Politologe führt islamistischen Extremismus auf antimuslimischen Rassismus zurück
Der Islamwissenschaftler Joachim Langner erklärte kürzlich, antimuslimischer Rassismus könne islamistischen Extremismus begünstigen und Diskriminierung biete Extremisten ein Mobilisierungspotenzial. Dem müsse mit Dialog begegnet werden.
Halle. – Joachim Langner, Islamwissenschaftler und Politikwissenschaftler an der Universität Halle, arbeitet derzeit am Deutschen Jugendinstitut im Bereich Extremismusprävention. Gemeinsam mit seiner Kollegin Annika Jungmann veröffentlichte er kürzlich den Bericht „Antimuslimischer Rassismus und islamistischer Extremismus: Wechselseitige Bezüge in Forschung und pädagogischer Praxis“. In einem Gespräch mit dem Antifa-Radio Corax erläuterte Langner die Zusammenhänge zwischen Islamfeindlichkeit und islamistischem Extremismus und erklärte darin, wie Diskriminierung und Rassismus Islamismus begünstigen können.
Ausgrenzung als angeblicher Motor
Islamistische Extremisten würden sich selbst sehr stark auf antimuslimischen Rassismus beziehen. Als Beispiel wird etwa die Gruppe Muslim Interaktiv genannt. Solche extremistischen Gruppen würden beispielsweise Aktionen zum Internationalen Tag gegen antimuslimischen Rassismus durchführen und in diesem Rahmen auf die Betroffenheit anspielen. Diese würde dann für die eigenen Zwecke genutzt, zum Beispiel um zu mobilisieren und letztlich Hass gegen die Gesellschaften in Europa zu schüren. Das Gefühl, ausgegrenzt zu werden und sich deshalb wehren zu müssen, ist für solche Gruppen essenziell.
Und genau diese Perspektive finde sich seit langem immer wieder in verschiedenen Ideologien, etwa im islamistischen Extremismus, so Langer. Gleichzeitig zeige die Forschung, dass genau diese Perspektiven auch bei jungen Menschen auf Radikalisierungskursen verfangen. Wenn Jugendliche in solche Gruppen kommen, dann hätte das gar nicht so selten damit zu tun, dass sie sich darüber aufregen, dass Menschen diskriminiert werden. Eigentlich wollten sie zunächst gut gemeint etwas dagegen tun, so Langer. Doch dann gerieten sie oft an die Falschen.
Wie gelangen Menschen in extremistische Gruppen?
Wie Menschen letztlich in extremistische Gruppen gelangen, sei wissenschaftlich schwer nachzuweisen, so der Wissenschaftler. „Weil Diskriminierung immer und überall stattfindet, das Bewusstsein für die Diskriminierung aber ganz unterschiedlich ausgeprägt ist.“ Studien würden zeigen, dass das Bewusstsein für Ausgrenzung steigt, je länger man in solchen Gruppen ist. Daraus kann dann eine eigene Handlungsmacht entstehen, im Positiven wie im Negativen.
Was psychologisch laut Studien ganz wichtig ist, ist, dass so ein kollektives Bewusstsein dazukommen muss. „Also, wenn ich alleine ausgegrenzt und diskriminiert werde, wird mich das nicht zu einem politischen Aktivismus bringen, weder im Guten noch im Schlechten. Wenn ich aber das Gefühl habe, ich gehöre zu einer Gruppe, die ausgegrenzt wird, zu einer Gruppe, der das passiert, dann sieht das schon ganz anders aus und das ist so ein Mechanismus, der in der Radikalisierung eine große Rolle spielt, der aber, und das ist auch wichtig zu sehen, zu nem positiven Engagement führen kann“, so Langer.
Rassismus als Nährboden für Radikalisierung
Rassismus und Ausgrenzung seien auf jeden Fall ein Nährboden für Radikalisierung. Man könne aber nicht pauschal sagen,“ je mehr Diskriminierung, desto mehr Radikalisierung“. Wichtig sei die Frage, wie der Einzelne mit den Erfahrungen, die er macht, umgeht und ob er ein unterstützendes Umfeld hat, an das er sich wenden könne, oder aber, ob extremistische Gruppen die einzigen sind, die einem noch Halt und Unterstützung geben können.
Langer führt weiter aus, dass je mehr über islamistische Anschläge und die Gefahren des islamistischen Extremismus diskutiert werde, desto stärker würden diese Debatten auch auf Muslime rückprojiziert. Und genau diese Rückprojektion von islamistischem Extremismus auf Muslime insgesamt fördere letztlich auch antimuslimischen Rassismus. Um Menschen vor Radikalisierung zu schützen, rät Langer, antimuslimischen Rassismus in der Gesellschaft ernst zu nehmen und auch als individuelles Problem ernst zu nehmen. Und wenn es um islamistischen Extremismus gehe, müsse man sich bewusst sein, dass es auch hier um Menschen gehe, die das, was sie tun und denken, aufgrund ihrer Erfahrungen tun und denken. Nicht Ausgrenzung, sondern Dialog sei der Weg.