„Bleibt Frauen, werdet Männer!“ – Kositzas scharfsinnige neue Geschlechterbetrachtung
Nach den deutlichen Unterschieden bei den letzten Wahlen stellt sich die Frage: Stehen sich Männer und Frauen in der Politik als unversöhnliche Gegensätze gegenüber? Ein neues Buch stellt diese und andere Geschlechterunterschiede auf den Prüfstand.
Die Journalistin und langjährige Sezession-Autorin Ellen Kositza braucht nur wenige einleitende Worte. In „Geschlecht und Politik“, einem der drei Bändchen der neuen Kaplaken-Staffel aus dem Hause Antaios, rechnet die Grande Madame der Neuen Rechten schonungslos und doch nicht ohne Augenzwinkern mit den Männern und Frauen ihrer eigenen Blase ab. Kositza zeigt mit dem knapp 100 Seiten starken Text, dass sie eben keine „nicht-dumme Deko“ ist, wie sie sich in den frühen Tagen ihrer politischen Sozialisation selbst beschreibt.
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Ihr gelingt es, aktuelle Debattenbeiträge, Theorie und ganz Grundsätzliches gleichberechtigt nebeneinander zu stellen und damit sowohl für Uneingeweihte als auch für Eingeweihte ansprechend zu sein. Kositza entwirft auf der Basis von Erfahrungen, Beobachtungen und theoretischen Grundlagen ein Gesamtbild der Geschlechterdisparität im Bereich des Politischen. In einem Dreiklang aus persönlich Erlebtem, theoretisch Gelesenem und statistisch erhobenen Einblicken in die politische Denk- und Lebenswelt von Frauen innerhalb und außerhalb der rechten Szene skizziert Kositza sowohl Probleme als auch Lösungen und klärt Missverständnisse auf. Warum zum Beispiel scheinen sich Frauen sowohl von Stärke als auch von Sympathie für Schwächere, für Underdogs angezogen zu fühlen?
Zwischen Freiheit und Unterdrückung
Das Buch lässt dem Leser viel Raum für eigene Schlussfolgerungen und gibt zahlreiche Anregungen zum Weiterlesen, glänzt vor allem bei der Darstellung der Frauenbewegung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und widerlegt mühelos die falsche Vorstellung, rechte Frauen seien immer nur Zierde ihrer Männer gewesen und ihre linken Pendants verschrobene, männerhassende Emanzen. Auch die Befürchtung eines gesellschaftlichen female take-overs, beziehungsweise der „Verlanghausung“ der Gesellschaft (abgeleitet von der These, dass der Lebensmittelpunkt der Germanen eine matriarchalisch geführte Domäne gewesen wäre), kann Kositza anhand aktueller Trends ausräumen.
Gleichzeitig stützt sie das Argument, dass die heutige Gesellschaft im weitesten Sinne eine „Frauenwelt“ sei: Eigenschaften wie Toleranz, Rücksichtnahme und Verletzlichkeit seien prägende Tugenden – für Männer wie für Frauen. Den Grund für die Feminisierung der Welt sieht die Autorin in einer Krise der Männlichkeit beziehungsweise in einem Mangel an „Machern“. Demgegenüber steht eine Reihe toxischer Männertypen, die sie in ihrem eigenen Umfeld beobachtet hat und scharf kritisiert – wer erkennt sich wieder?
Aus der Szene für die Szene
Eine der größten Stärken der Autorin ist zugleich eine Schwäche des Buches: Kositza überzeugt! Die plastische Schilderung biografischer Erfahrungen und langjähriger Beobachtungen fesselt, Szeneveteranen erkennen hinter der Typologie männlicher Negativfiguren die dahinter stehenden Archetypen. Doch während das Kapitel über die vorangegangenen Frauenbewegungen durch eine hohe Kenntnis der wichtigen Schriften und ihrer Autoren glänzt, bleiben andere Vorbilder ungenutzt.
Wünschenswert wäre die Einbeziehung konkreter Untersuchungen, um die Angaben der Autorin überprüfen zu können. Interessant wären auch die Unterschiede zwischen den Generationen gewesen. Durch diese sprachliche und inhaltliche Gestaltung fällt es Kositza leicht, den interessierten Leser von ihren Darstellungen zu überzeugen und die daraus resultierenden Forderungen anzuerkennen. Wer aus Unkenntnis oder Ressentiments der Autorin ihre Erfahrungsautorität hinsichtlich der von ihr maßgeblich mitgeprägten Szene abspricht, wird ihre Analyse jenseits anekdotischer Evidenz als unbrauchbar und ihre Forderungen als Wunschdenken abtun.
Glücklicherweise ist das Bändchen „aus der Szene für die Szene“, sodass die obige Kritik nicht ganz gerechtfertigt ist, aber dennoch erwähnt werden muss. Kositzas Fazit ist überraschend und doch erwartbar, es ist das Ergebnis realer Erfahrung und weltanschaulicher Prägung:
„Ein echter Mann bleibt ein echter Mann, auch wenn er mal ein paar Monate das Kindchen schaukelt. Frau bleibt Frau und Mutter Mutter, selbst wenn sie nebenbei einen Berufs- oder Studienabschluss absolviert.“ Die Frage nach einem gesunden Geschlechterverhältnis bleibt auch im zweiten Viertel des 21. Jahrhunderts unbeantwortet, aber Ellen Kositza liefert mit ihrem Buch „Geschlecht und Politik“ einen gelungenen Einstieg in das Thema. Es ist zu hoffen, dass es genau die Kreise erreicht, die die Autorin zu erreichen versucht, denn es darf schon jetzt zu den wichtigsten Erscheinungen des Jahres 2025 gezählt werden.