„DNA der Weihnachtsgeschichte“: Theologe Thomas Söding sieht Migration als Chance
Für den Theologen Thomas Söding ist Migration nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance, wie schon die Weihnachtsgeschichte zeige.
Bochum. – Thomas Söding, Professor für das Neue Testament an der Ruhr-Universität Bochum und Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hat in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) die zentrale Rolle der Migration in der Weihnachtsgeschichte betont. „Das Thema Migration gehört zur DNA der Weihnachtsgeschichte“, erklärt er. Sowohl die Reise der Heiligen Familie nach Bethlehem als auch ihre spätere Flucht nach Ägypten zeugten von Offenheit gegenüber Fremden und der Erfahrung, selbst auf Hilfe angewiesen zu sein. „Jesus und seine Eltern sind also in Bewegung. Sie sind einerseits offen, Menschen aus der Fremde zu empfangen, und sind auf der anderen Seite gezwungen, sich auf den Weg zu machen, sie sind Vertriebene“, so Söding.
Werte der Weihnachtsbotschaft
Weihnachten vermittle Werte wie Friedfertigkeit, Gastfreundschaft und die Anerkennung des Fremden als Nächsten. Diese seien angesichts der weltweiten Konflikte und der zunehmenden religiösen Spannungen besonders relevant. Söding betonte, es gehe um Solidarität „über alle möglichen Grenzen von Religionen, Sprachen und Kulturen hinweg“.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Migrationsdebatte fordert Söding differenzierte und menschenwürdige Lösungen. „Geflüchtete“ dürften nicht zu Sündenböcken gemacht werden, betont er und kritisiert in diesem Zusammenhang insbesondere die AfD und die Fraktion von Sahra Wagenknecht. Gleichzeitig mahnt er realistische Antworten an, die sowohl rechtlich als auch ethisch vertretbar sind.
Söding unterscheidet drei Migrationsbewegungen: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, EU-Binnenmigration und Menschen aus Krisengebieten wie Syrien oder Afghanistan. „Unsere Gesellschaft wäre nicht überfordert, wenn wir Integration ernstnehmen und Recht durchsetzen würden“, sagt er. Migration biete Chancen, brauche aber Qualifizierung und Kommunikation.
Verantwortung der Politik und der Kirche
Von der CDU als „C“-Partei erwartet Söding ein besonderes Engagement für christliche Werte. Gleichzeitig mahnt er zur Besonnenheit: „Wer ernsthaft Politik betreibt, muss zum Differenzieren in der Lage sein.“ Kritisch äußert er sich zur Debatte um Rückführungsabkommen mit Ländern wie Ruanda.
Söding sieht die Kirche in einer Doppelrolle: als Motor für ehrenamtliches Engagement und als Unterstützer einer ausgewogenen Politik, die Ängste abbaut und keine Illusionen weckt. „Wir sollen allen Menschen Gutes wünschen, können aber nicht allen Menschen Gutes tun“, fasst er zusammen.
Das ZdK positioniert sich klar gegen Fremdenfeindlichkeit und fordert eine sachliche Debatte in Migrationsfragen. „Wir müssen Mehrheiten für den Schutz von Minderheiten beschaffen“, so Söding. Der Schlüssel für eine gelingende Integration liege in der Bildung, ergänzt durch internationales Engagement und Zusammenarbeit innerhalb Europas. Der Professor ist optimistisch, dass Deutschland die Herausforderungen meistern kann, wenn Solidarität und Differenzierung im Mittelpunkt stehen.