Warum ein Hamburger SPD-Kreisverband gegen Migranten in den eigenen Reihen vorgeht

Im SPD-Kreisverband Harburg gibt es seit Jahren Spannungen – vor allem, wenn Migranten in die Partei eintreten wollen. Teile des Verbandes befürchten eine „Unterwanderung“.

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Warum ein Hamburger SPD-Kreisverband gegen Migranten in den eigenen Reihen vorgeht

Aus vertraulichen Parteidokumenten geht hervor, dass die SPD gezielt gegen die Aufnahme von Neumitgliedern vorgeht, sobald deren Äußerungen verdächtig oder unzureichend erscheinen.

© IMAGO / Andre Lenthe

Hamburg. – Seit Jahren herrscht Unruhe im Harburger Kreisverband der Hamburger SPD. Die Partei freut sich über steigende Mitgliederzahlen, doch intern wird skeptisch geprüft, wer in die Partei eintritt - vor allem, wenn es sich um Menschen mit Migrationshintergrund handelt. Das berichtet die Zeit. Demnach achtet der Landesvorstand darauf, wie viele Neumitglieder aus Einwandererfamilien stammen und ob sie Kontakte zu SPD-Politikern mit ähnlichem Hintergrund haben. Die Sorge: Eine „Unterwanderung“ der Partei durch Migranten könnte die traditionelle Machtverteilung gefährden.

Blockade gegen migrantische Bewerber

In vertraulichen Parteidokumenten, unterzeichnet von den Landesvorsitzenden Melanie Leonhard und Nils Weiland, wird deutlich, dass die SPD gezielt gegen die Aufnahme von Neumitgliedern vorgeht, sobald deren Äußerungen verdächtig oder unzureichend erscheinen. „Die können sich nicht richtig artikulieren“, lautete häufig die Begründung für Ablehnungen, wie Arend Wiese, ehemaliger Vorsitzender der SPD in Neugraben-Fischbek, berichtet. Dies diene der Ausgrenzung von Migranten und der Sicherung von Machtpositionen.

Im Jahr 2022 eskalierte der Konflikt, als die türkischstämmige Juristin Okşan Karakuş zur Kreisvorsitzenden gewählt wurde und die deutschstämmigen Amtsinhaber Sören Schumacher und Ronja Schmager ablöste. Nach ihrer Niederlage verließen Anhänger Schumachers die Sitzung, sodass zwei Harburger Bezirke im Landesvorstand nicht vertreten waren. Der Landesvorstand spricht von einer strukturellen Benachteiligung, äußert sich aber nicht dazu, warum die Delegierten nicht mit einer migrantischen Vorsitzenden zusammenarbeiten wollen.

Stille Kämpfe und Parteistrafen

Trotz schwelender Konflikte hält die SPD an ihrem Grundsatz fest, Konflikte intern zu lösen. Ein interner Strafantrag aus dem Distrikt Marmstorf mahnt, es bedürfe des Disziplinbewusstseins aller Beteiligten, um den Konflikt geheim zu halten. Die migrantisch orientierten Vorstandsmitglieder sollten ihre Ämter verlieren, forderte Schumacher, um eine öffentliche Debatte zu vermeiden und seine Position als Bürgerschaftsabgeordneter zu sichern.

Die Vorwürfe belasten auch Benizar Gündoğdu, ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Karakuş-Vorstands. Ihr wurden die Mitgliedsrechte entzogen, sodass sie bei der nächsten Wahl nicht mehr gegen Schumacher kandidieren kann. Eine Klage gegen diese Sanktionen ist anhängig, während der Vorstand weitere Beweise sammelt. Schumachers Büroleiter Markus Schreiber lobte Gündoğdu als engagierte Frau mit Potenzial und kritisierte, dass die SPD ihre Kompetenz nicht nutze.

Spannungen innerhalb der Partei

Immer wieder fällt der Begriff „Scheinmitglied“ – eine Anspielung darauf, dass migrantische Mitglieder angeblich nicht die „echte“ SPD repräsentieren. Auch Claudia Loss, die neue Vorsitzende des Kreisverbandes Harburg, wurde in diese Debatte hineingezogen. Zwar beteuerte sie öffentlich, von „Scheinmitgliedschaften“ nichts gewusst zu haben, aus parteiinternen Dokumenten geht jedoch hervor, dass sie jahrelang Sanktionen gegen Karakuş, Gündoğdu und ihre Unterstützer befürwortet hatte.

Der Vorwurf, die Harburger SPD drohe von migrantischen „Scheinmitgliedern“ unterwandert zu werden, blieb bislang unbewiesen. Ein parteiinterner Bericht listet allerdings auf, dass einige Familien gleichzeitig eingetreten sind und sich in E-Mails Signaturen von Gündoğdu oder ihrem Verlobten Mehmet Kızıl finden. Der Vorstand bezeichnete diese Indizien als beunruhigend, ohne sie jedoch als eindeutige Beweise einzustufen. Laut Markus Schreiber, Gündoğdus Arbeitgeber, geht es ihr um mehr Chancen für Migranten, nicht um Einflussnahme.

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