Lengsfeld: „Es gibt keine intellektuelle Debatte zum Thema Einwanderung“

Vera Lengsfeld verfügt über ein bemerkenswertes Portfolio. Nachdem sie sich in der DDR für mehrere Oppositionsgruppen verdingte, saß sie ab 1990 zuerst für das Bündnis ’90/Die Grünen im Bundestag, um sechs Jahre später zur CDU zu wechseln. Die Publizistin und Autorin schrieb früher Beiträge für bekannte Druckwerke wie FAZ, SZ und Spiegel. Mittlerweile ist sie Kolumnistin mehrerer alternativer Medienangebote und betreibt einen eigenen Blog. Im Interview mit der Tagesstimme spricht die Bundesverdienstkreuzträgerin über eine fehlende intellektuelle Diskussion zum Thema Migration und die „Erklärung 2018“:
Interview von
30.3.2018
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3 Minuten Lesezeit
Lengsfeld: „Es gibt keine intellektuelle Debatte zum Thema Einwanderung“

Bild Vera Lengsfeld: Vera Lengsfeld via Blog Vera Lengsfeld (Einzelgenehmigung), Hintergrund: Pxhere [CC0] / Komposition: Die Tagesstimme

Vera Lengsfeld verfügt über ein bemerkenswertes Portfolio. Nachdem sie sich in der DDR für mehrere Oppositionsgruppen verdingte, saß sie ab 1990 zuerst für das Bündnis ’90/Die Grünen im Bundestag, um sechs Jahre später zur CDU zu wechseln. Die Publizistin und Autorin schrieb früher Beiträge für bekannte Druckwerke wie FAZ, SZ und Spiegel. Mittlerweile ist sie Kolumnistin mehrerer alternativer Medienangebote und betreibt einen eigenen Blog. Im Interview mit der Tagesstimme spricht die Bundesverdienstkreuzträgerin über eine fehlende intellektuelle Diskussion zum Thema Migration und die „Erklärung 2018“:

Die Tagesstimme: Sehr geehrte Frau Lengsfeld, wie Sie auf Ihrer Homepage berichten, haben bereits 1.000 Menschen die „Erklärung 2018“ unterzeichnet. Darunter zahlreiche namhafte Wissenschaftler, Journalisten, Publizisten und Künstler. Sind Sie über den bisherigen Erfolg überrascht?

Lengsfeld: Nein, ich bin nicht überrascht. Wenn wir die Liste von Anfang an für alle geöffnet hätten, wären es zehntausende Unterschriften gewesen. Wir wollten aber verhindern, dass sich die Falschen auf die Liste setzen, deshalb haben wir den Personenkreis beschränkt. Inzwischen haben 2018 unterschrieben. Bei dieser symbolischen Zahl haben wir die Liste geschlossen und eine zweite eröffnet, wo sich jeder eintragen kann. Außerdem haben wir eine Massenpetition daraus gemacht.

Die Tagesstimme: Was genau werfen Sie der Regierung in der Einwanderungs- und Asylpolitik vor?

Lengsfeld: Bei der Grenzöffnung 2015 durch die Kanzlerin wurde die Gesetzlichkeit an der Grenze ausgesetzt. Durch mündlichen Ministererlass hat der damalige Innenminister de Maizière nach Rücksprache mit der Kanzlerin verfügt, dass auch „Flüchtlinge“ ohne Papiere ins Land gelassen werden.

Nach wie vor kommt die Mehrzahl der Migranten, die immer noch hartnäckig „Flüchtlinge“ genannt werden, ohne Papiere in unser Land. Was in anderen Staaten selbstverständlich ist, die Handydaten der Ankömmlinge auszulesen, um festzustellen, aus welchem Land sie wirklich kommen, oder ihr wahres Alter zu bestimmen, wird in Deutschland kaum angewendet. Nicht der „Flüchtling“ muss nachweisen, dass er tatsächlich politisch verfolgt wird, oder aus einem Kriegsgebiet kommt, nein, die deutschen Behörden müssen beweisen, dass er die Asylkriterien nicht erfüllt. Das ist eine Pervertierung der Rechtslage, die nicht beendet, sondern von der neuen GroKo laut Koalitionsvertrag fortgesetzt werden soll.

Laut Bericht der Bundespolizei an den Bundestag hat es im Jahr 2017 mehr als 55. 000 illegale Einwanderungen gegeben und die Dunkelziffer liegt noch erheblich höher.

Die Tagesstimme: Wie kamen Sie auf die Idee mit der Erklärung und welches Ziel verfolgen Sie damit?

Lengsfeld: Unser Ziel geht eindeutig aus der Erklärung hervor: Wir wollen, dass der fortgesetzte Rechtsbruch an unseren Grenzen beendet und das Asylgesetz nicht länger als Einwanderungsvehikel missbraucht wird. Inzwischen haben wir die Gemeinsame Erklärung in eine Massenpetition umgewandelt, die dem Bundestag mit mindestens 10 000 Unterschriften übergeben wird.

Die Tagesstimme: In mehreren deutschen Medienberichten versuchte man, die „Erklärung 2018“ in Verbindung mit vermeintlich „Rechtsextremen“ zu bringen. Waren Sie von den Reaktionen in der Presse überrascht?

Lengsfeld: Nein, es sind die üblichen Vorwürfe, mit denen alle stigmatisiert werden, die mit der „Flüchtlingspolitik“ nicht einverstanden sind. Das sind „Rechte“, „Nazis“, „Abgehängte“ oder „Pack“. Allerdings nutzen sie sich durch Inflationierung allmählich ab. Hunderte Professoren kann man nicht als „Pack“ oder „Abgehängte“, geschweige denn „Nazis“ abtun.

Die Tagesstimme: Der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller hat die „Erklärung 2018“ mit „Unverständnis“ zur Kenntnis genommen. In einer Aussendung heißt es, die „Erklärung 2018“ schiebe die Schuld allein den Migranten in die Schuhe, sei „unterkomplex“ und einer „intellektuellen Auseinandersetzung nicht angemessen“. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf und wie bewerten Sie die derzeitige „intellektuelle Auseinandersetzung“ in Deutschland beim Thema Einwanderung und Asyl?

Lengsfeld: Wenn etwas „unterkomplex“ und einer „intellektuellen Auseinandersetzung nicht angemessen“ ist, dann die Einlassungen des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Wo die herausgelesen haben wollen, dass wir den Migranten die Schuld zuschieben, ist mir ein Rätsel.

In unserem Text steht nichts dergleichen. Er ist eine Aufforderung an die Politik, sich wieder dem Recht und dem Gesetz zu unterwerfen. Es ist typisch für die geistige Verwahrlosung unserer „Eliten“, Vorwürfe zu erfinden und sich daran abzuarbeiten, weil man die Realität nicht zur Kenntnis nehmen will. Dass es Aufgabe der Medien ist, die Regierung zu kontrollieren, hat die große Mehrzahl der Journalisten längst aus dem Auge verloren. Statt dessen wird eifrig die Regierungspolitik unterstützt, auch wenn das groteskeste Verrenkungen erfordert.

Es gibt keine intellektuelle Debatte zum Thema Einwanderung. Der letzte Versuch in Dresden, die inzwischen berühmte Tellkamp-Grünbein-Debatte, ist gescheitert. Ein dubioses „Rechercheteam“ hatte mitgefilmt und gleich im Anschluss ein tendenziöses 20-Minutenstück über die angeblichen „skandalösen“ Äußerungen von Uwe Tellkamp ins Netz gestellt. Davon haben sich die Journalisten bedient, ohne die Debatte selbst gesehen zu haben. Dabei wurden auch peinliche Fehler der angeblichen Rechercheure übernommen. Als Uwe Tellkamp über ein ARD-Interview mit Yascha Mounk, einem Politik-Professor aus Harvard sprach, in dem Mounk die Behauptung aufstellte, „wir“ würden ein Experiment durchführen, aus einer monoethischen eine multiethnische Gesellschaft zu machen, verstanden die „Rechercheure“ Bahnhof bzw. AfD. In der Überschrift erschien dann: „Tellkamp verbreitet AfD-Thesen“. Die Süddeutsche Zeitung übernahm und empörte sich, dass Tellkamp ein AfD-Experiment unterstütze. Tiefer kann Journalismus nicht sinken.

Die Tagesstimme: Vor Ihrer Zeit bei der CDU waren Sie auch Bundestagsabgeordnete der Grünen. Wie sind Sie eigentlich von den Grünen zur CDU gekommen und schließlich zu deren Kritikerin geworden?

Lengsfeld: Ich bin 1996 von den Grünen zur CDU gewechselt, weil die Grünen die SED, die sich damals PDS nannte, als möglichen Koalitionspartner ausriefen. Das wollte ich nicht mitmachen. Ich hatte den besten Teil meines Lebens damit verbracht, die SED ihrer Macht zu berauben. Ich wollte nicht in einer Partei bleiben, die der SED wieder an die Macht verhelfen würde. Heute bin ich selbst in der CDU davor nicht mehr sicher.

Die Tagesstimme: Vielen Dank für das Interview, Frau Lengsfeld!

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