus konservativer Sicht mit Ausnahme von Kardinal Müller wenig zu erwarten. Müller ist im deutschsprachigen Raum eine der wenigen Lichtblicke: Er ist wirklich konservativ, kritisiert immer wieder die „Agenda 2030“ und gilt als Globalisierungskritiker. Daneben gibt es weitere Hoffnungsträger, die sich aber fast alle außerhalb von Europa finden.
Der Einfluss der 68er auf die Kirche
Eigentlich würde man meinen, die Mitglieder einer religiösen Institution, die eine 2.000 Jahre lange Tradition aufweist – also alle Kirchenvertreter, der gesamte Klerus – seien konservativ, vor allem die hohen Würdenträger, aber weit gefehlt. Das Zweite Vatikanum hat ganze Arbeit geleistet und den Weg bereitet, dass die 68er auch innerhalb der Kirche den Marsch durch die Institutionen angetreten sind.
Erst Anfang des Jahres hat die Italienische Bischofskonferenz entschieden, Homosexuelle künftig nicht mehr grundsätzlich vom Priesteramt auszuschließen. Mit der Einschränkung allerdings, dass diese ihre Homosexualität nicht ausleben dürfen, was einigermaßen absurd klingt, da ja jeder katholische Priester zölibatär leben muss. Passenderweise hat das Dokument, in dem dies beschlossen wurde, genau 68 Seiten. Man ist geneigt, darin ein Zeichen zu sehen.
Die progressiven papfstfähigen Kandidaten
Als „Papabili“ werden jene Kardinäle bezeichnet, die als papstfähig gelten, also jene, denen reale Chancen eingeräumt werden, den Stuhl Petri zu besteigen. Unter den progressiven Kandidaten findet sich etwa Matteo Maria Zuppi, der Franziskus' Kurs fortführen möchte. Er möchte eine „offene und integrative Kirche“ und findet die Segnung Gleichgeschlechtlicher ebenso unproblematisch wie eine Aufweichung des Zölibats.
Daneben wird Pietro Parolin genannt, der nicht ganz so liberal wie Zuppi ist, aber in dieselbe Kerbe schlägt. Neben den beiden Italienern ist einer der Progressivsten der Philippine Luis Antonio Tagle, der als „asiatischer Franziskus“ betitelt wird und im Hinblick auf eine Liberalisierung der katholischen Kirche meint, dass „universelle moralische Grundsätze nicht in allen Situationen gelten könnten“.
Es gibt auch gemäßigte Kandidaten
Unter den sogenannten Gemäßigten findet sich der Franzose Jean-Marc Noël Aveline, der aber vor allem aufgrund seines Engagements im Migrationsbereich von den Linken geschätzt wird. Der wohl unscheinbarste Kandidat ist der Schwede Anders Arborelius. Er gilt als bescheiden und selbstlos. Der burmesische Kardinal Charles Maung Bo gilt als Mittler zwischen den Lagern ebenso wie der Italiener Angelo Bagnasco, der aufgrund seines hohen Alters von 82 ein Übergangspapst werden könnte, wenn sich das Konklave nicht auf eine eindeutige Linie einigen kann.
Konservativer Sarah als große Hoffnung
Unter den Traditionalisten und Konservativen finden sich der US-Amerikaner Raymond Leo Burke, der sich kürzlich positiv zu Trump geäußert hat und zu den konservativsten Kandidaten zählt, der singalesische Kardinal Albert Malcom Ranjith, der als Mann Benedikts XVI. gesehen wird, der Niederländer Willem Eijk, der sich offen gegen die Genderideologie stellt, Péter Erdő aus Ungarn, der wohl ebenso die Linie Ratzingers fortführen würde, der italienische Franziskaner Pierbattista Pizzaballa, der als besonders gebildet gilt, und der guineische Kardinal Robert Sarah. Sarah ist für die Konservativen wohl die größte Hoffnungsfigur, die aber auch stark polarisiert.
Kritik an Entwicklung in Europa
Sarah sagte etwa, dass „Europa sein Wesen und seine Wurzeln verloren hat, dass es wenig Kinder hat und dass eine andere Kultur (der Islam) in es eindringt, die es dominiert und die die Kultur und die europäischen Werte völlig verändern wird. Wenn der Westen diesen verhängnisvollen Weg weitergeht, besteht die große Gefahr, dass er aufgrund des Geburtenmangels verschwindet und von Fremden überrannt wird, so wie Rom von Barbaren überrannt wurde.“ Im Prinzip spricht er damit neben der Islamisierung die Ersetzungsmigration an und würde hierzulande wohl als mindestens rechtsextrem gelten. Dabei wäre er der erste schwarze Papst und der erste, der aus Afrika stammt.
Weg vom Zeitgeist, hin zum Glauben
Sarah wolle die Kirche wieder vom Weltlichen und Zeitgeist entfernen und eine Hinwendung zum Glauben. Dazu meinte er: „Die Kirche ist nur interessant, weil sie uns ermöglicht, Jesus zu begegnen. Sie ist nur legitim, weil sie uns die Offenbarung weitergibt.“ Für ihn wäre auch die Lockerung des Zölibats der „endgültige Bruch mit der apostolischen Tradition“. Die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sieht er als Häresie und er lehnt die eucharistische Kommunion von Nichtkatholiken ebenso wie die „synodale Kirche“ ab.
Vielmehr will er eine Überprüfung der Änderungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und appelliert, „einen Geist wahrer Evangelisierung zu fördern“ und nicht weiter „dem Zeitgeist zu erliegen“. Das zeigt sich auch darin, dass er in der Handkommunion eine große Gefahr sieht, da viele Theologen heute die Vorstellung von der Realpräsenz – und Transsubstantiation – lächerlich oder verächtlich machen würden. Diese Positionen, die allesamt die drastischen Veränderungen seit dem Zweiten Vatikanum betreffen, machen sogar den konsequentesten katholischen Kritikern der Konzilskirche, die teilweise auch deren Päpste nicht als gültig anerkennen, Hoffnung.
Neu gewinnt nicht immer
Besonders gespannt dürften auch „traditionalistische“ Gruppierungen wie Petrus- und Piusbruderschaft auf das Konklave schauen. Für sie geht es nämlich um die Gretchenfrage, wie der neue Papst es mit der alten lateinischen Messe hält. Nachdem diese 1965 begründet auf dem Zweiten Vatikanum untersagt wurde, hatte Papst Benedikt XVI., der Vorgänger von Franziskus, die tridentinische Messe wieder gestärkt. Franziskus hat sie wiederum nur mehr zähneknirschend geduldet und 2021 strenge „Auflagen“ eingeführt.
Trotzdem erfahren in Europa ebenjene „traditionalistische“ Gemeinden mit dem alten Ritus immer mehr Zulauf durch junge, kinderreiche Familien, während die Kirchen, die Messen nach dem Novus Ordo begehen, mit gähnender Leere auffallen. Noch viel mehr geht es überdies auch um die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Weihen, worüber ebenfalls seit dem Zweiten Vatikanum gerungen wird.
Die Papstwahl ist für alle bedeutsam
Die Frage, wer auf dem Heiligen Stuhl Platz nimmt, hat globale Bedeutung. Immerhin ist das Christentum die größte Weltreligion mit 2,6 Milliarden Anhängern, also fast ein Drittel der Weltbevölkerung. Entgegen den Erfahrungen in Europa wächst das Christentum sogar mit einer Rate von etwa 1,18 Prozent jährlich, was 30 Millionen Gläubigen entspricht. 2023 waren das täglich 82.000 neue Christen. Nur der Islam wächst noch schneller. Von diesen 2,6 Milliarden Christen sind 1,3 Milliarden, also die Hälfte, Katholiken.
Das Konklave wird aber nicht nur für Katholiken spannend werden. Es geht um essentielle Fragen: Werden sich die Progressivsten durchsetzen und weiter die Einigung aller christlichen Konfessionen auf Kosten der katholischen Kirche selbst forcieren? Es wird aber auch der Weg dafür bereitet, wie sich die Kirche gesellschaftspolitisch positioniert, oder ob sie überhaupt Stellung bezieht, etwa zu den Fragen, wie der Vatikan zur millionenfachen Remigration Illegaler steht oder wie die Kirche künftig mit der Islamisierung Europas umgehen wird. Die Frage ecclesia catholica – quo vadis, ist also für alle Menschen des christlichen Abendlandes, auch jene, die der Religion keinen besonderen Stellenwert beimessen, bedeutsam.