Nach Identitären-Freispruch: FPÖ-Justizsprecher will Strafrechtsänderung
Am Donnerstag ging der Identitären-Prozess in Graz mit erstinstanzlichen Freisprüchen in den Hauptanklagepunkten zu Ende. Die Justizsprecher der Parteien übten anschließend generelle Kritik am Straftatbestand der kriminellen Vereinigung.
Freisprüche für alle Angeklagten vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung und der Verhetzung, Geldstrafen gegen zwei Angeklagte wegen geringerer Delikte. Das ist die vorläufige Bilanz eines Mammutprozesses gegen 17 Aktivisten und Sympathisanten der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ). Für Aufsehen sorgte die Urteilsbegründung des Richters, wonach eine Organisation, deren Tätigkeiten im Kernbereich legaler Natur sind, keine kriminelle Vereinigung darstellt.
FPÖ-Stefan fordert Strafrechtsänderung
Diese Argumentation gefiel nach eigenen Aussagen auch dem freiheitlichen Justizsprecher Harald Stefan. Auf Nachfrage der Tagesstimme äußerte er sich wohlwollend über dessen Urteilsspruch. Dieser teilte offenbar die Auffassung, dass eine liberale Demokratie „Kritik, wie sie von den Identitären auch in Form des Aktionismus“ stattfinde, aushalten müsse, ohne dass es zu strafrechtlichen Urteilen komme. Die volle Berufung der Staatsanwaltschaft bezeichnete er als „neuerlich unverständlich“. Bereits im Vorfeld hatte er die Anklage als „nicht nachvollziehbar“ kritisiert – Die Tagesstimme berichtete.
Dass der gesamte Prozess zu einer öffentlichen Debatte beigetragen habe, wertete Stefan als „jedenfalls positiv“. Insgesamt plädiert er dafür, „die einschlägigen Bestimmung des Strafrechts auf ihre Treffgenauigkeit und den Umfang der Einschränkung der freien Meinungsäußerung unter die Lupe zu nehmen“. Auch gegenüber dem Standard traf der freiheitliche Mandatar eine ähnliche Einschätzung. Der Prozess biete einen guten Anlass, über die konkrete Ausgestaltung des Tatbestandes der kriminellen Vereinigung oder die generelle Notwendigkeit des Paragraphen, zu diskutieren.
LP-Noll: Tatbestand „äußerst schwammig formuliert“
Ähnlich auch die Ansicht der Justizsprecher mehrerer Oppositionsparteien. Für Alfred J. Noll von der Liste Pilz ist der Tatbestand der kriminellen Vereinigung „äußerst schwammig formuliert“. Außerdem biete dieser insgesamt einen „Schuhlöffel für Ermittlungen“. Bereits die Mitgliedschaft in einer (politischen) Organisation unter Strafe zu stellen, rückte er in die Nähe eines „Gesinnungsstrafrechts“. Einige Rechtsexperten, darunter die ehemalige OGH-Präsidentin Irmgard Griss (nunmehr NEOS) argumentierten bereits vor Prozessauftakt ähnlich.
SPÖ-Jarolim fordert Weisung durch Justizministerium
Unter den wiederholten Kritikern befand sich damals auch SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim, welcher die Anwendung des Paragraphen als „Missbrauch des Gesetzes“ bezeichnete. Eine Gesetzesänderung hält er zwar nach dem erstinstanzlichen Ausgang des Prozesses nicht für notwendig. Dennoch forderte er das Justizministerium auf, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und einen Erlass herauszugeben, welcher Staatsanwaltschaften als Leitfaden bei der Auslegung des Tatbestandes der kriminellen Vereinigung dient. Auch einen Ausbau der Berichtspflicht in entsprechenden Fällen kann er sich vorstellen.
Keine Äußerung vonseiten der Volkspartei
Die offizielle Position der ÖVP bleibt indes weiterhin unbekannt. Wie bereits zur Thematik der Anklage im Mai, blieb eine Anfrage der Tagesstimme an die Obfrau des Justizausschusses im Parlament, Michaela Steinacker, zur Stunde unbeantwortet. Der Standard berichtete bereits in seinem Artikel davon, aus dem Büro von Justizminister Josef Moser (ebenfalls ÖVP) ebenfalls keine Stellungnahme erhalten zu haben.