Coronapandemie: Drosten wollte positiv getestete Personen „extern isolieren“

Die inzwischen ungeschwärzt veröffentlichten Protokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) sorgen derzeit für Aufsehen. Darin findet sich unter anderem der Vorschlag des Virologen Christian Drosten zur „externen Isolierung“ positiv getesteter Personen, der im Rahmen von Beratungen mit dem Berliner Senat entstanden sein soll.

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Coronapandemie: Drosten wollte positiv getestete Personen „extern isolieren“

Die Vorschläge von Christian Drosten in den Protokollen des RKI sorgen zur Zeit für Aufregung.

© IMAGO / photothek

Berlin. – Eine Gruppe von Journalisten hat am Dienstag interne Protokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) und umfangreiches weiteres Material aus den Jahren 2020 bis 2023 veröffentlicht. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge um sämtliche Sitzungsprotokolle des RKI-Krisenstabs aus der Zeit der Pandemie. Die Daten in dem rund 10 GB großen Paket stammten von einer Mitarbeiterin des RKI, sagte die freie Journalistin Aya Velázquez am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Sie forderte eine „kompromisslose und ehrliche Aufarbeitung“ der Coronapolitik in Deutschland.

„Interessenskonflikt, Wissenschaftsbetrug und Steuergeldverschwendung“

Nach ersten Auswertungen finden sich in den Akten Hinweise darauf, dass die Maßnahmen der Politik während der Coronapandemie im RKI kritisch gesehen wurden. So wurde das von der Politik gerne verwendete Schlagwort von der „Pandemie der Ungeimpften“ von RKI-Experten als „fachlich nicht korrekt“ bewertet. Auch die Wirksamkeit von Mundschutz oder Schulschließungen wurde von Mitgliedern des Krisenstabes bezweifelt.

Es gibt aber auch andere kritische Punkte in den Protokollen. So soll sich der Virologe Christian Drosten für eine „externe Isolierung“ positiv getesteter Personen eingesetzt haben. Demnach sei im Rahmen einer Beratung zwischen Drosten und dem Berliner Senat der Vorschlag entstanden, erkrankte Personen, die in überbelegten Wohnungen leben, für vier Tage aus ihrem häuslichen Umfeld zu entfernen und an einem anderen Ort zu isolieren. Außerdem zog Drosten einen Textentwurf zur Teststrategie im Herbst 2020 zurück, weil er dem Regierungshandeln widerspreche. Wörtlich heißt es in den Protokollen: „Textentwurf Christian Drosten: Empfehlung für den Herbst: Darstellung der Ideen und Einschätzungen. Kontext: Der Artikel ist vertraulich. Herr Drosten hat zwischenzeitlich entschieden, das Papier nicht zu publizieren, da ungezielte Testungen im Text als nicht sinnvoll betrachtet wird und dies dem Regierungshandel widerspricht“. Die Journalistin kritisierte vor allem drei Implikationen, die sich aus dieser konkreten Passage ergäben. Erstens einen Interessenkonflikt, zweitens Wissenschaftsbetrug und drittens eine Verschwendung von Steuergeldern in Höhe von mindestens zehn Milliarden Euro.

RKI kritisiert Leak

Mit der Veröffentlichung der Protokolle geht ein jahrelanges Tauziehen zwischen dem Bund und einer Handvoll Journalisten zu Ende, die Einsicht in Regierungsdokumente zur Pandemie verlangt hatten, darunter der Publizist Paul Schreyer, der im Mai 2021 auf Grundlage des Informationsgesetzes die Herausgabe der RKI-Akten verlangt hatte.

Das RKI veröffentlichte die Unterlagen dann im März 2023 mit zahlreichen Schwärzungen und begründete diese mit dem Schutz der Betroffenen sowie mit schützenswerten Betriebs- und politischen Geheimnissen. Erst nach einer erneuten Klage begann das Institut, weitere Dokumente ungeschwärzt zu veröffentlichen – allerdings nur bis Mitte 2021. Damit fehlten die Dokumente aus der Zeit des amtierenden Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD). Diese Lücke schließen nun die Unterlagen des Whistleblowers, die laut Velázquez die kompletten Dokumente bis 2023 enthalten. Von den mehr als 4000 Seiten seien etwa 1500 noch nicht veröffentlicht worden. Die Akten sollen unter anderem mehr Klarheit darüber bringen, ob und inwieweit die Coronamaßnahmen der Bundesregierung und der Behörden wissenschaftlich gedeckt waren.

Das RKI will derweil die Vollständigkeit der Unterlagen nicht bestätigen, kritisiert aber erwartungsgemäß die Veröffentlichung: „Soweit in diesen Datensätzen personenbezogene Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter rechtswidrig veröffentlicht und insbesondere Rechte Dritter verletzt werden, missbilligt das RKI dies ausdrücklich“, teilte das Institut am Dienstag mit. Das RKI verspricht nun, „die verbleibenden Protokolle bis zum Ende der Krisenstabs-Sitzungen im Juli 2023 so schnell wie möglich zu veröffentlichen“.