Grönland, Panamakanal, Kanada: USA suchen räumliche Konfrontationslinien
Trumps Ziel ist es, die US-Dominanz in den geografisch nahen Regionen zu festigen, in denen die strategischen Interessen der USA direkt betroffen sind. Im Wettbewerb der USA mit China und Russland versucht er, die neuen Rechten in Europa auf seine Linie zu bringen, so Seyed Alireza Mousavi in seiner Analyse für FREILICH.
In den vergangenen Tagen drohte Trump erneut damit, Kanada zur 51. Provinz der Vereinigten Staaten zu machen, Grönland zu erwerben und den Panamakanal zurück in die Hände der USA zu überführen. „Wir brauchen Grönland für die nationale Sicherheit“, sagte kürzlich der angehende US-Präsident. Trump schließt dabei nicht aus, nach seinem Amtsantritt am 20. Januar militärische oder wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, um das dänische Überseegebiet zu erwerben. Damit verblüffte er seine europäischen Verbündeten, die sich in einer Zeit zunehmender globaler Instabilität – insbesondere nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine – Sorgen um die Unverletzlichkeit der Grenzen machen. Der Bundeskanzler Olaf Scholz warnte den designierten US-Präsidenten vor gewaltsamen Grenzverschiebungen. In Frankreich verurteilte Regierungssprecherin die Anschluss-Drohungen Trumps als „eine Form von Imperialismus“. Der Außenminister Jean-Noël Barrot erklärte in einem Interview, die EU würde es nicht zulassen, dass andere Nationen der Welt ihre souveränen Grenzen angreifen würden, „wer auch immer sie sind“.
Grönland
Alle geostrategischen Interessen Trumps laufen tatsächlich auf Grönland zusammen. Seit 1867 versuchten die US-Amerikaner schon, die Insel zu übernehmen. Der Versuch bot sich später an, nachdem die Dänen schon im ersten Weltkrieg mehrere kleinere Inseln an USA verkauft hatten. Auch sind den Amerikanern Käufe von fremdem Land nicht ganz fremd: Sie erwarben Alaska von Russland oder Florida von den Spaniern. Grönland ist strategisch von wichtiger Bedeutung. Sie bildet nämlich ein schmelzendes Bollwerk aus Eis zwischen USA und Russland. Die Amerikaner unterhalten dort bereits die Luftwaffenbasis Pituffik Space Base (Thule) mit rund 200 eigenen Soldaten. Sie überwachen mit einem Frühwarnsystem Raketenflüge – eine Abwehrmaßnahme mit Blick auf Russland und China. Grönland gilt vor allem als Ausgangspunkt für das Vordringen in die Arktis. Dort ringen Weltmächte und Anrainer um Einfluss, und dort werden Bodenschätze vermutet.
Setzt sich dort aufgrund der Erderwärmung das Schmelzen des ewigen Eises fort, wäre die nördliche Verbindung von Europa bis in den Pazifik offen. Über diese Route kann man den Lieferkette-Unterbrechungen seit dem Gaza-Krieg entgegentreten. Ein Containerschiff fährt von einem chinesischen Hafen nach Rotterdam auf seiner Route durch den Suezkanal rund 22.000 Kilometer. Die Angriffe der Huthi zwingen allerdings immer mehr Schiffe, um das Kap der Guten Hoffnung und damit weitere gut 5.000 Kilometer zu fahren. Die Entfernung über die Nordostpassage zwischen Russland und Grönland beträgt aber nur 16.000 Kilometer. Bislang hält Russland mit seinen atomgetriebenen Eisbrechern ein Monopol auf die Nordostpassage. Das aber könnte sich ändern, wäre Grönland in US-amerikanischer Hand.
Panamakanal und Kanada
Historisch betrachtet ist die Forderung Trumps nach einer Kontrolle des 82 Kilometer langen Panamakanals nicht überraschend: Anfang des vergangenen Jahrhunderts bauten US-Amerikaner den Verbindungsweg zwischen Atlantik und Pazifik. Bis der gerade verstorbene Trump-Vorgänger Jimmy Carter ihn von 1977 an Panama übertrug, lag er in Händen der Amerikaner. Der Panamakanal gilt als Lebensader des Welthandels. Und nun will der Geschäftsmann Trump Panama unter Drohungen der Annexion zwingen, die aus seiner Sicht zu hohen Gebühren für die Durchfahrt zu senken.
Trump fabuliert auch von einer Annexion Kanadas als „51. Bundesstaat“. Der Ansatz Trumps liegt auf der Hand. Bei einem Anschluss würden die USA das flächenmäßig größte Land der Erde, größer als Russland. Der Küstenstreifen würde Handelsräume sichern und der Navy noch größeren Bewegungsraum sichern. Kanada sitzt auf riesigen Bodenschatzvorkommen. Was den Geschäftsmann Trump ärgert, ist vor allem das Handelsdefizit: 78 Prozent des Exports der Kanadier gehen in die USA. Doch geben die Kanadier am Ende nur 1,4 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Rüstung aus, also noch unterhalb der NATO-Grenze von zwei Prozent. Bereits im November hatte Trump angekündigt, kanadische Importe mit einem Zollsatz von 25 Prozent zu belegen.
Rennen gegen China und Russland
Trumps Expansionspläne in der westlichen Hemisphäre sind auf den wachsenden Einfluss Chinas und Russlands in der Region zurückzuführen, die er im Wesentlichen als Hinterhof Amerikas betrachtet. Es geht Trump darum, Chinas Vordringen auf der Weltbühne entgegenzusetzen, Russland einzugrenzen. Er will letztendlich den US-Amerikanern Bodenschätze, Seewege über und unter Wasser und Militärstützpunkte sichern. Die USA befinden sich vor allem in einem Rennen mit China und Russland um die Vormachtstellung in der Arktis. China hat Milliarden in Grönland investiert, vor allem in den Bergbau und bemühte sich um den Kauf eines früheren Marine-Stützpunkts. Trumps Vorgehen zwischen Kaufangeboten und Drohungen mit wirtschaftlicher Isolation und militärischer Gewalt entspricht in etwa jenem Vorgehen, was China seit vielen Jahren im Pazifik oder Russland seit dem Ukrainekrieg in Osteuropa betreiben. Unter Berufung auf historische „Beweise“ – die Neun-Striche-Linie – versucht Peking, seinen Einflussbereich im Südchinesischen Meer auszudehnen, während die Russen sich auf das sowjetische Erbe in der Ukraine besinnen.
Wiederaufleben des Monroe-Doktrin
Man erwartet unter einer neuen Trump-Regierung eine Verlagerung der außenpolitischen Ressourcen und der Aufmerksamkeit der USA auf den amerikanischen Kontinent. Trump will eine neue Außenpolitik durchsetzen, die darauf abzielt, die Dominanz der USA in den geographisch nahen Regionen, wo strategische Interessen der USA direkt und hautnah betroffen sind, zu festigen. Während die vom Westen propagierte regelbasierte internationale Ordnung zunehmend an ihre Grenzen stößt, sucht Trump offensichtlich nach räumlichen Konfrontationslinien, um dem Aufstieg nicht-westlicher Mächte in der westlichen Hemisphäre entgegenzuwirken.
Trump will in der westlichen Hemisphäre eine neue Art von „Monroe-Doktrin“ etablieren. Die USA würden als unangefochtene Vormacht über den amerikanischen Doppelkontinent von Alaska bis Feuerland herrschen, um aus einer Position der Stärke heraus den globalen Machtambitionen Chinas und anderer aufstrebender Mächte entgegenzutreten.
Trump und Europa
Es bleibt unwahrscheinlich, dass Trump bereit wäre, US-Truppen aus anderen Teilen der Welt abzuziehen. Vieles spricht dafür, dass er Europa, Nahost und Asien für seine Rivalität mit China und Russland gewinnen will. Dabei setzt er zwar in Europa auf Rechtspopulisten, die eine globalisierte Weltordnung ablehnen, versucht aber, diese Kräfte auf seine Linie zu bringen. Dabei hofft er auf die Unterstützung von Tech-Oligarchen wie Elon Musk. Dieser nahm binnen weniger Tage London und Berlin ins Visier. Er forderte Neuwahlen in Großbritannien und die Freilassung des britischen Rechtsaktivisten Tommy Robinson. Dann rief er zur Wahl der AfD auf und führte ein Interview mit AfD-Chefin Alice Weidel auf X. Ein Weckruf für Patrioten: Hier droht Europa eine pro-amerikanische Bewegung in neuem Gewand, die von durch die USA gelenkten Rechtspopulisten getragen wird und Europa letztlich zum Spielball der Großmächte macht.