Schmissige Perspektiven (1): Wieder antiburschenschaftliches Theaterstück auf der Bühne
Göttinger Burschenschafter sind häufig Ziel linksextremistischer Angriffe. Norbert Weidner kritisiert in seiner Rezension das einseitige Theaterstück „Das deutsche Haus“, das linke Vorurteile gegen Burschenschaften bedient und eine einseitige Agenda vorantreibt.
Göttinger Studenten haben es nicht leicht – zumindest, wenn sie nicht links sind. Das ist schon seit den 1960er-Jahren so, dafür ist der Hochschulort Göttingen mit seiner Georg-August-Universität sattsam bekannt. „Göttingen gehört neben Berlin und Hamburg seit mehreren Jahrzehnten zu den Hochburgen der linksextremen Szene“, konstatierte selbst die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) vor wenigen Jahren. Das gilt auch heute noch und verwundert nicht, da das linke Göttinger Milieu stark durch studentische Hochschulinitiativen, K-Gruppen, Autonome, Anti-Atomkraftgegner und letztlich der örtlichen Antifa geprägt wurde. In Göttingen gründete sich 1990 beispielsweise auch die berüchtigte Autonome Antifa (M), die militanteste und gewalttätigste Antifa-Gruppe in der Geschichte der Bundesrepublik, die sich im Jahr 2004 auflöste und gegen deren Mitglieder lange Zeit wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt wurde.
Schwierige Umgebung für rechte Studenten
So haben es Studenten, die nicht links sind und darüber hinaus auch noch einer studentischen Verbindung angehören, gar einer Burschenschaft, die nur männliche Studenten aufnimmt, in Göttingen besonders schwer. Die zahlreichen Übergriffe gegenüber Angehörigen völlig unterschiedlicher Arten von Studentenverbindungen führen dazu, dass es kaum öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten der etwas mehr als 40 örtlichen Studentenverbindungen gibt. So sind Körperverletzungen, Brandstiftungen, Sachbeschädigungen und sonstige Übergriffe an der Tagesordnung. Selbst betont unpolitische Korporationen leiden unter dem linksextremen Verfolgungsdruck in Göttingen, denn selbst sie pflegen angeblich konservative, patriarchalische Strukturen und eine toxische Männlichkeit, um im Antifa-Jargon zu sprechen. Dass Korporationen Seilschaften fördern, darf beim Kanon der Vorwürfe natürlich nicht fehlen.
So wäre es für die gern bemühte Zivilgesellschaft langsam an der Zeit, sich mit den linken Strukturen in Göttingen auseinanderzusetzen, oder? Aber Pustekuchen: Am Deutschen Theater Göttingen feierte vor gut einem Monat indes das Stück „Das deutsche Haus – eine WG-Komödie von Philipp Löhle“ Premiere. Und worum geht es darin? Um Lukas, der sich in eine rechte Burschenschaft verirrt. „In der Universitätsstadt Göttingen inszeniert Philipp Löhle am Deutschen Theater seinen eigenen Text über eine radikale Burschenschaft und damit rechtes Treiben in Stadt und Gesellschaft. Eine gelungene, erschreckende Bestandsaufnahme“, erklärt uns die Onlinezeitung Die deutsche Bühne und ergänzt: „Ob das jetzt alles Burschenschaften akkurat abbildet oder nicht, spielt dabei tatsächlich keine Rolle. Es geht um etwas anderes. Inhaltlich werden hier die Attraktivität extrem rechter Ideologien, Patriachat, toxische Männlichkeit und – viele Mitglieder der AfD, aber auch anderer konservativer Parteien sind Mitglieder von Burschenschaften – aktuelle rechte Tendenzen mit dem Haus als Fokalpunkt miteinander verwoben.“
„Rechts sells“
Ja, richtig gelesen: Ob das realistisch ist, ist unerheblich, denn man pflegt mit dem Stück lieber liebgewordene Vorurteile. So heißt es in der Kritik über das Stück lobend: „Es ist jedenfalls ein großes Projekt, das sich Philipp Löhle aufgebürdet hat: rechte Argumentationen offenlegen, Mechanismen von Vereinnahmung zeigen, das alles, ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln. Und tatsächlich gelingt das, weil das Verbindungshaus als Absprungbrett das alles im Kleinen zeigen kann, aber immer auch im großen auf all die anderen verschlossenen Türen verweist, hinter denen sich Menschen immer weiter radikalisieren. Es gelingt auch, weil Löhle sich nicht davor scheut, Unaussprechliches mit den Mitteln des Horrors auszusprechen – einmal greifen auch Zombiehände von überall hinter den Kulissen nach Lukas. Und hin und wieder sogar lustig zu sein, schließlich sind die ganzen Rituale der Burschenschaftler, ihre Hierarchien, ihr Vokabular, auch ein wenig lächerlich, manchmal auch zum Fremdschämen. Aber eben immer auch: Auf eine Art unerhört, gefährlich, denn irgendwer, irgendwo, vielleicht gar nicht so weit weg vom Theater in Göttingen, nimmt den ganzen Quatsch ernst.“
Man muss dem Autor und Regisseur Löhle, der im überwiegend korporationsfreundlichen Erlangen studierte, schon zugestehen, dass er weiß, was auf deutschen Bühnen Geld bringt, nämlich alles, was gegen rechts gerichtet ist; alles, was unsere Geschichte zum Verbrecheralbum macht und alles, was – wie in diesem Fall – gegen den angeblichen Muff vor 1000 Jahren gerichtet ist. Die Kultur ist eben links und flankiert auf allen Ebenen den links-rot-grünen Marsch durch die Institutionen. Und der Feind steht erklärtermaßen rechts und muss bekämpft werden. Und „rechts“ fängt nicht erst neuerdings bei der CDU an.
In „Das deutsche Haus“ findet zunächst eine Grenzverschiebung statt: Immer mehr wird Lukas in die fast kultischen Rituale eingesogen, immer mehr entfremdet er sich von seinem alten Leben, seiner Freundin, brüllt irgendwann das Motto der Truppe, „Omnia pro nobis“ („Alles für uns“) mit. Schließlich ist das Zimmer unschlagbar günstig“, heißt es in der oben erwähnten Rezension. „Alles für uns“? Das erinnert fatal an „Alles für Deutschland“ oder das nun zum AfD-Motto gewordene „Alles für Alice“. Was für ein Zufall. Das ist schon durchsichtig und wirkt billig. Ähnlich billig sehen auf den Premierenfotos die Kostümierungen aus. Alberne blonde Perücken und überdimensionierte Biergläser dokumentieren eindrücklich, wie einseitig das Dargestellte ist. Aber das soll wohl auch so sein.
Ermüdende einseitige Agenda
Wieder einmal wird die Bühne als moralische Anstalt instrumentalisiert. Das ist mittlerweile langweilig, zieht erfahrungsgemäß kaum Theaterbesucher an und kostet letztlich den Steuerzahler, denn es gibt kaum ein Theater, das nicht staatlich subventioniert wird. Und die Aufführung von Stücken, die sich einseitig gegen rechts richten, ist zwar wenig riskant, da sie in großen Teilen des Kulturbetriebs auf große Zustimmung trifft. Die ermüdende immerwährende einseitige Agenda ist aber ein Armutszeugnis für die heutige Theaterlandschaft. Die typisch linken Stücke versprühen heute allenfalls eine primitive inhaltliche Monotonie und groteske Ideenlosigkeit. Die Darstellungen erinnern an Slapstick. Ein Bertolt Brecht, ein Ernst Busch, immerhin Linke mit Verstand, oder Gustav Gründgens würden sich im Grabe umdrehen, wüssten sie von der Einfallslosigkeit ihrer heutigen Theaterregisseur-Nachkommen. Wie feinsinnig, wie intelligent das deutsche Theater einst war.
Und eine kritische Auseinandersetzung mit anderen problematischen politischen Strömungen bleibt ebenfalls aus. Wo sind die Inszenierungen, die linksextreme Gewalt, islamistischen Fanatismus oder totalitäre Tendenzen in anderen politischen Lagern kritisch hinterfragen? Ein wirklich lebendiger Kulturbetrieb müsste sich trauen, sämtliche politischen Strömungen kritisch zu hinterfragen – ohne Tabus, aber mit künstlerischer Tiefe und Differenzierung. Lediglich von Vielfalt zu sprechen, reicht für echte Vielfalt eben nicht aus!
Die Aufführungstermine finden sich hier: https://www.dt-goettingen.de/stueck/das-deutsche-haus