Vilimsky (FPÖ): „Patrioten werden blockiert, sabotiert und kriminalisiert“

Anfang Juni finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Für die FPÖ geht Harald Vilimsky als Spitzenkandidat ins Rennen. FREILICH sprach mit ihm in Straßburg über die Entwicklung der EU in den letzten zehn Jahren, seine Vision von Europa und das Thema Neutralität.

Interview von
2.4.2024
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8 Minuten Lesezeit
Vilimsky (FPÖ): „Patrioten werden blockiert, sabotiert und kriminalisiert“
Vilimsky wünscht sich eine stärkere Souveränität der Nationalstaaten.© Heimatkurier

FREILICH: Sie sind ja schon seit 2014 im EU-Parlament, haben also schon einiges erlebt. Wenn Sie diese zehn Jahre Revue passieren lassen: Wie hat sich die EU in dieser Zeit entwickelt?

Harald Vilimsky: In eine immer schlechtere Situation und in eine immer falschere Richtung. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich mir einen Jean-Claude Juncker zurückwünsche, aber wenn ich sehe, was Ursula von der Leyen hier anrichtet, ist das der Fall. Das Problem ist, dass sich die politischen Mehrheiten in der EU sehr stark absichern und versuchen, uns Patrioten zu blockieren, zu sabotieren und zu kriminalisieren, nur um uns als Kritiker ihrer Zentralisierungspolitik klein zu halten. Die Agenda, die sie vorantreiben, ist eine Frechheit der Sonderklasse, weil sie immer mehr in Richtung einer zentralistischen Union geht. Wenn wir nicht aufpassen und bald auf die Stopptaste drücken, haben wir hier bald eine EU-Zentralregierung und völlig entmachtete Nationalstaaten – und das versuchen wir mit allen politischen Mitteln zu verhindern.

Was passt Ihnen nicht an der Zentralisierung der EU?

Wir hatten eine europäische Gemeinschaft vor Maastricht, vor Lissabon, vor dem ganzen Zentralisierungswahn. Diese Gemeinschaft hat funktioniert, und zwar nach dem Motto: „Lasst uns auf Augenhöhe und in Freundschaft zusammenarbeiten, um den Frieden zu sichern und Freiheit und Wohlstand für möglichst alle zu gewährleisten.“ Jetzt will man aber offenbar eine Zentralregierung installieren, die in Wahrheit nur noch Konzerninteressen dient. Zum Beispiel, wenn man sich die aktuelle Klimapolitik anschaut: Ich selbst bin ein unglaublich leidenschaftlicher Naturschützer, aber was da unter Klimaschutz läuft, beschäftigt sich nur mit der Reduktion von CO₂, anstatt mit dem Ausbau der erneuerbaren Energieträger, was sinnvoller wäre. CO₂-Reduktion ist das große Ziel für alles. Das heißt aber in der Konsequenz, dass die EU damit der Atomindustrie ein gigantisches Wirtschaftsfeld bereitet. Das ist auch der Grund, warum sich Leute wie Emmanuel Macron darüber freuen – Frankreich baut jetzt 14 neue Atomreaktoren. Offenbar gibt es in der EU genügend wirtschaftliche Impulsgeber, die das vorantreiben. Gerade wir in Österreich haben aber einen wichtigen Anti-Atom-Konsens, der einer immer größer werdenden atomaren Bedrohung weichen könnte. Das wollen wir Freiheitlichen nicht.

Was braucht es, um die EU aus Ihrer Sicht demokratischer und positiver zu gestalten? Und wie sieht Ihre Vision von Europa aus?

Die EU zeigt vor allem dann ihre undemokratische Fratze, wenn sie Kompetenzen an sich reißt und den Mitgliedstaaten Gesetze aufoktroyiert. Ein Beispiel dafür ist der skandalöse Impfstoff-Deal den Kommissionspräsidentin von der Leyen an allen Gremien und Kontrollinstanzen vorbei via SMS mit dem Pfizer-Chef abgeschlossen hat und der die Staaten zu milliardenschweren Zahlungen verpflichtet hat. Es ist also dringend nötig, die EU wieder auf ihre historischen Kernkompetenzen zu reduzieren – auf das, wo gemeinsames Vorgehen einen Nutzen für alle Beteiligten stiftet, etwa bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Das stärkt die Souveränität der Nationalstaaten und ermöglicht ein Europa das Vaterländer, das ja die ursprüngliche Idee war.

Was halten Sie von transnationalen Listen, die man direkt wählen könnte?

Diese transnationalen Listen, die jetzt diskutiert werden, wollen wir gar nicht und es gibt zum Glück auch keine parlamentarische Mehrheit dafür. Das würde nämlich bedeuten, dass man die FPÖ nicht mehr wählen könnte, sondern nur noch ein internationales Bündnis. Das wäre ein massiver Rückschritt für den Nationalstaat Österreich.

Ist ein EU-Austritt für Sie überhaupt noch denkbar?

Denkbar ja, aber nicht erstrebenswert. Die Grundidee eines Europa der Vaterländer als Garant für Frieden auf dem Kontinent unterstützen wir voll und ganz. Darauf arbeiten wir hin mit vielen internationalen Partnern, die durch die EU-Wahlen am 9. Juni massiv gestärkt werden. Und diese Kräfte werden nach und nach auch an Einfluss in ihren Heimatländern gewinnen – Österreich kann hier mit den in kurzem Abstand stattfindenden EU- und Nationalratswahlen Vorreiter sein, wenn mit der FPÖ an der Spitze einer neuen Regierung die patriotische Wende gelingt. Unsere Hoffnung und unser Ziel ist es, dass nach und nach in den Institutionen – im Parlament, in der Kommission und im Rat – wieder heimatbewusste Kräfte und Politiker den Ton angeben und die immensen Probleme – Krieg, Massenmigration und Wirtschaftszerstörung durch den Klimawahn – mit Vernunft anpacken. Nur so kann dieses Europa gerettet werden. Das ist meine Vision. Aber dazu muss man mitgestalten. Aus Ärger über die Entwicklungen auszutreten und zuzuschauen, wie der Kontinent von den falschen Kräften in den Untergang geführt wird, ist eine schlechte Alternative. Denn Österreich wird sich so oder so nicht von den internationalen Entwicklungen abkoppeln können.

Neben der Kritik an der EU-Zentralisierung: Mit welchen anderen Themen geht die FPÖ jetzt in den Wahlkampf?

Eines der wichtigsten Themen ist für mich der strukturelle Aufbau der EU: Weg mit dem ganzen EU-Speck! Wir haben ein EU-Parlament mit derzeit 705, bald 720 Abgeordneten. Vergleicht man das mit den USA, so kommen die mit 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus aus. Das heißt, man könnte die EU-Abgeordneten um die Hälfte reduzieren und es ginge keinem etwas ab.

Nummer zwei: Das EU-Parlament hat zwei Standorte: Brüssel und Straßburg. Man kann einen davon streichen, egal welchen, und es geht auch niemandem etwas verloren.

Nummer drei: Es gibt 27 EU-Kommissare, die keiner kennt, die sich nur vor sich selbst rechtfertigen, indem sie neue Verordnungen machen. Auch hier könnte man die Hälfte einsparen, und niemand würde es merken.

Dazu haben wir noch 30 weitere kleine Punkte im Programm. Ganz wichtig sind mir aber die Festung Europa und die Festung Österreich: Wir wollen unsere kulturelle Identität schützen und dafür sorgen, dass wir nicht von Migranten Arabien und Afrika überrannt werden. Wir wollen vor allem auch unsere rot-weiß-rote Identität in Österreich bewahren.

Welche Maßnahmen bräuchte es für eine „Festung Europa“?

Erstens einmal der Schutz der EU-Außengrenzen. Hier haben wir ein Modell in die Diskussion gebracht, bei dem die Armeen und Polizeikräfte aller 27 Staaten in gemeinsamen Operationen zusammenarbeiten, um die europäischen Außengrenzen zu schützen. Es ist unglaublich wichtig, dass wir diesen Zustand, der gesetzlich festgeschrieben ist, einfach wiederherstellen. Solange das aber nicht der Fall ist, müssen wir in Österreich das Recht haben, unsere Grenzen hochzuziehen, weil wir uns nicht noch mehr Probleme ins Land holen wollen.

Ganz wichtig ist dabei: Wer keinen Aufenthaltstitel hat, wer weder nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch subsidiär oder humanitär schutzberechtigt ist, muss wieder in seine Heimat zurückkehren. Wir haben jetzt die Situation, dass über 80 Prozent der Menschen, die trotz der extrem großzügigen Auslegung der Behörden keinen Aufenthaltstitel erhalten, weil sie keines Schutzes bedürfen, trotzdem einfach hierbleiben. Diese Menschen müssen zurück in ihre Heimat und dort mithelfen, ihre Region zu stabilisieren und die Wirtschaft aufzubauen. Wir können es uns nicht leisten, diese Leute aufzunehmen, ohne unsere Kapazitäten infrastrukturell, sozial, wirtschaftlich und kulturell völlig zu überfordern. Das geht einfach nicht.

Noch einmal zusammengefasst: Wir brauchen einen europäischen Außengrenzschutz und solange dieser nicht gewährleistet ist, einen österreichischen Grenzschutz. Wer keinen Aufenthaltstitel hat, muss in seine Heimat zurückkehren.

Kommen wir kurz zum Ukrainekrieg: Die FPÖ setzt sich für Friedensverhandlungen ein und lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Um Russland militärisch Paroli bieten zu können, braucht die Ukraine aber Waffen und Munition. Nehmen wir an, die Ukraine bekommt diese Unterstützung nicht mehr. Warum sollte Putin dann überhaupt noch verhandeln?

Umso bizarrer ist es ja, dass genau diejenigen, die Milliarden von Euro und ganze Waffenarsenale in die Ukraine schicken, von Friedensgesprächen nichts wissen wollen. Was glauben diese Leute? Dass die Ukraine mit den Waffen des Westens in Moskau einmarschiert und Putin zum Rücktritt zwingt? Es ist doch völlig klar, dass dieser Wahnsinn nicht noch Jahre andauern kann, daher sind sofortige Friedensverhandlungen das Gebot der Stunde. Noch ist die Ukraine dazu in einer brauchbaren Position. Die wird aus meiner Sicht nicht mehr viel besser werden, auch wenn die EU noch so viel Geld in die Hand nimmt, denn die Entscheidung über die weitere Unterstützung des Selenskyj-Regimes wird am Ende des Tages nach den Präsidentenwahlen in den USA fallen und nicht in der EU.

Die FPÖ setzt sich weiterhin vehement für die Neutralität Österreichs ein. Warum ist sie Ihnen so wichtig? Es gibt ja auch Stimmen, die meinen, die Neutralität wäre heutzutage längst überholt.

Vilimsky: Die Neutralität – wenn sie denn von der Regierung auch gelebt würde – versetzt uns in die Position, einen maßgeblichen Anstoß und Beitrag zum Frieden in der Welt zu leisten. Bruno Kreisky war hier beispielhaft. Länder, die in Militärbündnissen intergiert sind, haben diese Möglichkeit nur eingeschränkt. Die New York Times hat vor knapp einem Jahr einen vielbeachteten Beitrag der Präsidentin des Internationalen Roten Kreuz veröffentlicht mit dem Titel „Die Welt braucht Neutrale“. Natürlich müssen wir im Gegenzug auch selbst mehr in unsere Verteidigungsfähigkeit investieren. Der Zustand unseres Bundesheeres ist trotz finanzieller Zusagen immer noch viel zu schlecht. Da muss sich schnell etwas verbessern – aber nicht mit dem Ziel, dass unsere Soldaten selbst in Kriege für fremde Interessen ziehen. Genau darauf läuft aber die Kriegstreiberei in der EU hinaus, der sich auch die schwarz-grüne Regierung vorbehaltslos anschließt.

Was halten Sie von der Idee eines europäischen Verteidigungsbündnisses?

Aus den eben skizzierten Gründen halte ich davon nichts. Es würde das Ende unsere ohnehin durch manche Entwicklungen in der EU bereits ausgehöhlten Neutralität bedeuten. De facto wäre so ein Bündnis identisch mit der NATO.

Ein weiteres wichtiges Thema ist das Medienfreiheitsgesetz. Laut EU-Kommission geht es darum, dass Medien und Journalisten vor politischer Einflussnahme geschützt werden sollten. Sie sprechen hingegen von einem „schwarzen Tag für die Pressefreiheit“. Was kritisieren Sie am neuen Gesetz?

Das haben nicht nur wir von der FPÖ kritisiert. Im deutschsprachigen Raum gibt es eine Vielzahl von Verlegern aus allen politischen Lagern, die hier aufschreien. Wir brauchen keine EU-Behörde, die sich um die Medienfreiheit kümmert. Man muss bedenken: Die EU-Behörden nehmen uns immer mehr Freiheiten, kontrollieren in immer mehr Bereichen und wollen jetzt diejenigen sein, die die Medienfreiheit schützen. Der ganze „Digital Service Act“ wird nur als Zensurinstrument benutzt und um die Menschen auszuspionieren. Das wollen die Menschen nicht und deshalb wollen sie immer mehr weg von diesem EU-Wahnsinn.

Die EU soll sich lieber darum kümmern, dass in der Ukraine wieder Frieden herrscht, dass wir wieder günstige Energie haben, dass die Grenzen gesichert werden und dass die illegalen Einwanderer außer Landes geschafft werden.

Glauben Sie, dass sich in der EU dahingehend etwas ändern wird?

Ich hoffe es. Das liegt aber auch am Wähler. Mit seiner Stimme kann er bei der kommenden Wahl mitentscheiden, in welche Richtung sich die EU entwickelt. Natürlich bin ich von den Inhalten, die wir Freiheitlichen vertreten, überzeugt, aber die Entscheidung liegt beim Wähler.

Herr Vilimsky, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person:

Harald Vilimsky wurde 1966 in Wien geboren und war von 2006 bis Jänner 2020 Generalsekretär der FPÖ. Seit 2014 ist er Abgeordneter zum Europäischen Parlament und tritt bei den kommenden EU-Wahlen als Spitzenkandidat für die Freiheitlichen an.