Scharfe Kritik aus Leoben nach ÖH-Doku über „Rechtsextremismus“ an Universitäten

Die Österreichische Hochschülerschaft zeigt derzeit eine Dokumentation mit dem Titel „Akademische Abgründe – Rechtsextremismus im Hörsaal“. Vor allem aus Leoben kommt Kritik an der Produktion.

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Scharfe Kritik aus Leoben nach ÖH-Doku über „Rechtsextremismus“ an Universitäten

Der Bierauszug der Leobener Studentenverbindungen ist ein traditionsreicher und einzigartiger Brauch.

© FREILICH

Am 10. Oktober fand im Wiener Stadtkino die Premiere des von der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) produzierten Dokumentarfilms mit dem Titel „Akademische Abgründe – Rechtsextremismus im Hörsaal“ statt. Neben der Premiere wurde beziehungsweise wird der Dokumentarfilm an insgesamt vier weiteren Orten gezeigt, wobei die ersten beiden Vorführungen in Linz und Innsbruck bereits vergangene Woche stattfanden.

Am Montag folgte die Vorführung in der Kunsthalle in Leoben, die letzte Vorstellung findet an der Universität Wien statt. Während das Projekt der ÖH bisher kaum mediale Beachtung fand, haben sich mittlerweile sowohl der Rektor der Montanuniversität Leoben, Peter Moser, als auch die Leobener Studentenvertretung kritisch zu der Produktion geäußert.

Vier Hochschulstandorte im Fokus

Für die Dokumentation war ein Team der Hochschülerschaft gemeinsam mit dem Bildhistoriker Andreas Filipovic, Lukas Ellmer von der Akademie der Bildenden Künste in Wien und der Samira Fux, mehrere Monate an verschiedenen österreichischen Universitäten unterwegs, „um die faschistische Geschichte an Österreichs Hochschulen in Form eines Dokumentarfilms aufzuarbeiten“. Die Vorführungen fanden beziehungsweise finden dementsprechend in den Städten statt, in denen sich die in der Dokumentation behandelten Universitäten befinden.

Die Vorstellung am Montag in einem Raum der Kunsthalle Leoben, die fast pünktlich begann, zog mehr Besucher an, als die Veranstalter offenbar erwartet hatten. Kurz vor 19 Uhr wies die Security noch einige Interessierte ab, es seien bereits zu viele Besucher – laut den beiden Türstehern an die 200 – im Saal und man könne niemanden mehr reinlassen. Viele der Anwesenden waren im traditionellen Bergkittel erschienen, einige auch in Couleur (Band und Mütze als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung). Über das große Interesse zeigte sich die erste stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft, Nina Mathies, erstaunt, gleichzeitig aber auch erfreut. Man sei es nicht gewohnt, dass so viele Besucher zu ÖH-Veranstaltungen kämen, erklärte sie.

„Rechtsextremismusexperten“ vom DÖW kommen zu Wort

Doch worum geht es in dem knapp einstündigen Film? Wie der Titel schon verrät, beschäftigt sich die Dokumentation vor allem in der ersten Hälfte mit der Geschichte der Universitäten während und nach der NS-Zeit beziehungsweise während des Ständestaats und später auch damit, wie die Burschenschaften mit den jeweiligen Universitäten verbunden waren und immer noch sind.

In diesem Rahmen kommen auch einige „Rechtsextremismusexperten“ zu Wort, unter anderem Bianca Kämpf, Mitarbeiterin des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). Weitere Experten sind die Historiker Ina Friedmann und Dirk Rupnow, die beide an der Universität Innsbruck lehren. Neben den dreien wurden im Rahmen der Dokumentation auch Zeitzeugen, ehemalige Vorsitzende des Kommunistischen Studentenverbandes (KSV) und des Verbandes Sozialistischer Student_innen in Österreich (VSSTÖ) sowie der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer interviewt.

Im zweiten Teil kommt ein weiterer „Rechtsextremismusexperte“ des DÖW, Bernhard Weidinger, zu Wort. Er führt unter anderem aus, dass Studentenverbindungen an Universitäten eine lange Tradition haben und von den Universitäten auch sehr stark in das universitäre Leben eingebunden werden.

„Montanuniversität keine Verbindungsuniversität“

Ebenfalls zu Wort kommt Peter Moser, Rektor der Montanuniversität Leoben. Im Gespräch geht er auf die Geschichte der Universität ein, stellt aber auch klar, dass die Montanuniversität „keine Verbindungsuniversität“ sei. Dennoch wird sie oft als solche wahrgenommen, weil das Verbindungswesen sehr stark in der Stadt verwurzelt ist. Moser betont in seinen Ausführungen auch, dass weder der „Bierauszug“ noch der „Ledersprung“ – beides sehr beliebte Veranstaltungen unter (Verbindungs-)Studenten – „keine eigenen Veranstaltungen der Verbindungen“ seien.

In der Ankündigungsgrafik sind der Rektor gemeinsam mit Professoren und Studenten vor dem Eingang des Hauptgebäudes der Universität zu sehen. © Screenshot Instagram.
In der Ankündigungsgrafik sind der Rektor gemeinsam mit Professoren und Studenten vor dem Eingang des Hauptgebäudes der Universität zu sehen. © Screenshot Instagram.

Doch ausgerechnet ein Bild von einer dieser Veranstaltungen, an denen die Universität stark beteiligt ist, nämlich der Bierauszug, landete auf der Grafik, mit der die ÖH die Veranstaltung im Vorfeld beworben hat und auf der sowohl der Rektor als auch Professoren und Studenten deutlich zu erkennen sind. Nicht nur das stößt auf Kritik. Auch die Art und Weise, wie die Universität im Film selbst dargestellt wird, gefällt Moser nicht. Während bei den anderen gezeigten Universitäten sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart thematisiert würden, beleuchte der Film bei der Montanuni nur die Gegenwart, moniert der Rektor. Er kritisiert, wie oft der traditionelle Bierauszug im Film thematisiert und gezeigt wird.

Rektor sprach freiwillig mit Filmteam

Bereits zuvor hatte Moser in einem Rundschreiben an alle Studenten, das FREILICH vorliegt, scharfe Kritik an den Darstellungen des Dokumentarfilms geübt. Die Bundes-ÖH, die von Vertretern der GRAS (Grüne & Alternative Student_innen), des VSSTÖ sowie des KSV-LiLi (Kommunistischer Student_innenverband – Linke Liste) geführt wird, habe sich heuer mit dem Thema „Rechtsextremismus und Faschismus an Österreichs Universitäten“ beschäftigt und die Montanuniversität Leoben ersucht, sich an einer Dokumentation über die NS-Geschichte der österreichischen Universitäten zu beteiligen. „Das Rektorat der Montanuniversität befürwortete diese Anfrage und ermöglichte dem Filmteam Zugang für Filmaufnahmen im Rektorat. Während dieser Aufnahmen wurden dem Rektor kritische Fragen gestellt, die ausführlich und transparent beantwortet wurden“, heißt es in der Stellungnahme.

Im Rundschreiben wird auch allgemein festgehalten, dass es sich die Montanuniversität zum Ziel gesetzt hat, „sich aktiv und kritisch mit ihrer eigenen Geschichte, insbesondere der Zeit des Austrofaschismus und Nationalsozialismus, auseinanderzusetzen“. Es gehe darum, die Vergangenheit zu erforschen, Transparenz zu schaffen und Lehren für Gegenwart und Zukunft zu ziehen. Die „kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und dem Thema Rechtsextremismus“ werde von der Universität uneingeschränkt unterstützt.

Rektor sieht „inakzeptable Darstellung“

Die Beteiligung an diesem Filmprojekt sei eine „bewusste Entscheidung“ gewesen, so Moser, „um unsere Haltung zu historischen und aktuellen Themen offen darzulegen“. Als wissenschaftliche Institution sehe man es „als unsere Pflicht, uns aktiv mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen und daraus für die Zukunft zu lernen“. Später wundert sich Moser über die Assoziationen, die die linksgeführte ÖH durch die Art und Weise weckt, wie sie den Dokumentarfilm auf ihren Kanälen bewirbt und wie die Universität im Film dargestellt wird. „Die damit einhergehende Darstellung suggeriert pauschal eine Nähe der Montanuniversität und den Mitgliedern der Universität Leoben zu rechtsextremen Strömungen und verknüpft ihre akademische Gemeinschaft mit derartigen Vorwürfen“, erklärt er mit Verweis auf die Ankündigungsgrafik. „Diese pauschale und undifferenzierte Darstellung ist aus Sicht der Montanuniversität völlig inakzeptabel“.

Die Universität, die auf eine 184-jährige Geschichte zurückblicken kann, sei stark von ihren Wurzeln in der Metallurgie und im Bergbau geprägt, heißt es in der Stellungnahme des Rektorats weiter. „In diesem Zusammenhang haben sich auch bestimmte Traditionen wie der Ledersprung, die Barbara-Feiern und der Bierauszug entwickelt, die vergleichbar auch an anderen technischen Hochschulen Europas gepflegt werden und eine allgemeine montanistische Tradition darstellen.“ Diese seien auch unabhängig von politischen oder religiösen Strömungen und Ideologien und würden sogar als UNESCO-Weltkulturerbe geführt. „Diese Traditionen, an denen jedes Jahr mehrere tausend Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen und politischer Orientierungen teilnehmen, als Symbol für ‚Akademische Abgründe – Rechtsextremismus im Hörsaal‘ darzustellen, wird der Realität nicht gerecht und führt in die Irre.“

„Erwartbar linksradikal eingefärbter Inhalt“

Neben dem Rektor der Universität äußerte sich auch ein Mitglied einer Leobener Burschenschaft gegenüber FREILICH kritisch zur Dokumentation. Dieser schloss sich der Kritik des Rektors an, dass keine Ereignisse aus der Vergangenheit der Montanuniversität thematisiert wurden. „Am Beispiel des traditionellen Bierauszuges versuchte man ein Bild zu erzeugen, welches offensichtlich suggerieren sollte, dass die 'faschistischen Strukturen' an der MUL bis heute florieren und die Universität gemeinsam mit dem Rektorat beherrschen würden“, so der Burschenschafter, der bei der Vorführung anwesend war.

Es lohne sich nicht, auf den „erwartbar linksradikal eingefärbten Inhalt“ im Einzelnen einzugehen. Auf Unverständnis stieß allerdings der Versuch, das Projekt als unabhängige und objektive Arbeit darzustellen. „Jeden Anschein von Professionalität nahmen sich die Verantwortlichen des Projekts schlussendlich selbst, indem sie zugaben, dass für eine genauere Aufarbeitung und detailliere Darstellung 'die Zeit und die passenden Bilder' gefehlt hätten“.

ÖH Leoben verurteilt Produktion

Am Dienstag äußerte sich auch die Leobener Studentenvertretung zu dem Film und verurteilte die Produktion sogar: „Wir möchten hiermit unmissverständlich klarstellen, dass die ÖH Leoben weder an diesem Film beteiligt war noch die Aussagen der Bundes-ÖH in dieser Hinsicht in irgendeiner Weise unterstützt. Wir als ÖH Leoben werden weitere Maßnahmen prüfen, um ungerechtfertigten Zuschreibungen gegenüber euch Studierenden sowie allen anderen Mitgliedern der Montanuniversität aktiv entgegenzuwirken“, heißt es in einem Beitrag auf Instagram.

Im selben Beitrag wird auch darauf hingewiesen, dass man als Leobener ÖH der Meinung ist, dass der ÖH-Beitrag, der von jedem Studenten verpflichtend zu entrichten ist, in Services, Veranstaltungen und Unterstützungsangebote fließen sollte. „Die veranschlagten Kosten für die 'Dokumentation' sind mehrere € 10.000 Euro. Wir hätten das Geld anders verwendet.“

Filipovic gibt „Fehler“ zu

Die vorangegangene Kritik – auch aus der schriftlichen Stellungnahme des Rektors – wiederholte sich im Rahmen der Podiumsdiskussion nach der Vorführung in der Kunsthalle. Der Bildhistoriker Filipovic sowie die stellvertretende ÖH-Bundesvorsitzende Mathies widersprachen dieser jedoch. Der Film richte seinen Blick nicht nur auf die Gegenwart der Montanuniversität, die Geschichte werde durchaus differenziert dargestellt, so Filipovic. Er räumte allerdings ein, dass es dem Filmteam an Bildmaterial gefehlt habe, weshalb etwa die Bilder vom Bierauszug so oft gezeigt worden seien. Filipovic räumte außerdem einen Fehler ein. Man habe als Filmteam nicht darauf geachtet, wie die Veranstaltung beziehungsweise der Dokumentarfilm beworben werde. Für künftige Veranstaltungen könne man das ja noch ändern, erklärte er. Das sorgte für Gelächter im Saal.

Die letzte der vier Vorführungen des Dokumentarfilms findet am Mittwoch an der Universität Wien statt. Dort werden neben den Produzenten und Protagonisten des Films auch Birgit Peter vom Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien sowie der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer an der anschließenden Podiumsdiskussion teilnehmen. Bisher wurde die Ankündigungsgrafik auf Instagram noch nicht ausgetauscht. Die vor vier Tagen veröffentlichte Grafik zeigt dasselbe Bild wie die Ankündigungsgrafiken der vorangegangenen Veranstaltungen.

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