Freilich #36: Ausgebremst!

Zwischen Mensur und Nation: Das Politische und die Burschenschaft

In der letzten Woche ordnete FREILICH-Autor Mike Gutsing den Burschentag der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft (ADB) in größere Zusammenhänge ein. Tobias Neuer stellt im dieswöchigen Beitrag des Akademischen Lebens die Frage nach der allgemeinen Bedeutung des Politischen für die Burschenschaften.

Kommentar von
16.11.2025
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4 Minuten Lesezeit
Zwischen Mensur und Nation: Das Politische und die Burschenschaft

Burschenschafter beim Fackelzug zum Burschentag in Eisenach.

© IMAGO / Future Image

Auf das Politische als grundlegend für das spezifisch „burschenschaftliche“ an der Burschenschaft hinzuweisen, ist eine Binsenweisheit. Die Gründung der Urburschenschaft vollzog sich als politischer Akt der Selbstzerschlagung der alten Jenaischen Universitätslandsmannschaften zugunsten einer alldeutschen Studentenvereinigung, das Wartburgfest zwei Jahre später galt der symbolischen Vereinigung aller deutschen Studentenschaften im Geiste der national-freiheitlichen Bewegung mit starken evangelischen Untertönen. Und doch hat sich seit dem Ende der Blockkonfrontation darüber ein starker Dissens ergeben, was der genaue politische Gehalt der Burschenschaft nun sein sollte.

In der Weimarer Zeit und in der alten Bundesrepublik hatte man es da einfacher. In den Zwanzigern konnte ein durch die Versailler und St. Germainer Diktate provozierter antirepublikanischer völkischer Nationalismus die Studentenschaft zusammenschweißen, in der alten Bonner Republik ein defensiver Antikommunismus den Verband wieder festigen. Und wenngleich es in beiden Zeiten, in Weimar etwa die Streitfrage um das Verhältnis zur NSDAP, in der Bonner Republik etwa die Fragestellungen der Mensur und der Ausdehnung des Vaterlandbegriffs, Dissens gab, so war man sich doch über Grundsätzliches mehr oder minder einig.

Es wundert nicht, dass kaum mehr ein halbes Jahrzehnt seit der Teilwiedervereinigung verging, bis dies durch die Gründung der NDB 1996 in Frage gestellt wurde, und anderthalb Jahrzehnte später der Massenaustritt der Mittelfraktion, respektive 2016 die Gründung der ADB folgte. Die Tatsache, dass diese beiden Zerwürfnisse durch die verschiedenen Richtungen, Kartelle, Freundschaftsverhältnisse und Örtlichen Burschenschaften hindurchgingen beweist, dass es hier um etwas Entscheidendes geht, um die Seele der Deutschen Burschenschaft.

Zwischen Mensur und Politik

Denn die Burschenschaft hat eben zwei Seiten, die nicht voneinander getrennt werden können, ohne dass die Burschenschaft aufhört, Burschenschaft zu sein. Da ist zum einen das Dasein als waffenstudentische Korporation, was dem der Corps, Landsmannschaften, Turnerschaften, Sängerschaften und sonstigen Schäften nicht unähnlich ist. Langweilige Convente, bierfreudige Kneipen, Band und Mütze, Pauken und Mensur, Waffenschweine und Rosshaare etc. All das ist konstitutiv auch für das burschenschaftliche Leben, wenngleich die Bandfarben oftmals weniger kreativ (gibt ja kaum was anderes als schwarz-rot-gold und schwarz-weiß-rot), die Kneiplieder etwas nationaler und die Aktiven zuweilen selten ihren Stammbaum über die tektonischen Grenzen unseres Kontinents hinaus nachweisen können.

Hier ist wohl auch die richtige Stelle, um festzustellen, dass die Burschenschaft auch für den Nichtaktivisten und den generell Unpolitischen eine Heimat und Mutter werden kann. Wer nicht gerade in einem jener Bünde ist, die aufgrund ihres Alters oder ihrer spezifischen Bundestradition eine sehr ausgeprägte Neigung zur politischen Betätigung haben, der wird selbst mindestens ein paar Bundesbrüder haben, die über die Klassiker „Zimmer, Suff, Fechti geil“ oder alternativ „Papi war auch schon dabei“ dazugekommen sind, und diese Leute sind in der Regel auch eine Bereicherung.

Zukünftige Risse

Aber da ist auch die andere Seite, die uns in den letzten Jahren sehr zugute gekommen ist, aber auch die beiden Spaltungen der letzten dreißig Jahre notwendig gemacht hat, nämlich das nationale Bekenntnis als politischer Zentralinhalt. Ist dies auch zu allen Zeiten anders interpretiert worden, wichen Sturm und Drang des Vormärz der Saturiertheit des Wilhelminismus, diese dem (oftmals übertriebenen) völkischen Nationalismus der Weimarer Jahre, dieser dann dem Wiedervereinigungsgedanken und jener heute einem deutschnationalen Konvolut, für das man noch keinen rechten Namen gefunden hat („Neue Rechte“ ist es auf keinen Fall), so ist in alle diesen Dingen doch eines im Zentrum stehend: Die deutsche Nation, ihre Wohlfahrt, Größe, Freiheit, Einheit und Zukunft, ihr Kampf um das Überleben in den stürmischen Gewässern der Moderne.

Dieses Bekenntnis musste jene, die dem verlustig gegangen waren, die in einer kleinbürgerlich-gewerkschaftlichen Saturiertheit ganz zufrieden waren und im Parteiprogramm der CDU von 1985 den Inbegriff des Burschenschafterdaseins sehen, notwendigerweise aus der Deutschen Burschenschaft und nach Eitorf treiben. Wie die NDB gerade im Siechtum endet, so wird auch die ADB, wo „die Luft“ wohl auch gerade „raus“ ist, in den nächsten zwei Jahrzehnten wieder verschwinden und in zwei Lager zerfallen: Ein sich am CC oder der DS orientierendes Feld von de facto verbandsfreien Verbindungen, denen der Name „Burschenschaft“ bald lästig sein wird, und einen Flügel, der sich über die Verbandsfreiheit langsam wieder an den Dachverband annähern wird, und dem man unbedingt mit sehr viel Verständnis für all seine Macken und Besonderheiten begegnen muss, damit dieser wieder integriert werden kann.

Freundschaft ja, aber um welchen Preis?

Abschließend bleibt die Frage, wie sich aus diesen Betrachtungen das Verhältnis zu den anderen Koporationsarten und -verbänden gestalten sollte. Meiner Erfahrung nach hat sich das Verhältnis zwischen den verschiedenen Korporationsverbänden in den letzten Jahren zumindest inoffiziell gebessert. Aus eigener Erfahrung gestaltet sich das Verhältnis mit dem CC meist unkompliziert, auf einem Corpshaus war man auch schon das ein oder andere Mal ohne den sonst obligatorischen Ausflug in den Presskeller, und selbst die Ultramontanen und Evangelisch-Nichtschlagenden lassen einen doch mal in die feine Stube hinein, wenn man den richtigen Ansprechpartner hat.

Was leider noch sehr lange auf sich warten lassen wird, ist die dachverbandsübergreifende Einheitsfront, also die in die Tat umgesetzte Idee des Korporationsrings vor Ort oder des BRD-weiten Korporationsrings. Dieser könnte zumindest bei den Gemeinplätzen wie der Dokumentation linksextremer Gewalt gegen Verbindungsstudenten oder bei gemeinsamen Bildungs- und Kennenlernveranstaltungen organisiert werden. Solange der politische Umschwung – konkret die Beteiligung einer Rechtspartei an der politischen Macht auf Landes- und Bundesebene – ausbleibt, werden die „unpolitischen“ „Honoratioren“ in den Verbandsgremien der anderen einen Teufel tun, die Verhältnisse mit uns irgendwie offiziell zu bereinigen.

Selbst in Städten wie Jena und Göttingen, wo die verbindungsfeindliche Gewalt ein Dauerthema ist, ist man noch lange nicht so weit, in dieser Hinsicht auch nur einen einzigen Knorpel an Rückgrat zu entwickeln. Und man wird auch weiterhin den „nützlichen Idioten“ für Rotfront spielen, selbst wenn nächstes Jahr in Coburg oder Bad Kösen Leute von Kommunisten totgeschlagen werden, so sehr ist einem das letzte bisschen Anerkennung vom örtlichen CDU- oder SPD-Apparatschik wichtig.

Aber dies muss uns nicht wichtig sein (obgleich man doch das formal korrekte Auftreten gegenüber diesen Herrschaft wahren sollte); die Zeit arbeitet für uns. Die nationale Idee wird durch die katastrophale politische Entwicklung der letzten Jahre wieder der Gedanke der Zeit, und damit ist die Deutsche Burschenschaft wieder prädestiniert dafür, das verbindungsstudentische Milieu in ihrem Sinne zu prägen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Tobias Neuer

Tobias Neuer ist Student der Geschichte an einer bundesdeutschen Universität. Der Burschenschafter setzt sich mit Neuester Geschichte und Geschichtsphilosophie auseinander.

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