Kurzanalyse: Fünf Punkte zur neuen Wagenknecht-Partei
Sahra Wagenknecht hat sich schon seit längerer Zeit mit ihrer eigenen Partei überworfen. Nun hat sie am heutigen Montag gemeinsam mit anderen Genossen ihren Austritt aus der Linkspartei erklärt und auf einer Pressekonferenz ihr neues Projekt namens Bündnis Sahra Wagenknecht vorgestellt. Der Politikanalyst Daniel Fiß hat Wagenknechts jüngsten Schritt kurz analysiert.
Punkt 1: Wichtige Themen werden nicht angesprochen
Nach dem langen Geraune und vielen kleineren PR-Aktionen wartete man nun gespannt auf die programmatischen Leitlinien des Wagenknecht Bündnis. Das Ergebnis ist dann tatsächlich langweiliger als gedacht. Keine wirklich „polarisierende" Forderung, und nur inhaltliche Allgemeinplätze. Ein bisschen sozialdemokratische Nostalgie aus den 90er Jahren.
Sowohl auf der Webseite, in den FAQs als auch in der PK wurde das derzeit wichtigste gesellschaftliche Thema der Migration vollständig ausgespart. Kein polarisierender Aufschlag zu einer linken Migrationskritik. Stattdessen auf der Webseite und im Video sogar das klassische Multikulti Stockbilder-Material. Dabei ist die Migrationsfrage eigentlich aktuell der schärfste sozialpolitische Sprengstoff. Das Russland-Thema ist im öffentlichen Bewusstsein kaum mehr präsent und der Nahost-Konflikt vermutlich auch ein zu heißes Eisen was sich Wagenknecht nicht traut anzupacken.
Punkt 2: Keine eigenen Akzente
Wagenknecht und Co. sehen die Linkspartei nicht als Konkurrenten (so auch explizit in der Pressekonferenz erwähnt). Sie sind zwar aus der Partei ausgetreten, wollen aber bis Anfang nächsten Jahres in der Bundestagsfraktion bleiben. Man sieht aber auch am Programm, dass es da kaum eigene ideenpolitische Akzente gibt. Das Bündnis sieht sich selbst als Korrektiv zur Linken. Man will eigentlich die Linkspartei sein, nur ohne Wokeismus, Cancel-Culture und ein bisschen weniger Einwanderung.
Punkt 3: Unsicherer Faktor Wagenknecht
Die Partei will laut Vorstandsmitglied Christian Leye auf ein „kontrolliertes Wachstum“ setzen. Sie grenzen sich gegen „Karrieristen“, „Glücksritter“ und „Personen mit polarisierenden Ansichten“ ab. Voraussichtlich also eine eher restriktive Mitgliederpolitik. Wie man dann aber die strukturelle Grundbasis schaffen will, steht in den Sternen. Wagenknecht selbst meinte, dass auch der Name „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nur eine Übergangslösung sein soll, um über die Popularität ihrer Person das Projekt in der Startphase bekannter zu machen. Das mag taktisch für den Moment klug sein, aber so wie die kommende Partei nicht mehr mit Wagenknecht verbunden wird, wird das Projekt nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie gnadenlos pulverisiert werden.
Punkt 4: Keine Zusammenarbeit mit Rechten
Leye betonte mehrfach die Gefahr des „rechten Randes“ und der AfD. Von träumerischen Illusionen einer Koalition in unserem Lager sollte man sich hier erstmal ganz schnell verabschieden. Das, woran Wagenknecht und Co. wenn überhaupt als Letztes denken werden, ist eine Allianz mit der AfD. Man fokussiert sich zunächst auf das eigene enttäuschte Milieuspektrum (zum Beispiel Linke-Wähler, die zu Nichtwählern geworden sind).
Punkt 5: Langweilige Aufmachung
Der gesamte „Pitch“ des Projekts ist kommunikativ eher schwach ausgefallen. Die Webseite ist optisch solide, aber kein Kracher. Das Werbevideo ist eine Aneinanderreihung von eingekauftem Stock-Material mit schlechter Aussteuerung des „Sprecher-Hintergrundmusik“ Verhältnisses. Keine Dynamik, kein Pep, keine Aufbruchsstimmung. So ähnlich war dann auch die Pressekonferenz. Einschläfernde Monotonie der verschiedenen Sprecher und viel rhetorische Zurückhaltung.
Das Fazit ist klar
Die AfD sollte Wagenknecht nicht unterschätzen, muss sich aber nach diesem Auftritt nach meiner Meinung auch nicht übermäßig fürchten. Die Potenziale für eine Wagenknecht-Partei bleiben vorerst Luftschlösser. Sollte es programmatisch als auch kommunikativ bei dieser heute präsentierten Performance bleiben, sehe ich nicht einmal mehr eine längere Zukunftsperspektive für dieses Projekt.
Zur Person:
Daniel Fiß, geboren 1992 in Rostock – studierte sechs Semester Good Governance und Politikwissenschaft an der Universität Rostock. Von 2016 – 2019 war er Bundesleiter der Identitären Bewegung Deutschland. Seit 2017 betreibt er als selbstständiger Unternehmer eine eigene Grafikagentur. Fiß befasst sich intensiv mit den Fragen politischer Kommunikation und ihrer Wirkung und ordnet diese in grundlegende strategische Fragestellungen des rechtskonservativen Milieus ein. Seit 2020 betreibt er dafür den Feldzug Blog, in dem er sich regelmäßig Analysen zu