EU-Parlament stimmt für Rechtsstaatverfahren gegen Ungarn
Mit deutlicher Mehrheit stimmten die Vertreter der EU-Staaten heute im Europaparlament in Straßburg für die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn.
Straßburg. Möglich wurde der Erfolg der Abstimmung nur durch die weitestgehende Unterstützung der EVP-Fraktion. Brisant dabei ist, dass auch Viktor Orbáns FIDESZ-Partei eigentlich diesem Zusammenschluss konservativer Parteien angehört. Am Ende stimmten 449 Abgeordnete für die Einleitung eines Verfahrens, nur 197 waren dagegen. 49 EU-Parlamentarier enthielten sich ihrer Stimme. Das Votum fand ohne Fraktionszwang statt.
„Stop Soros“-Gesetz als Auslöser
Das Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge bedeutet im schlimmsten Fall scharfe Einschnitte in die Privilegien eines Mitgliedsstaates. So kann es gewisse Stimmrechte im Ministerrat verlieren und kann somit bei wichtigen EU-Fragen nicht mehr mitentscheiden. Der EU-Innenausschuss sieht im Fall von Ungarn eine vermeintliche Verschlechterung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Als Indiz dafür gilt diesm unter anderem das „Stop Soros“-Gesetz, welches die Arbeit asylfreundlicher NGOs unter Beobachtung der Regierung stellt und mitunter Strafen für „Beihilfe zu illegaler Migration“ beinhaltet. Für kritikfähig stuft die EU dabei auch Regelungen ein, welche zum Abschied der Open Society Foundation (OSF) des US-Milliardärs George Soros in Richtung Berlin führten. Die OSF unterstützt seit Jahren europaweit linke und einwanderungsfreundliche Organisationen.
Mehrstufiges Prüfverfahren
Bevor Ungarn der Verlust seiner wichtigen Stimmrechte droht, muss allerdings ein mehrstufiges Prüfverfahren die Vorwürfe klären. Außerdem wäre hierfür die Einstimmigkeit aller anderen Mitgliedsstaaten vonnöten. Wohl auch deshalb geschah eine derart harte Maßnahme noch nie in der Vergangenheit.
Gegen Polen läuft bereits seit zwei Jahren ein ähnliches Verfahren, derzeit befindet sich die EU gemäß eines Standard-Videos aber weiterhin im Dialog mit der dortigen Regierung.
Orbàn sieht Schlag gegen „Ehre Ungarns“
Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán denkt jedenfalls nicht an eine Rücknahme der beanstandeten Gesetze. Dass ein kritischer Bericht als Grundlage für eine derartige Abstimmung diene verletzte die „Ehre der Ungarn“, Orbán in seiner Rede im EU-Parlament am Dienstag. Das Verfahren selbst widerspräche den Verträgen, die EU-Abgeordneten wollten „eine Regierung, ein Land und ein Volk verurteilen“. Ungarn bekenne sich jedenfalls zur Verteidigung seiner Grenzen.