Debatte um Inklusion: Warum Höcke der wahre Menschenfreund ist
Das neue MDR-Sommerinterview mit dem Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke hat erneut die Gemüter erhitzt. Höckes Aussage, die Inklusion behinderter Kinder sei ein ideologisches Projekt, wurde von einigen Beobachtern direkt in eine behindertenfeindliche Haltung umgedeutet – doch die Linke macht es sich hier viel zu einfach.
Einmal im Sommer veranstalten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Sommerinterviews, zu denen sie die Spitzenpolitiker der Parteien einladen und interviewen. Vor allem die Einladungen an die AfD bergen oft Diskussionspotenzial, da sich die Moderatoren bei Mitgliedern der rechten Partei besonders häufig an journalistische Grundsätze erinnern und dementsprechend härter und kritischer in der Diskussionsführung sind als bei Gesprächen mit linken Akteuren. Der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke, der mit solchen Interviews schon für einige vermeintliche Skandale bei Mainstream-Medien und Altparteien-Politikern gesorgt hat, hat es in diesem Sommer bei seinem Besuch im MDR wieder getan – zumindest, wenn man dem Aufschrei der Linken und Liberalen glauben darf.
Was ist passiert? Höcke, selbst Lehrer, forderte eine Reform des Bildungssystems. Konkret: „Unter anderem müssen wir das Bildungssystem auch befreien von Ideologieprojekten, beispielsweise der Inklusion, beispielsweise auch dem Gender-Mainstream-Ansatz.“ Für Höcke sind das „Projekte, die unsere Schüler nicht weiterbringen, die unsere Kinder nicht leistungsfähiger machen und die nicht dazu führen, dass wir aus unseren Kindern und Jugendlichen die Fachkräfte der Zukunft machen“. Diese Forderungen liegen auf der Linie der AfD und gibt es schon lange. Auch das Thema Inklusion war in der Bundesrepublik lange Zeit unbekannt – Förderschulen gab es überall dort, wo lernschwache oder behinderte Kinder angemessen unterrichtet wurden.
Keine behindertenfeindliche Position
Schnell wurden Vorwürfe laut, Höcke vertrete eine behindertenfeindliche Position. „Katholische Elternschaft entsetzt über Höcke“, heißt es auf dem Nachrichtenportal der katholischen Kirche in Deutschland. Höcke definiere, wer „Herrenmensch“ und was „unwertes Leben“ sei. Simone Oldenburg (Linke), Bildungsministerin in Mecklenburg-Vorpommern, sah in Höckes Ausgrenzungsforderung gar Erinnerungen an das „dunkelste Verbrechen der deutschen Geschichte“. Auch Wirtschaftswissenschaftler meldeten sich zu Wort: Behinderte seien eine unverzichtbare Stütze für den Arbeitsmarkt, schrieb das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft. Man ist sich sicher: Höcke liegt falsch. Der Lehrer hat eine rote Grenze überschritten.
Aber so einfach ist es nicht. Auf die lächerlichen Nazi-Verweise soll hier gar nicht eingegangen werden, da sie einer seriösen Überprüfung ohnehin nicht standhalten. Vielmehr stellt sich die Frage, ob Inklusion wirklich ein so eindeutiger Gewinn ist. Inklusive Pädagogik ist ein pädagogischer Ansatz, dessen Grundprinzip die Wertschätzung und Anerkennung von Vielfalt in Bildung und Erziehung ist. Demnach sollen Kinder mit Lernschwierigkeiten oder Behinderungen nicht mehr in Sonderschulen, sondern in Regelschulklassen unterrichtet werden. Dabei sollen sie in der Regel von Sonderpädagogen unterstützt werden. So weit, so gut. Wer diese Maßnahmen kritisiert, ist noch lange kein Nazi oder Behindertenfeind.
Lehrer und Forschung sind kritisch
Betrachtet man die vorliegenden Studien zur Inklusion, so finden sich auch kritische Stimmen. Auch die Lehrkräfte, die Inklusion letztlich umsetzen sollen, sind skeptisch. Eine Umfrage des Bayerischen Lehrerverbandes zur Inklusion an Schulen zeigt: Lehrer fühlen sich alleingelassen, 97 Prozent der Befragten halten „Inklusion unter den derzeitigen Rahmenbedingungen des Ministeriums für ein nicht realisierbares Ziel“. Mathias Brodkorb (SPD), ehemaliger Finanz- und später Bildungsminister in Mecklenburg-Vorpommern, schrieb 2013 einen sehr kritischen Aufsatz mit dem Titel „Warum Inklusion unmöglich ist“. Darin vergleicht er Inklusion mit Kommunismus für die Schule – Unterschiede zwischen Kindern, die in ihrer Herkunft, ihren Charaktereigenschaften und ihrer Intelligenz, kurz: in ihrem Menschsein liegen, sollen durch eine Inklusionspolitik nivelliert werden. Die Kinder werden nicht integriert, sondern die Unterschiede werden eingeebnet.
Die FAZ fragte 2018 als Konsequenz aus den Diskussionen, ob es nicht zurück zur Sonderschule gehen müsse. Vor allem die Debatte um das Projekt Inklusion ist inzwischen eine ideologische, wie Höcke bereits erkannt hat. „Erschreckend ist nicht nur der moralische Nimbus, mit dem debattiert wird, sondern auch die wachsende Irrationalität, unter der die Kinder mit Beeinträchtigungen am allermeisten zu leiden haben“, heißt es in der FAZ. Das ist auch der springende Punkt, der die moralische Niedertracht der Linken und der Inklusionsbefürworter offenbart: Es geht vor allem um ideologische Reinheit, nicht um das Beste für die Kinder.
Menschenfeinde sind links zu finden
Die bereits beschriebenen Äußerungen zu Höckes angeblicher Einteilung in „Herrenmenschen“ und „lebensunwertes Leben“ zeigen ein Menschenbild, wie es gerne den Rechten unterstellt wird – nur dass es hier Linke sind, die so denken. Wenn man sagt, dass die Ablehnung der Inklusion behinderter Menschen auch „lebensunwertes Leben“ bedeutet, dann heißt das im Umkehrschluss, dass behinderte Menschen selbst erst dann „lebenswert“ sind, wenn sie in der Gesellschaft „inkludiert“ sind. Es bedeutet weiter, dass man selbst behinderte Menschen an sich nicht ernst nimmt oder akzeptiert, weil sie erst durch Inklusion aufgewertet werden. Hier schließt sich der Kreis: Die wirklich menschenfeindliche Position wird von den Linken eingenommen, die jeden Menschen in ein Korsett zwängen wollen. Menschen sind erst dann Menschen, wenn sie Teil der Gesellschaft sind. Vorher sind sie lebensunwert. Das ist die Konsequenz aus den Vorwürfen gegen Höcke. Dass man das nicht merkt und seine Ideologie perfekt vorführt, fällt nicht auf.
Sonder- und Förderschulen, die speziell auf die dort zu unterrichtenden Kinder ausgerichtet sind, können allen Menschen mit erhöhtem Förderbedarf mehr helfen als Regelschulklassen. Menschen sind verschieden, es darf kein Differenzierungsverbot geben. Weder verbietet die UN-Behindertenrechtskonvention die Beschulung in Sondereinrichtungen, wenn sie der Förderung des betroffenen Kindes am besten dient, noch kann auf ihrer Grundlage das Ende eines eigenständigen Sonderschulwesens gefordert werden. Indem Höcke selbst das Ende dieses ideologischen Projekts fordert, zeigt er sich als der Menschenfreund, als der sich die Linke gerne ausgibt, weil er das Menschsein, das eben Unterschiede zwischen uns allen bedeutet, akzeptiert – und dementsprechend auch eine Pädagogik fordert.