Belgien: Rassismus-Debatte kocht vor Wahlen hoch
Im Oktober finden in Belgien Kommunalwahlen statt. Sowohl in Flandern als auch im französischsprachigen Wallonien dominieren dabei aktuelle Rassismusdebatten das Vorfeld der Lokalwahlen im zerrissenen Land.
Brüssel. Vergangene Woche strahlte das flämische Fernsehen eine Reportage über die Jugendorganisation „Schild en Vrienden“ aus. Dabei wurde der Organisation „Rechtsextremismus“ vorgeworfen. Die Journalisten belegten ihre Behauptung mit Bildern und Videos, die sie angeblich aus geheimen, internen Chatgruppen hätten – ein symptomatisches Bild für die Lage in Belgien.
Gerüchte über rassistische Witze
Die Aufdecker thematisierten dabei einen Chat, welcher über etwa 900 Teilnehmer verfügte. Dort sei man unter anderem auf Bilder und Videos mit geschmacklosen Witzen über Schwarze, Muslime oder den Holocaust gestoßen. Zwar wies ein Sprecher von „Schild en Vrienden“ sämtliche Anschuldigungen zurück – doch der Imageschaden war unumkehrbar.
Zusätzliche Brisanz bergen die Enthüllungen auch, weil zahlreiche Mitglieder der Gruppe für die kommenden Kommunalwahlen als Kandidaten beinahe aller konservativer flämischer Parteien fungieren. Besonders heikel ist die Situation dabei für die auf Bundesebene mitregierende, rechtskonservative N-VA. Gleich 20 Parteimitglieder sind bei „Schild en Vrienden“ aktiv. Die Parteiführung reagierte mit umgehender Distanzierung von der Gruppierung.
Moderatorin klagt über Diskriminierung
Beinahe zeitgleich wandte sich im französischsprachigen Teil des Landes die aus dem dortigen Fernsehen bekannte, aus dem Kongo stammende Wettermoderatorin Cécile Djunga in einem Facebook-Video an die Öffentlichkeit. Unter Tränen berichtete sie von einer Zuschauerin, die sie im Büro angerufen und als „zu schwarz fürs Fernsehen“ bezeichnet habe. Des Weiteren erklärte sie, bereits seit einem Jahr Beleidigungen dieser Art zu hören, doch sie habe nie etwas gesagt, um ihrer Karriere nicht zu schaden.
Mittlerweile wurde ihr Video mehr als zwei Millionen Mal angeklickt. Die linksliberale Zeitung „Le Soir“ titelte im Zuge dessen am Freitag „Rassismus lassen wir nicht durchgehen“ und verwies auf fünf Seiten auf diesen und andere Vorfälle. Die rassistische Gefahr sei groß in Belgien. Auch diverse deutschsprachige Medien wie der österreichische Kurier griffen das Thema auf.
Angespannte Stimmung in Belgien
Wie überall in Europa ist die Stimmung zwischen den politischen Lagern angespannt – um nicht zu sagen, umsomehr. Belgien kämpft seit Jahren mit einer inneren Zerrissenheit, vor wenigen Jahren stand sogar eine Trennung der beiden Landesteile im Raum. Diese Zerrissenheit spiegelt sich auch in der Politik wider. Während das wirtschaftlich starke Flandern tendenziell rechte und konservative Parteien bevorzugt, favorisieren Wallonen eher linke und liberale Parteien.
Debatten als Beibrot der Masseneinwanderung
Dass beide Landesteile sich nun quasi ‚vereint‘ mit einer Rassismusdebatte konfrontiert sehen, ist symptomatisch für das ebenfalls ständig präsente Migrationsthema. Etwa ein Viertel der über elf Millionen Belgier besitzen einen Migrationshintergrund, jeder Zehnte hat seine Wurzeln außerhalb Europas.
Der Großteil der Personen mit Migrationshintergrund verfügt über eine belgische oder andere europäische Staatsbürgerschaft und ist damit für den baldigen Urnengang wahlberechtigt.
Die größte Gruppe bilden dabei Menschen aus Marokko und deren Nachfahren mit etwa 450.000 Menschen, gefolgt von türkischstämmigen Personen (etwa 220.000). Insgesamt acht Prozent der belgischen Bevölkerung sind Muslime.
Großes Radikalisierungspotenzial unter Muslimen
Innerhalb dieser großen muslimischen Gemeinde haben auch radikale Strömungen einigen Zulauf. Kaum ein europäisches Land musste die Folgen des politischen Islam derart intensiv einstecken wie Belgien. Erst Ende Mai verübte ein islamistischer Gefährder einen tödlichen Angriff auf Passanten und Polizisten – Die Tagesstimme berichtete.
Auch generell gilt Belgien als jenes europäische Land mit den meisten kampfbereiten Islamisten. Der flämische Politiker Filip Dewinter (Vlaams Belang) stellte sogleich einen Zusammenhang zwischen diesem Umstand und der S&V-Doku her. Seiner Ansicht nach wäre es in Belgien niemals zu Anschlägen gekommen, wenn Medien in muslimischen Milieus so eifrig nach Extremisten gesucht hätten, wie dies nun in patriotischen Jugendgruppen der Fall sei.