„Skandalurteil in Görlitz erweist Meinungsfreiheit einen Bärendienst!“

Am Freitag entschied das Landgericht Görlitz gegen eine sofortige Freigabe der Facebook-Seite von Ein Prozent. Auch wenn die Bürgerinitiative gegen die Entscheidung beruft: Gerade die Argumentation des Gerichts geht in eine gefährliche Richtung.
Julian Schernthaner
Kommentar von
30.11.2019
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3 Minuten Lesezeit
„Skandalurteil in Görlitz erweist Meinungsfreiheit einen Bärendienst!“

Symbolbild: PxHere [CC0]

Am Freitag entschied das Landgericht Görlitz gegen eine sofortige Freigabe der Facebook-Seite von Ein Prozent. Auch wenn die Bürgerinitiative gegen die Entscheidung beruft: Gerade die Argumentation des Gerichts geht in eine gefährliche Richtung.

Kommentar von Julian Schernthaner.

Zwar ist in der eigentlichen Thematik nichts wirklich entschieden. Denn in Görlitz ging es hauptsächlich um den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Für eine tatsächliche inhaltliche Bewertung der politischen Arbeit von Ein Prozent blieb nach Angabe des Vereins gar keine Zeit. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass man angebliche Verbindungen zu den Identitären pflege, welche nach Ansicht von Facebook eine „Hassorganisation“ seien.

Angebliche Nähe zu Identitären als Grund

Sie lesen richtig: Nicht die Beiträge von Ein Prozent selbst sind maßgeblich, sondern ein kolportiertes Näheverhältnis zu einer nicht verbotenen Gruppe im patriotischen Vorfeld. Und dabei geht es nicht einmal um den deutschen Ableger. Denn um diese Art von ‚Kontaktschuld‘ herzustellen, zitierte der Richter einen Artikel, in welcher zur moralischen und finanziellen Unterstützung der österreichischen Identitären aufgerufen werde.

Diese schlagen sich seit letztem Jahr mit den Gerichten herum. Nur zwei Monate, nachdem die Grazer Staatsanwaltschaft mit dem Versuch, aus Spruchbannern und Kreidespray eine „kriminelle Vereinigung“ zu zimmern, krachend scheiterte, begann dieselbe Behörde, gegen deren Leiter wegen „terroristischer Vereinigung“ zu ermitteln. Der Grund ist bekanntlich der passive Empfang einer Spende eines damals noch unbescholtenen Mannes vierzehn Monate vor seiner Untat in Neuseeland.

Geringe Schwelle für Löschungen

Es reicht also offenbar mittlerweile aus, nicht selbst irgendwelche Dinge zu tun, welche Facebook widerstreben. Deutsche Gerichte erkennen „zu Recht“ und „im Namen des Volkes“, dass ein Netzwerk mit Monopolcharakter unabhängigen Gruppen den Zugang kappen darf, wenn diese anderswo zu Solidarität mit programmatisch gewaltfreien Gruppen aufrufen, gegen die noch nicht einmal ein Prozess anhängig ist, sondern gegen deren Personal zum derzeitigen Stand eigentlich nur ins Blinde ermittelt wird.

Dass es bei Facebook dabei sogar reicht, wenn es nicht einmal um solche Aufrufe geht, musste vor Kurzem das patriotische Magazin Info-DIREKT feststellen. Denn einer der Beiträge, welche für dessen Sperre maßgeblich war, berichtete völlig neutral über eine Vorzugsstimmen-Kampagne, welche Martin Sellner anlässlich der Europawahl fuhr. Das heißt: nicht vollends feindliche Berichterstattung über Gruppen, welche nicht ins Konzept des Quasi-Monopolisten passen, reicht für ausgelagerte Zensur ebenfalls aus.

Kontaktschuld zurück in deutscher Rechtsordnung?

Ein Prozent-Leiter Philip Stein hat völlig recht, wenn er in seinem Rundbrief davon spricht, dass das Urteil „der Willkür ganz offiziell Tür und Tor“ öffnet. Über den erfundenen Begriff der „Hassorganisation“ würde nicht nur ein milliardenschwerer Monopolist entscheiden. Hält das Urteil stand, hält die Kontaktschuld erstmals seit dem Mauerfall über die Hintertür der Gerichtsbarkeit wieder Einzug in die deutsche Rechtsordnung.

Darüber sollten sogar Leute, welche dem patriotischen Lager feindlich entgegen stehen, alarmiert sein. Klimaaktivisten könnten gesperrt werden, weil einzelne Ortsgruppen sich mit den kurdischen Kämpfern in Syrien – für die Türkei sind das Terroristen – solidarisieren. Dem Spiegel und der taz könnten Kolumnen zum Verhängnis werden, in denen sich die Autoren bei der Antifa – Trump würde diese gerne als Terror-Organisation einstufen – bedankten. Was noch zulässig ist, entscheidet dann eine Firma im Ausland sowie vielleicht noch die Empörungsgesellschaft im Dauermeldemodus.

Zukunft der Meinungsfreiheit auf dem Spiel

Auch deshalb ist es richtig und wichtig, dass Ein Prozent den Instanzenweg bis zum Ende durchgeht. Dabei geht es nicht einmal so sehr um sie selbst, oder um die Identitären oder um unbotmäßige Medienangebote wie Info-DIREKT. Es geht um nicht weniger als die Zukunft der Meinungsfreiheit im Netz. Denn wenn das Grundgesetz erkennt, dass „keine Zensur“ stattfindet, darf die Entscheidung über die Zulässigkeit von Äußerungen im öffentlichen Raum nicht in den Händen amerikanischer Monopolisten ruhen.

Das Skandalurteil von Görlitz erweist ebendieser Meinungsfreiheit daher einen Bärendienst. Es bleibt zu hoffen, dass die nächsten Instanzen diesen Fehler korrigieren. Nicht nur, weil Ein Prozent durch Förderung diverser patriotischer Initiativen und seiner Recherchen über Linksextremismus eine wichtige Funktion für das patriotische Lager einnehmen. Sondern, weil der mündige Bürger eine umfassende Informationsfreiheit verdient.


Weiterlesen:

Bürgernetzwerk „Ein Prozent” scheitert mit Eilantrag gegen Facebook (29.11.2019)

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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