Napoleon, Preußen und die Bedeutung von Niederlagen

Nach der vernichtenden Niederlage der preußisch-sächsischen Allianz gegen die Truppen Napoleons bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zog der siegreiche Feldherr wenige Tage später in Berlin ein. Der aufstrebende Militärstaat Friedrichs des Großen lag am Boden und mit ihm die Reste des Alten Reiches. FREILICH-Redakteur Mike Gutsing erklärt, was vom 27. Oktober 1806 im Jahr 2023 übrig bleibt.

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Napoleon, Preußen und die Bedeutung von Niederlagen

Napeoleons Truppen 1806 in Berlin.

© IMAGO / UIG

Frage: Warum also liebst du Deutschland?

Antwort: Mein Vater, ich habe es dir schon gesagt!

Frage: Du hättest es mir schon gesagt?

Antwort: Weil es mein Vaterland ist.

(Heinrich von Kleist: Katechismus der Deutschen, 1809)

Am Rande des Zusammenbruchs

Wer nach den Schicksalsstunden der deutschen Geschichte fragt, denkt wohl zuerst an die Sternstunden der deutschen Nation, an die Wiedervereinigung von BRD und DDR, an die Reichseinigung von 1871 oder an die vielen Siege über die großen und kleinen Feinde der Deutschen von der Frühzeit bis in die Gegenwart. Seltener denkt man an die Niederlagen und bitteren Stunden unseres Vaterlandes, seien es die schrecklichen Folgen des Dreißigjährigen Krieges, die Verwüstung deutscher Städte durch die Türkenkriege oder etwa der völlige Zusammenbruch Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkrieges.

Die Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt im Vierten Koalitionskrieg (1806-1807) ist eine dieser schmerzlichen und gerade deshalb so bedeutsamen Niederlagen. Die Schlacht und ihre Vorgeschichte sollen daher kurz skizziert werden. Bereits im Juli des Jahres 1806 hatte Napoleon einen Großteil der deutschen Fürstentümer unter seinen „Rheinbund“ gezwungen und zahlreiche Verbündete des französischen Kaisers zu Herzögen und Königen seiner Gnaden erhoben. Spätestens mit der Abdankung des letzten Habsburger Kaisers Franz II. im August 1806 hörte auch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das jahrhundertelange Bollwerk römisch-deutscher Ordnung gegen die Expansionsbestrebungen Frankreichs, de facto auf zu existieren.

Folgenschwere Allianzen

Über die vielschichtigen diplomatischen, dynastischen und kulturellen Verflechtungen Europas seit der Ausbreitung der Französischen Revolution über den ganzen Kontinent sind in den letzten 200 Jahren ganze Schrankwände voll geschrieben worden, ebenso über die vielfältigen Gründe für den Untergang des Alten Reiches, den Erfolg Napoleons und die Krise der deutschen Groß- und Mittelmächte. Für diesen Komplex ist aber vor allem eines festzuhalten: Die Staaten Österreich und Preußen, die Napoleon 1806 endgültig zerschlug, waren nicht die verlängerten Arme eines Friedrich des Großen oder eines Leopold I., nicht beseelt vom jungen revolutionären Geist der Massen. Beide waren zu Sargträgern eines Reiches geworden, das ihnen mehr Last als Bestimmung war, dessen Institutionen zu Fesseln statt zu Schirmen geworden waren.


Buchempfehlungen der Redaktion:

➡️ Thomas Nipperdey – Deutsche Geschichte 1800-1866*

➡️ Tom Crepon – Leberecht von Blücher: Leben und Kämpfe, Biografie*


Der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) und der römisch-deutsch-österreichische Doppelkaiser Franz II./I. (1768-1835) waren trotz ihres jugendlichen Alters nicht von der gleichen politischen Vitalität erfüllt wie der Korse Napoleon, und insbesondere im Falle des preußischen Staatsoberhauptes übertrug sich diese geistige Vergreisung auch auf die militärische Führung. Der preußische Historiker Heinrich von Treitschke notierte dazu im ersten Band seiner Deutschen Geschichte: „Die Franzosen beflügelte das kriegerische Feuer sieggewohnter junger Führer, die Alliierten lähmte die Vorsicht ihrer hilflosen alten Stabsoffiziere“. Dass ausgerechnet einer der ältesten unter ihnen, der spätere „Marschall Vorwärts“, Gebhard Leberecht von Blücher, zu einem der erbittertsten Gegner Napoleons werden sollte, darf als Treppenwitz der Geschichte gelten.

Die Katastrophe als Wendepunkt?

Die Demütigung der preußischen Armee in der Schlacht bei Jena und Auerstedt wurde durch den Einmarsch Napoleons am 27. Oktober 1806 vollendet. Auch wenn der Frieden von Tilsit im Juli 1807 die Niederlage Preußens ebenso zementierte wie der Frieden von Preßburg ein Jahr zuvor für Österreich, ist es schwierig, eine Parallele zwischen den beiden Friedensschlüssen zu ziehen. Während Franz II. vor allem weiterhin auf Augenhöhe mit Napoleon agieren wollte, ging es für Österreich um die Existenz des noch jungen Königreichs im Nordosten Deutschlands. Auch wenn aus heutiger Sicht die Notwendigkeit der später bahnbrechenden Reformen gesehen wird, darf nicht vergessen werden, dass für die Mehrheit des preußischen Volkes nicht die Militärtheorie und das Offizierskorps, sondern die mangelnde Moral der eigenen Truppen den Krieg verloren hatte.

Was bleibt vom 27. Oktober, was bleibt von Jena-Auerstedt? Damals wie heute mag die Antwort unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wen man fragt. Wer dem kämpferischen Ethos zuneigt, mag in dem fast aussichtslosen Kampf der Preußen und Sachsen ein Gottfried Bennsches „Dennoch die Schwerter halten“ erkennen. Doch dieses Pathos passt nur zu denen, die sich tatsächlich in die erste Reihe der Phalanx werfen, den anderen steht es wie eine Narrenkappe vor die Nase. Eines aber ist den Deutschen der Befreiungskriege und den oppositionellen Kräften heute gemeinsam: die Einsicht in die Bedeutung der Niederlage. Ähnlich wie Preußen 1806 stehen die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und mit ihnen viele andere europäische Staaten nicht vor dem Zusammenbruch ihrer internationalen Beziehungen, sondern sehen sich in ihrer gesellschaftlichen Existenz bedroht. Wer von diesem Überlebenskampf zugunsten fremder Interessen ablenkt, macht sich an seinem Verlauf nicht weniger schuldig als diejenigen, die ihn gegen die Deutschen führen.


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Über den Autor

Mike Gutsing

Stellenausschreibugn - AfD Sachsen

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