Thomas Manns Protest von 1936 – Gesäubert
Der Geist ist an den Universitäten nicht willkommen, wenn er rechts ist. Thomas Manns Protest von 1936 bleibt aktuell.
Beim Durchblättern seiner Werkausgabe stieß ich neulich mal wieder auf Thomas Manns offenen Brief vom 19. Dezember 1936 an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn. In ihm reagierte der Nobelpreisträger auf die Aberkennung des Ehrendoktortitels, zu der sich die Institution nach seiner Ausbürgerung genötigt sah – eine höchst peinliche Episode in der an Anpassungsgesten keineswegs armen deutschen Universitätsgeschichte. Und es wäre pure Verkennung der aktuellen Lage, wenn wir uns gerade heute von solchen dem Zeitgeist huldigenden Rückgratverkrümmungen frei wähnten.
Denken wir exemplarisch an den beschämenden Vorfall, als sich die Universität Greifswald von ihrem Namensgeber Ernst Moritz Arndt trennte. Erinnern wir uns an die paranoische Kuriosität, mit der Hysteriker(-innen) der Alice-Salomon-Hochschule ein Gedicht Eugen Gomringers auf der Fassade ihres Gebäudes nicht mehr dulden wollten und die Leitung diesem blamablen kulturellen Hexentanz nicht energisch Einhalt gebot. Das Rektorat der Universität Freiburg stimmte bereits 2008 dem verächtlichen Entschluss zu, den von der Badischen Zeitung gestifteten Geschichtspreis nicht mehr nach Gerhard Ritter zu benennen. Der überaus verdiente Historiker hatte zwar seine freiheitliche Gesinnung sogar im Dritten Reich bewiesen. Aber seiner konservativ-aristokratischen Neigung wegen sei er nun nicht mehr tragbar, wie die akademischen Gedächtniswarte argumentierten.
In Österreich blamierte sich die Universität Salzburg, als sie ihren erst 1983 ernannten Ehrendoktor Konrad Lorenz, seines Zeichens Nobelpreisträger der Medizin, bereits nach drei Jahrzehnten wie eine heiße Kartoffel wieder fallen ließ. Die lächerliche Begründung des Senates, Lorenz habe sich durch lückenhafte bibliografische Information den Doktor „erschlichen“, so als hätte der weltweit vielfach Geehrte dergleichen nötig gehabt, stellt den verantwortlichen Damen und Herren dabei ein besonders schäbiges Zeugnis aus.
In den Reigen rückschauender Distanzierungen fügt sich auch die Behandlung der Dichterin Agnes Miegel, seit 1924 Ehrendoktorin der Universität Königsberg. Das hatte sich mit der sowjetischen Besatzung natürlich erledigt bzw. war deutscher Zuständigkeit entzogen. Doch für solche Fälle bleiben ja noch Straßen- oder Schulumbenennungen, die in der Regel unter Assistenz beflissener akademischer Gutachter erfolgen. (Zum Grundsätzlichen vgl. Marianne Kopps lesenswerte Dokumentation von 2020: Mosaiksteine zu Agnes Miegel, beziehbar über die Miegel-Gesellschaft Bad Nenndorf.) Hannovers hämische „Säuberer“ zeigten dabei einen besonders ausgeprägten Hang zu billigem Witz, indem sie den bisherigen Miegel- zum Igelweg umtauften.
Geschändete Geschichte
Walter Flex widerfuhr vergleichbare Entehrung, ebenso wie dem „Turnvater“ und Paulskirchen-Abgeordneten Friedrich Ludwig Jahn. Als ob seine von jahrelanger Haft in Folge der Karlsbader Beschlüsse geprägte Biografie nicht bereits hinlänglich von Repression zeugte, trennte sich der hochmoralische Berliner Bezirk Prenzlauer Berg von ihm als schulischem Namenspatron. Dass die Ehre dieser Bildungseinrichtung statt seiner nun einem Bierbrauer zufiel, darf als eine für die Berliner Republik hochsymbolische Umwidmung gelten, wobei die edle Braukunst von mir keineswegs gering geschätzt wird. Doch generell gilt wohl, dass sich ein von unserem Establishment Dekorierter fast schon fragen muss, welcher Konformität, Banalität oder Schurkerei er seine öffentliche Belobigung verdankt.
Abstrafungen Verstorbener gemäß „Cancel Culture“ finden ihre Ergänzung in einer Sozialatmosphäre, die von moralischem Druck und demokratiefeindlichen Tendenzen zur Verhinderung von Debatten gekennzeichnet ist (vgl. Peter Graf Kielmannsegg: „Die Schließung der Demokratie“, in: FAZ vom 17. Mai 2021). 2019 ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Allensbach – damals war „Corona“, was das Ganze verschärft hat, noch nicht mal proklamiert –, dass 70 Prozent der Deutschen sich in zentralen Fragen des Landes nicht frei äußern zu dürfen glauben. Die Quote entspricht wohl den Verhältnissen ab 1933, wenn wir von einem Drittel gläubiger Nazis ausgehen, die damalige Freiheitsbeschränkungen nicht mal als solche registrierten. Auch in jenen finsteren Tagen standen übrigens Universitäten, verschärft durch jugendliche Militanz, im Zentrum des Kampfes gegen angeblich falsches Denken und das Recht, es zu äußern. Wie vertraut uns das vorkommt. Denn wer in Sachen Immigration, Gender-Ideologie samt -Grammatik, „Diskriminierung“ jeglicher Art, geschichtsschreibender Vergangenheits-, Klima- oder „Corona“-Politik auf Kollisionskurs gerät, sieht sich mit der geballten politisch gestützten Orthodoxie konfrontiert.
Das Prekäre liegt dabei im häufig offenen oder verdeckten Zusammenspiel zwischen Universitätsverwaltung und militanten Gruppen angeblich „Studierender“ mit dem Ergebnis einer fächerübergreifenden Zementierung herrschaftsfrommer Konformität. Dies geschieht ungeachtet gegenteiliger Sonntagsreden und Appelle, wenn die schlagbereiten Hätschelkinder sich auch mal an Vertretern des Establishments vergriffen und selbst Ministern oder „koscheren“ Parteiführern das Rederecht auf dem Campus verweigert haben. Dann wirft sich sogar der Bundespräsident kurzfristig in staatsväterliche Pose, verurteilt „aggressive Gesprächsverhinderung“ und bekundet treuherzig, politischer Streit mit Respekt für den anderen sei das „Herzstück der Demokratie“. Oder die Bundesbildungsministerin tönt, es berühre den „Kern von Wissenschaft“, wenn sich aktivistische Studentengruppen „als Meinungszensoren aufspielen“, wo doch Universitäten „die Ausübung dieser Freiheiten“ zu gewährleisten hätten. Wie wahr und wie selbstverständlich! Doch an wen richten sich solche Mahnungen?
An die gehätschelten linksextremistischen Chaoten, die man jahrzehntelang gewähren ließ, als seien Straße und Alma Mater ihre politischen Gutshöfe? An eine informationsmäßig entmündigte Öffentlichkeit oder den regierungskonformen Rundfunk, der täglich die ideellen Voraussetzungen dafür schafft, dass die Hemmschwelle der Tugendterroristen immer tiefer sinkt? An Universitätsspitzen, die fast nie, wie geboten, von ihren disziplinarischen Mitteln Gebrauch machen und (von Hamburg und Bremen bis Frankfurt, Halle oder Konstanz) Drangsalierte meist im Regen stehen lassen? In Berlin genehmigte man der „Antifa“ sogar Räume für Straßenkampfschulungen. An Rektoren, Dekane oder Institutsleiter, die sich bei jedem Gegenlüftchen prophylaktisch von denen distanzieren, die sie kraft Fürsorgepflicht in Schutz nehmen müssten?
Gegen Rechtspopulisten
In einem Interview Ende 2019 äußerte die Frankfurter AStA-Vorsitzende K. B. – ihren vollen Namen zu nennen hieße, eine Dutzendfigur aufzuwerten –, in der Goethe-Universität gestatte man erstens keinen Antisemitismus, was immer die Dame darunter versteht, zweitens „keine Meinungsplattform für Rechtpopulisten“. Jemand, der etwa „den menschengemachten Klimawandel anzweifelt, hat nichts an der Uni zu suchen“. Basta! In diesem Sinne gelten ihr noch weitere Gegenstände als schlicht öffentlich undiskutierbar und werden Referenten, die es dennoch tun, mit Kampagnen bedroht. Solche Intoleranz teilen inzwischen etliche jüngere Universitätslehrer, deren Installierung bereits in hohem Maße durch politisierte Maßstäbe begünstigt war. Sie verschließen sich ergebnisoffener Forschung und verpflichten sich auf Fachtagungen, analytisch kapitulierend, freiwillig zur Zeitgeist-„Normativität“.
Als an der Uni Hamburg der ehemalige AfD-Sprecher Professor Lucke wieder über Makroökonomik lesen wollte, was massive Störungen zunächst verhinderten, erwies sich sogar die für den Lehrbetrieb zuständige Senatorin für Wissenschaft und Forschung als bloße mit Rechtsbruch sympathisierende Grünen-Politikerin, deren skandalöse Euphemismen sie für dieses Amt eigentlich disqualifizieren. „Universitäten als Orte des Wissenschaft“, äußerte sie, müssten nun mal solche „diskursiven“ (!) Auseinandersetzungen aushalten, „insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte“. Dass man aus der Politlektion „Drittes Reich“ gerade das Gegenteil folgern sollte, kam dieser erzdummen Zynikerin offenbar nicht in den Sinn. Und so dürfte sich Thomas Mann im Grabe herumdrehen angesichts der Behauptung, was dieser verhetzte wie hetzende akademische Bodensatz alles aus der NS-Epoche gelernt haben will, während man deren aktionistische Unarten eifrigst wiederholt. Denn natürlich haben Kampagnen gegen missliebige, politisch „unkorrekte“ Dozenten ihre Vorläufer in der Weimarer Republik und der Epoche des Umschwunges ab 1933.
Thomas Manns aktuelle Replik
Angesichts solcher Verhältnisse schauderte es mich ein wenig beim Gedanken, mit welcher Selbstgerechtigkeit in aktuellen Germanistikseminaren vermutlich über Bonns Verfehlung von 1936 moralisiert wird, ohne auch nur einen Blick darauf zu richten, welche machtmäßigen Ideologiekommandos gegenwärtig erschallen. Und plötzlich schien mir Manns Replik auf den Dekanats- und Rektoratsbeschluss unabhängig von den damaligen konkreten Umständen als archetypisches Dokument von zeitübergreifendem Wert. Stellvertretend für den gesamten geistig-kulturellen Bereich, der heute nicht weniger als damals zu spektakulären Ausbürgerungen führen kann, wenn auch nur aus einem Milieu, das die Betroffenen bislang scheinbar trug.
Thomas Mann, einen von Beifall verwöhnten Großschriftsteller, traf jene Diskreditierung wie ein Schock. Erstmals widerfuhr ihm Vergleichbares im Oktober 1922, als er in seiner Rede „Von deutscher Republik“ die junge Generation auf die neue Staatsform einschwören wollte. Für Nationalisten war er damit passé, und ihren spektakulären Distanzierungen bei öffentlichen Auftritten mangelte es nicht an Wutgesten. Mit dem Bonner Entzug des Doktortitels erhielten solche Umtriebe also quasi ihr retrospektives universitäres Legitimationssiegel. Und Mann hat seine Bestürzung darüber in Worte gefasst, die jeder Freie auch unter anderen Vorzeichen unschwer nachempfinden kann:
„Seit ich ins geistige Leben eintrat, habe ich mich in glücklichem Einvernehmen mit den seelischen Anlagen meiner Nation, in ihren geistigen Traditionen sicher geborgen gefühlt. Ich bin weit eher zum Repräsentanten geboren als zum Märtyrer, weit eher dazu, ein wenig höhere Heiterkeit in die Welt zu tragen, als den Kampf, den Hass zu nähren. Höchst Falsches musste geschehen, damit sich mein Leben so falsch, so unnatürlich gestaltete. Ich suchte es aufzuhalten nach meinen schwachen Kräften, dies grauenhaft Falsche, – und eben dadurch bereitete ich mir das Los, das ich nun lernen muss, mit meiner ihm eigentlich fremden Natur zu vereinigen.“
Er erlebte erschüttert, welche intellektuell-moralische Selbstverleugnung ihm abverlangt wurde, um seinerzeit als „woke“ respektive „erwacht“ zu gelten. Er konstatierte die Überwältigung durch bloße Quantität und die versagte Möglichkeit zur innerdeutschen Gegenrede. Natürlich konfrontierten Nazis seinerzeit Thomas Mann mit erheblich größerer politkrimineller Energie. Aber die Dilemmata sozialer Stigmatisierung gleichen sich im Prinzip zeitübergreifend, wie die davon hervorgerufenen Empfindungen. Doch glücklicherweise bieten solche seelischen Erschütterungen für Charaktere auch Anlässe, sich für ein besonderes Leben zu entscheiden, aus dem das offene Wort nicht mehr länger verbannt werden kann:
„Ich hätte nicht leben, nicht arbeiten können, ich wäre erstickt, ohne dann und wann zwischenein, wie alte Völker sagten, ‚mein Herz zu waschen‘, ohne von Zeit zu Zeit meinem unergründlichen Abscheu vor dem, was zu Hause in elenden Worten und elenderen Taten geschah, unverhohlenen Ausdruck zu geben.“
Und weiter heißt es:
„Ein deutscher Schriftsteller, an Verantwortung gewöhnt durch die Sprache; ein Deutscher, dessen Patriotismus sich – vielleicht naiverweise – in dem Glauben an die unvergleichliche moralische Wichtigkeit dessen äußert, was in Deutschland geschieht, – und sollte schweigen, ganz schweigen zu all dem unsühnbaren Schlechten, was in meinem Lande an Körpern, Seelen und Geistern, an Recht und Wahrheit, an Menschen und an dem Menschen täglich begangen wurde und wird?“
Thomas Mann hat dies nicht getan, wenngleich er dazu wohl von Tochter Erika fast erpresserisch gedrängt werden musste. Immerhin erklärte er sich in seinem offenen Antwortbrief vom 3. Februar 1936 an den Feuilletonchef der Neuen Zürcher Zeitung nach Jahren des Zögerns unmissverständlich gegen das NS-Regime. Sein Bekenntnis gipfelt in der Überzeugung, „dass aus der gegenwärtigen deutschen Herrschaft nichts Gutes kommen könne“, weder für Deutschland noch die Welt, und schloss mit den Worten August von Platens:
„Doch wer aus voller Seele hasst das Schlechte,
Auch aus der Heimat wird es ihn verjagen,
Wenn dort verehrt es wird vom Volk der Knechte.
Weit klüger ist‘s, dem Vaterland entsagen,
Als unter einem kindischen Geschlechte
Das Joch des blinden Pöbelhasses tragen.“
Damit war der Rubikon überschritten und seine Ausbürgerung eine erwartbare Folge. Wer gegenwärtig gegen den Stachel unserer Demokratur löckt, riskiert statt Ausbürgerung zwar in der Regel nur gesellschaftliche, berufliche oder juristische Ausgrenzung. Auch staatlich zu verantwortenden Mord nicht, sondern vornehmlich Rufmord.
Aber man sollte selbst diese softeren Sanktionen, zu denen neuerdings Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen von Handys und PCs gehören, nicht bagatellisieren. Insofern gilt auch für die Verantwortlichen unserer Misere das, was Thomas Mann schon damals erschütterte. Sprach man doch ausgerechnet ihm seine nationale Gesinnung ab. Auf heute übertragen heißt dies praktisch die Zugehörigkeit zur bundesrepublikanischen „Zivilgesellschaft“, deren unzivilisierte Aggressivität allen gilt, die in wichtigen Belangen dieses Landes nennenswerte alternative Vorstellungen vertreten. Was Mann damals zudem empörte, ist auch aktuell leicht nachvollziehbar:
Sie verwechseln sich mit Deutschland
„Der einfache Gedanke daran, wer die Menschen sind, denen die erbärmlich-äußerliche Zufallsmacht gegeben ist, mir mein Deutschtum abzusprechen, reicht hin, diesen Akt in seiner ganzen Lächerlichkeit erscheinen zu lassen. Das Reich, Deutschland soll ich beschimpft haben, indem ich mich gegen sie bekannte! Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden.“
„Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln!“ Welch gewaltiger Satz, der immer noch trifft, berührt und den man auch gegenwärtig allen ins Stammbuch schreiben müsste, deren kommunikative Intoleranz auf sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens abfärbt: jenen Nationalmasochisten wie Claudia Roth, die anlässlich der Wiedervereinigung hinter Transparenten wie „Nie wieder Deutschland“ herlief, oder einem Robert Habeck, abgehalfterter Kanzlerkandidat der Grünen, der 2010 in Sachen „Patriotismus“ verkündete: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ Auch Merkel durfte, vom Mainstream ungerügt, auf einer CDU-Wahlparty ihrem Generalsekretär die Deutschlandfahne aus der Hand reißen und angewidert im optischen Abseits entsorgen. Und ihrem gerade gewählten Nachfolger folgte nicht einmal die Mehrheit der Delegierten beim Singen der Hymne.
Heiko Maas wiederum, die Parodie eines Justizministers („In unserem Grundgesetz steht ein Grundrecht auf Innere Sicherheit nicht.“) hofierte, als er noch nicht als Außenminister dilettierte, die gegen die AfD agitierende Band Feine Sahne Fischfilet, deren trauriger Geisteszustand in Liedtexten gipfelt wie „Deutschland ist scheiße“ oder „Deutschland verrecke“. Und die Stadt Leipzig bestellte – welche Verhöhnung der Opfer! – ausgerechnet einen Vertreter des DDR-Establishments wie Gregor Gysi als Festredner zum 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution.
Im Internet kursiert, mühelos auffindbar, eine solche Fülle von abstrusen Zitatbelegen allein aus den Reihen der Grünen, dass es einen je nach Gemütsart graust oder vor Lachen schüttelt. Sie reichen von den Altvätern und -müttern der Partei wie Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit, Renate Künast oder Jürgen Trittin über Ciğdem Akkaya, Katrin Göring-Eckardt oder Aydan Özoğuz bis zu den gegenwärtigen Knallchargen, die Kobold mit Kobalt verwechseln, Energie ihrem Know-how gemäß im Netz speichern können, Lebensläufe frisieren oder sich beim Abschreiben ihrer vorgeblich eigenen Bücher erwischen lassen. Sie alle drängten oder drängen sich in Spitzenämter, um ausgerechnet Deutschland zu repräsentieren.
Sie krönen ihre Halbbildung damit, andere technokratisch zu belehren, und haben die simpelste aller Regierungstechniken auf ihre Fahnen geschrieben: Bloß nicht diskutieren, sondern innerhalb eines penibel begrenzten Parteienkartells kungeln und wirkliche Opposition kriminalisieren. Von Populismusphobien geplagt, misstrauen sie dem Volkswillen, wo sie ihn nicht manipulieren können, leben wirkliche Demokratie nur als Fassade und setzen strikt auf Verbote, Quasizensur, mediale oder verfassungsrechtliche Ausgrenzung. So bleibt uns – zu Thomas Manns Zeiten wie heute – wohl nur noch ein „Stoßgebet“, mit dem der Autor der Buddenbrooks die dringende Mahnung seines offenen Briefes beschloss: „Gott helfe unserm verdüsterten und missbrauchten Lande und lehre es, seinen Frieden zu machen mit der Welt und mit sich selbst!“
Zur Person:
Günter Scholdt wurde 1946 in Mecklenburg geboren. Der Germanist und Historiker lehrte an der Universität Saarbrücken und leitete bis 2011 das „Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass“. Seine Forschungs- und Publikationsschwerpunkte betreffen neben der Literatur des Dritten Reiches und der Inneren Emigration aktuelle gesellschaftliche und politische Deformationen.
Im Netz: scholdt.de
(Der Beitrag erschien ursprünglich in der FREILICH-Ausgabe Nr. 14, September 2021. Hier bestellen!)