Zwischen Thron und Altar – Heinrich IV. und das deutsche Königtum

Wer hat das letzte Wort – der Kaiser, der Papst, die deutschen Fürsten? Das Heilige Römische Reich kannte viele Herrscher, viele Abhängigkeiten und viele geschriebene und ungeschriebene Gesetze, die diese Abhängigkeiten regelten. Dennoch kam es immer wieder zu inneren Konflikten, die das Reich bis in seine Grundfesten erschütterten. FREILICH-Redakteur Mike Gutsing skizziert einen der wichtigsten Konflikte des 11. Jahrhunderts: den mittelalterlichen Investiturstreit.

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Zwischen Thron und Altar – Heinrich IV. und das deutsche Königtum

Kaiser Heinrich IV. vor Papst Gregor VII. in Canossa

© Otto Bitschnau OSB (1825-1905), illustrated by Rudolph Blättler OSB (1841-1910), Public domain, via Wikimedia Commons

Für Heinrich IV. muss es der letzte Tiefpunkt seines 56 Jahre währenden Lebens gewesen sein: In ärmlichste Büßergewänder gehüllt und von der entbehrungsreichen Reise über die winterlichen Alpen gezeichnet, trat er im Januar 1077 vor Papst Gregor VII. und flehte um die Rückkehr in den Schoß der Kirchengemeinschaft. Auch wenn Heinrich sich in der Folgezeit zumindest vorübergehend mit dem Kirchenoberhaupt versöhnte und im Mai 1084 sogar zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurde, hatte das deutsche Königtum nachhaltigen Schaden genommen.

Heinrichs Herrschaft stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Im Alter von sechs Jahren als Nachfolger seines Vaters Heinrich III. auf den deutschen Thron gesetzt, wuchs er unter der Vormundschaft verschiedener Personen auf. Dazu gehörten Papst Viktor II., seine Mutter Agnes und der Kölner Erzbischof Anno, der Heinrich im Frühjahr 1062 entführte, um den Einfluss der Reichsfürsten auf die Geschicke des Reiches wiederherzustellen. Auch ohne weltliche Psychologie ist anzunehmen, dass die erlebte Ohnmacht und die erzwungene Entmachtung den jungen König für sein Leben prägen sollten.

Das Ringen nach Selbständigkeit

Als Heinrich IV. 1065 im Alter von 15 Jahren für volljährig erklärt wurde, übernahm er erst allmählich die Regierungsgeschäfte. Zunächst festigte er den Griff um sein eigenes Herrschaftsgebiet, erweiterte die Silber- und Kupferbergwerke im Harz, setzte loyale Verwalter ein und baute die Befestigungen seiner Stammlande aus. Hier zeigte sich Heinrichs Neigung zu rücksichtslosem und oft ungeschicktem Handeln, das sich auch in seinem Vorgehen gegen die Kurie manifestierte. Die freie Investitur, also die Ernennung von Bischöfen und anderen kirchlichen Würdenträgern durch den König, nutzte er derart aus, dass Papst Gregor VII. nach heftigen Protesten keine andere Wahl hatte, als Heinrich IV. im Winter 1076/77 zu exkommunizieren.


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Die Verhängung des Kirchenbanns über den König löste alle Untertanen von ihren Treueeiden gegenüber dem König und schürte die innerdeutsche Opposition gegen Heinrich. Diese faktische Absetzung eines Königs durch den Papst hatte es bis dahin noch nicht gegeben und wurde von den Fürsten als ebenso ungeheuerlicher Beweis für die Tyrannei des Salierkönigs gewertet. Doch nicht nur von päpstlicher Seite wurde die Königswürde schwer beschädigt. Die fürstliche Opposition diktierte dem König Bedingungen, unter denen sie ihn weiterhin als König anerkennen würde. Eine dieser Bedingungen war die Aufhebung des über Heinrich verhängten Kirchenbanns. Diese Bedingung führte zu seinem Bußgang nach Canossa. In einer symbolischen Geste der Demut musste der König im Winter 1077 drei Tage lang in Bußkleidung vor der päpstlichen Burg ausharren, bis der Papst schließlich nachgab und den Bann aufhob.

Ein gefährlicher Präzedenzfall

Dieses Ereignis verdeutlicht das komplexe Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Macht im Mittelalter. Einerseits unterwarf sich Heinrich IV. dem Papst, um seine politische Autorität zu wahren, andererseits zeigt sich ein deutlicher Wandel von der Reichskirche Ottos I. hin zu einem selbstbewussten Papsttum zu Lebzeiten Heinrichs. Trotz der vorübergehenden Einigung in Canossa flammte der Investiturstreit später erneut auf. In den folgenden Jahren wechselten die Bündnisse, und Heinrich IV. befand sich in einem ständigen Kampf um politische Unterstützung und Legitimation. Die Unangreifbarkeit des Königtums war jedoch Geschichte, und so ist die Wahl des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden als finaler Zirkelschluss zu verstehen, der das Königtum erstmals ganz konkret an die Zustimmung der Reichsfürsten band und die Konsequenzen aufzeigte, wenn sie dem amtierenden König diese verweigerten.

Das europäische Mittelalter ist reich an Konflikten zwischen Kirche und weltlichen Herrschern. Von Heinrich IV. bis zu Friedrich II. von Hohenstaufen, der im Konflikt mit Papst Innozenz III. als stupor mundi mit dem Teufel gleichgesetzt wurde: Die Kurie und ihr Oberhaupt hatten zu allen Zeiten auch ganz weltliche Interessen und arbeiteten an deren Verwirklichung. Auch wenn es heute keinen Gang nach Canossa mehr gibt, darf man sicher sein, dass die Kirche auch heute ihre angestammten Vorrechte zu verteidigen weiß.


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Über den Autor

Mike Gutsing

Stellenausschreibugn - AfD Sachsen

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