Die unübliche Allianz zwischen Rechten und Feministen

In seinem Kommentar geht Julian Marius Plutz auf die Gemeinsamkeiten ein, die Konservative und Radikalfeministen in Bezug auf queerfeministische Ideen haben und erklärt den Wert einer Allianz dieser zwei Gruppen.

Kommentar von
18.4.2023
/
3 Minuten Lesezeit
Die unübliche Allianz zwischen Rechten und Feministen

Julian Marius Plutz

Zugegeben: Es ist durchaus möglich, dass der unbedarfte Leser beim Wort „Radikalfeminismus“ zusammenzuckt. So ging es mir vor etwa zwei Jahren, als ich den Begriff zum ersten Mal hörte. Feminismus, und dann noch radikal gedacht, scheint das natürliche Feindbild der Konservativen zu sein – das mag lange Zeit so gewesen sein. Aber nicht nur die Zeiten ändern sich, sondern auch wir. In einer Welt, in der bewährte Gewissheiten wie unliebsame Gebäude eingerissen werden, scheint alles möglich, denn wenn ein mancher Mann über 60 seinen Fetisch entdeckt und mit Lippenstift und Eierlikör wie eine Karikatur lebt, applaudieren selbsternannte Linksliberale, als hätte Unterhaching gerade ein Tor gegen Bayern München geschossen.

Radikale Feministen, die ursprünglich aus der Linken kommen, kritisieren ebenso wie Konservative queerfeministische Ideen, aus denen die Transideologie ihre Argumente bezieht. Unter Queerfeminismus versteht man die Idee, dass die Geschlechter weder psychologisch noch biologisch vorbestimmt sind, sondern den Menschen von der Gesellschaft zugewiesen werden. Anhänger dieser Ideologie unterscheiden zwischen sozialem und körperlichem Geschlecht.

Frausein als Konzept

Da Queerfeministen diese Trennung zwischen der Physiologie des Seins und der sozialen, also gefühlten Geschlechtlichkeit vornehmen, ist es nicht verwunderlich, dass sie die Überzeugung vertreten, Menschen könnten ihr Geschlecht ändern. Denn ob jemand als Mann oder Frau „gelesen“ wird, entscheiden nicht die Chromosomen, sondern die Menschen selbst. Das ist auch der Grund, warum Diskussionen mit Anhängern dieser Ideologie fast immer ins Leere laufen, denn schon die grundlegende Tatsache der menschlichen Biologie, dass es genau zwei Geschlechter gibt (formal wird oft auf ein „drittes Geschlecht“ im Sinne von Intersexualität verwiesen, das auf seltenen hormonellen oder genetischen Abweichungen beruht, Anm. d. Red.), wird ignoriert.

Radikale Feministen wie Alice Schwarzer oder Phyllis Chesler, aber auch die unter Beschuss geratene Biologin Marie-Luise Vollbrecht lehnen die Gender-Theorien ab. Der Grund ist einfach: Wenn sich ein Mann als Frau bezeichnen kann, besteht die Gefahr, dass die biologische Tatsache des Frauseins zum Konzept wird. Nicht physiologische Tatsachen bestimmen dann das Geschlecht, sondern emotionale Zustände. Die Folgen sind bereits sichtbar. Frauen sehen ihre safe spaces bedroht, während biologische Männer für einen Feminismus eintreten, der sie einschließt, obwohl sie keine biologischen Frauen sind.

Frauen werden nicht zu Männer

Aber auch von konservativer Seite wird die Gender-Ideologie als Eingriff in eine natürliche, manche würden sagen gottgegebene oder zumindest bewährte Ordnung kritisiert. Eine Ordnung, die so selbstverständlich war, dass sie nicht einmal als Wert an sich betont werden musste – das war bis vor wenigen Jahren so. Heute ist die Thematisierung der Tatsache, dass es nur zwei Geschlechter gibt, zu einem politischen Streitpunkt geworden, der nicht selten in dem Kampfbegriff „Transphobie“ mündet.

Dabei geht es nicht darum, eine Krankheit wie die Geschlechtsdysphorie (fehlende Übereinstimmung zwischen ihrem bei der Geburt bestimmten Geschlecht und ihrer Geschlechtsidentität, Anm. d. Red.) abzulehnen. Es soll und darf überhaupt nicht darum gehen, Menschen mit hohem Leidensdruck und diversen anderen psychischen Erkrankungen als Freaks darzustellen. Denn auch diesen Menschen muss geholfen werden, wie jedem anderen kranken Menschen auch. Aber eines muss immer klar sein, auch wenn Operationen und Hormonbehandlungen aus medizinischer Sicht notwendig sind: Aus Frauen werden niemals Männer. Und Männer werden niemals zu Frauen. Ein Problem, das viele Beratungsstellen aus ideologischen Gründen verschweigen, weil sie es nicht wahrhaben wollen.

Kontaktschuld hilft nicht weiter

Auch wenn die Motive unterschiedlich sein mögen: Beim Thema Gender-Ideologie ziehen Konservative und Radikalfeministen an einem Strang. Umso erstaunlicher war ein Beitrag von Anke Behrend im Online-Magazin Novo. Darin zweifelte sie an den ehrlichen Motiven der Konservativen im argumentativen Kampf gegen queerfeministische Bestrebungen: „Wie kommen also ultrakonservative, teils streng religiöse meist männliche Protagonisten wie Matt Walsh, Ben Shapiro oder Jordan Peterson dazu, scheinbar ein feministisches Anliegen zu unterstützen? Was verstehen sie unter Gender und was wollen sie erreichen“, fragt sich die Autorin.

Weiter versucht die Autorin in einem für das Medium vergleichsweise unterkomplexen Text, den Konservativen die Redlichkeit abzusprechen, wenn es um die Gender-Ideologie geht. Das Argumentationsmuster funktioniert ähnlich wie die Abgrenzungsmethode der „Kontaktschuld“. Kann ein Konservativer nicht mit ebenso guten Gründen bestimmte feministische Themen unterstützen wie die Feministen selbst? Oder anders gefragt: Inwiefern interessiert die Motivation für eine bestimmte Haltung, wenn die Haltung selbst für sich spricht?

Beide Parteien dürfen die gleiche Meinung vertreten

Diese Zeilen stammen von einem homosexuellen Autor. Nicht, dass die sexuelle Orientierung besonders wichtig oder mitteilungsbedürftig wäre, was leider viele meiner unerwarteten Kollegen anders sehen. Es geht vielmehr darum, dass von konservativer oder gar rechter Seite keine Gefahr für Schwule ausgeht. Im Jahr 2023 scheint das auf dieser Seite des politischen Spektrums geklärt zu sein – hier will uns niemand abschaffen. Das allein scheint für die sogenannten und selbsternannten Linksliberalen Beleidigung genug zu sein, dass sie nicht mehr die Hoheit über die Randgruppen haben. Diese Niederlage sei ihnen gegönnt.

Natürlich können Konservative und Radikalfeministen einer Meinung sein – und in anderen Punkten können sie wieder unterschiedlicher Meinung sein. In einer pluralen Gesellschaft, in der Meinungsfreiheit nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sind solche unfreiwilligen Allianzen Gold wert. Sie zeigen, dass unterschiedliche Lager noch miteinander reden und sogar eine Meinung haben können. Das haben viele Linke längst verlernt.


Zur Person:

Julian Marius Plutz, 1987 geboren, ist freier Journalist und schreibt unter anderem für die Achse des Guten, TheGermanZ und die Jüdische Rundschau.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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