Jan R. Behr zur Vier-Tage-Woche: Ein sinnvolles Modell?
In Deutschland werden die Rufe nach einer Vier-Tage-Woche immer lauter. Wie genau diese umgesetzt werden soll, ist aber nicht klar. Warum wir uns dennoch mit dieser Frage beschäftigen sollen, erklärt Jan R. Behr in seinem Kommentar für FREILICH.
In der letzten Zeit tauchte in den politischen Debatten im Kontext des Wandels der Arbeit ein neuer Vorschlag auf, welcher den seit Jahrzehnten bestehenden Konsens zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern infrage stellt, fünf Tage die Woche rund 40 Stunden in Vollzeit zu arbeiten. Die Rede ist von der Vier-Tage-Woche. Einigkeit besteht bei den Vertretern dieser Forderung darin, dass ein weiterer arbeitsfreier Tag pro Woche für die Arbeitnehmer erreicht werden soll. Über die konkrete Ausgestaltung hingegen besteht kein Konsens: Soll das Ziel bei vollem Lohnausgleich oder ohne jegliche Anpassung des Stundenlohns erreicht werden?
Unrealistische Vorschläge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
Die zuletzt genannte Variante, den Stundenlohn konstant zu halten, wird von der Arbeitgeberseite präferiert. Damit einher geht logischerweise eine Verringerung des Gesamtlohns um den Anteil der nicht mehr erbrachten Arbeit, rund zwanzig Prozent. Die Arbeitnehmerseite, allen voran die Gewerkschaften, vertreten die umgekehrte Maximalposition, dass ein voller Lohnausgleich stattfinden soll, also 100 Prozent des Lohns für 80 Prozent der Arbeit, was eine sofortige Gehaltserhöhung um 25 Prozent bedeuten würde (100 / 80 = 1,25).
Dieses kurze Rechenbeispiel zeigt auf, dass beide Maximalpositionen unrealistisch sind. Einer Lohnkürzung um zwanzig Prozent würden nur die allerwenigsten Arbeitnehmer zustimmen, auch wenn sie entsprechend mehr Freizeit hätten – es entspräche einem mehr oder minder unfreiwilligen Wechsel in Teilzeit. Einer Lohnerhöhung um 25 Prozent wiederum könnten die Arbeitgeber nicht zustimmen: Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen würde absinken und ihre Existenz bedrohen. Zudem würde mit einer solch großen Lohnerhöhung die Inflation mittelfristig über die Lohn-Preis-Spirale angeheizt. Darunter leiden am Ende auch die Arbeitnehmer.
Ein weiteres Problem neben der Lohnproblematik zeigt sich auch in Bezug auf die zu erbringende Arbeit selbst. In der Industrie und in Teilen des Dienstleistungssektors sind verfügbare Arbeitskräfte rar. Würden die Arbeitsplätze nicht besetzt, müssten die Unternehmen ihre Produktion kürzen und Dienstleister könnten nur einen Teil ihrer Leistung erbringen. Drastisch würde sich dies insbesondere im Gesundheitsbereich zeigen, in welchem die Arbeitnehmer schon jetzt überlastet sind und eine Arbeitszeitverkürzung entsprechende Kürzungen in der Versorgung bedeuten würde. Kranke, alte oder pflegebedürftige Menschen können jedoch nicht einfach nicht betreut werden. Daher würde der Vorschlag zu einer noch schlechteren Betreuung als jetzt schon führen.
Wenn nun eine zumindest gleichwertige Versorgung sichergestellt werden soll, taucht in der politischen Debatte die Scheinlösung auf, Arbeitskräfte aus dem Ausland zu importieren. Wir als Rechte können auch dieser Antwort nicht zustimmen: Den Herkunftsländern fehlen die eigenen Arbeitskräfte umso mehr, auch mit der Einwanderung von Fachkräften entstehen neue Probleme für Deutschland und schlussendlich widerspricht diese Herangehensweise unserem zentralen Impetus, die Identität, also die relative ethnokulturelle Homogenität, unseres Landes zu bewahren.
Warum das Modell dennoch betrachtenswert ist
Nach dieser Kritik an dem Vorschlag scheint seine Ablehnung einzig richtig. Warum sollten wir uns dennoch damit beschäftigen? Zwei Punkte sind hier zu nennen: Der erste bezieht sich auf die zu erwartende Produktivitätssteigerung durch die Vier-Tage-Woche. Wie oben aufgeführt, gilt diese nicht für Arbeitsplätze in der Industrie oder in der Versorgung. Darüber hinaus gibt es jedoch weitere Sektoren, in denen eine Steigerung der Arbeitsleistung durch eine Arbeitszeitverkürzung durchaus möglich ist. Allen voran sind die Jobs im Büro zu nennen. Hier gibt es oftmals keine derart starren Arbeitsverpflichtungen wie in anderen Sektoren, sondern es sind Aufgaben innerhalb der Arbeitszeiten zu erledigen. Wie schnell oder wie langsam dies erfolgt, ist dabei Sache des Arbeitnehmers – sofern die Deadlines eingehalten werden.
Zur Verdeutlichung kann ein Beispiel aus dem persönlichen Alltag herhalten. Wenn Zeitdruck herrscht, schreibt ein Student seine Abschlussarbeit innerhalb von zwei Wochen. Wenn er zeitlich ungebunden ist, braucht er für die gleiche Leistung ein oder zwei Monate. Dabei ist es zum Teil sogar so, dass erst unter Zeitdruck „Diamanten“ entstehen. Das gleiche gilt für Selbstständige, auch sie können ihre Zeit weitgehend individuell einteilen, wodurch sie, bei hoher intrinsischer Motivation, eine höhere Produktivität erreichen als festangestellte Mitarbeiter. Aus diesem Grund ist es richtig, auf den Wandel der Arbeit, hin zu einer Informationsgesellschaft, mit mehr Flexibilität zu reagieren. Flexibilität bedeutet hierbei auch, auf nicht notwendige Tätigkeiten zu verzichten, wie beispielsweise eine allwöchentliche verpflichtende Besprechung, bei der Themen erörtert werden, welche die meisten Mitarbeiter eines Teams sowieso nicht betreffen und diese sich stattdessen mit ihren Smartphones beschäftigen.
Neben diesem Argument kann auch ein weiterer Punkt angeführt werden, der insbesondere uns politisch engagierte Menschen betrifft: Durch die Verkürzung der verpflichtenden Arbeitszeit kann es den Arbeitnehmern möglich werden, sich außerhalb ihres Jobs für Politik und Gemeinwohl zu engagieren – sofern sie es möchten. Gerade für die AfD als Partei, welche eine Kernwählerschaft sowohl bei den Arbeitern und Selbstständigen beziehungsweise in der Altersgruppe 30 bis 50 besitzt, würde es damit möglich sein, vermehrt solche Personen für die politische Arbeit rekrutieren zu können. Denn wenn jemand Vollzeit arbeitet, hat er oftmals neben den Verpflichtungen durch Arbeit, Haushalt und Familie nur noch recht wenig Zeit für gesellschaftliches Engagement. Müsste er nun weniger arbeiten, würde sich diese Situation ändern. Auch wenn er sich nicht unbedingt politisch engagieren möchte, würde eine Verringerung der Arbeitszeiten individuelle gesundheitliche Vorteile bedeuten, auf diese Weise unserer Volksgesundheit zugutekommen und so die Kosten im Gesundheitssektor langfristig reduzieren.
Aus den in diesem Text genannten Gründen vertrete ich in Summe eine differenzierte Position hinsichtlich der Vier-Tage-Woche. Für Industriearbeiter oder Arbeitnehmer in Gesundheitsberufen kann sie kurz- und mittelfristig keine adäquate Herangehensweise auf den Wandel der Arbeit sein. Drastische Lohnkürzungen beziehungsweise -erhöhungen sind für Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitgeber nicht tragbar. Einwanderung aus dem Ausland fällt als Lösung aus. Für Arbeitnehmer mit Bürojobs oder ähnlichen Tätigkeiten kann sie jedoch ein sinnvolles Instrument darstellen, um Produktivität und Gesundheit zu steigern sowie politisches Engagement zu fördern.
Jedoch muss hierbei mit Augenmaß vorgegangen werden: Gesetzliche Verpflichtungen sind fehl am Platz, eine tarifliche Flexibilisierung hingegen ist angemessen. Mittelfristig sind hier sowohl Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gefragt, beispielsweise in den Tarifverhandlungen statt einer Lohnerhöhung eine Verkürzung der Arbeitszeit bei entsprechendem Lohnausgleich zu erreichen, wodurch der effektive Stundenlohn steigen würde. Ebenso sind individuelle Vereinbarungen zur grundsätzlichen Flexibilisierung der Arbeit sinnvoll – beispielsweise eine freiwillige stärkere Nutzung von Homeoffice, wodurch ein mitunter langer Arbeitsweg erspart werden würde. Zusammenfassend ist also eine strukturkonservative Haltung, das Festhalten an den bekannten Arbeitszeiten ohne rationale Begründung hierfür, keine sinnvolle Position für eine politische Rechte des 21. Jahrhunderts.
Zur Person:
Jan Richard Behr, 25 Jahre, ist Mitglied der Alternative für Deutschland und der Jungen Alternative. Nach seiner Zeit in Sachsen, in der er u. a. Schatzmeister der JA Sachsen von 2020 bis 2022 war, studiert er nun Politikwissenschaft im Master an der Universität Mainz. Seinen Bachelorabschluss in Politikwissenschaft erwarb er an der TU Dresden.