Baerbocks nächster Patzer?
Mitte Februar hätte die "Nationale Sicherheitsstrategie“ auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werden sollen. Weil die Strategie aber nicht wie geplant schon vor Weihnachten in die Ressortabstimmung gegangen, wird daraus wohl nichts.
In der derzeitigen Ampel-Regierung ist die Außenpolitik eine Sollbruchstelle. Denn während das Grundgesetz klar dem Kanzler die Richtlinienkompetenz zuweist, setzt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) immer wieder eigene Akzente, die mit Kanzler Olaf Scholz ersichtlich nicht abgesprochen sind. Deutlich traten die gegensätzlichen Positionen etwa in der China-Politik zutage – hier setzt Scholz eher auf stabile Beziehungen, während seine Außenministerin Probleme wie Taiwan und die Menschenrechte partout zum Knackpunkt erklären möchte. Bislang konnte sich der Kanzler durchsetzen.
Jetzt versuchte es das Auswärtige Amt mit einer auf dubiose Weise zustandegekommenen „Nationalen Sicherheitsstrategie“, die eigentlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar der Weltöffentlichkeit hätte vorgestellt werden sollen. Doch daraus wird offenbar nichts. Auch hier gibt es ersichtlich Reibungspunkte. Die Strategie ist nicht wie geplant schon vor Weihnachten in die Ressortabstimmung gegangen. Spitzenbeamte des Kanzleramts sollen nach Berichten verschiedener Medien die Weiterleitung des Entwurfs des Auswärtigen Amtes gestoppt haben, da noch 30 Punkte offen seien. Das Finanzministerium hatte sich den Bedenken des Kanzleramtes angeschlossen.
Regierung will Ressourcen bündeln
Mit der Nationalen Sicherheitsstrategie will die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen und schwierigen Sicherheitslage sowohl in Deutschland als auch gegenüber den internationalen Partnern mehr Orientierung bieten. Ziel sei es auch, Ressourcen zu bündeln und die Planungsprozesse verschiedener Ministerien zusammenzuführen.
Außenministerin Baerbock hatte bei der Vorstellung ihrer Ideen im März drei zentrale Punkte benannt: die Sicherheit der Unverletzlichkeit des Lebens, zuvörderst vor Gewalt und Krieg; die Sicherheit von Freiheit, die Resilienz der Demokratie. Und die Sicherheit der Lebensgrundlagen, der Schutz von Umwelt und Ressourcen. Man wolle „dabei besonnen und pragmatisch vorgehen. Nicht mit Schwarz-Weiß-Kategorien, sondern mit Mut zur Abwägung und Mut zur Auseinandersetzung. Und mit klarem Wertekompass in der Hand“, hatte Baerbock betont. Die Sicherheitsstrategie sollte im Austausch und in Abstimmung mit anderen Akteuren entstehen.
Kritik aus Bundesländern
Doch genau das war offenbar nicht der Fall. Aus verschiedenen Bundesländern wurde Kritik laut, dass die angekündigte Abstimmung – etwa zu wichtigen Themen wie Cybersicherheit oder Terrorismus – nicht erfolgt sei. Der bayerische CSU-Innenminister Joachim Herrmann fasste seine Kritik in die Worte: „Wenn die Bundesregierung bei allen diesen Themen die Länder erst einmal außen vor lässt, disqualifiziert sich die sogenannte Nationale Sicherheitsstrategie bereits in ihrer Entstehung.“
Das Kanzleramt wiederum kritisierte, dass die China-Passagen im Baerbock-Konzept zu scharf formuliert seien. Zwar wird dem Eindruck der Uneinigkeit von Regierungskreisen entgegengetreten. „Von einem Streit oder Zerwürfnis der Regierung kann keine Rede sein“, heißt es. Vielmehr sei man mit der Formulierung der Nationalen Sicherheitsstrategie bereits „sehr weit vorangeschritten“. Es gebe „nur noch einzelne Formulierungen“, die in eckigen Klammern stünden und demnach noch strittig seien.
Baerbocks Scheitern soll sich nicht herumsprechen
Gleichwohl steht der Eindruck des Dilettantismus im Raum – beim Baerbock-Ministerium keine Überraschung. Das liegt auch der eigenwilligen Entstehungsgeschichte des Strategie-Dokuments. Schon bald nach ihrem Amtsantritt hatte die frischgebackene grüne Außenministerin verkündet, die Nationale Sicherheitsstrategie werde „nicht hinter verschlossenen Türen erstellt, sondern in einem gemeinsamen und inklusiven Prozess mit der Öffentlichkeit sowie Expertinnen und Experten“ erarbeitet. Dem dienten sieben „Dialogveranstaltungen“ in verschiedenen deutschen Städten, auf denen rund 350 Teilnehmer frei von der Leber weg diskutieren durften.
Von diesen lud das Auswärtige Amt dann im August 50 zu einem Methoden-Workshop „Open Situation Room“ nach Berlin ein, wo sie zusammen mit „Fachpersonen“ konkrete Lösungsansätze zur „Operationalisierung der zuvor in den Dialogen erarbeiteten Ziele“ formulierten. Bei einer Abschlussveranstaltung in Erfurt waren zu guter Letzt noch 20 handverlesene Teilnehmer dabei. Das Konzept wurde zur „Verschlusssache – Vertraulich“ erklärt.
Letzter Stand der Dinge ist, dass sich die Chefs der Staatskanzleien der Länder am 13. Januar in Berlin einfinden sollen, um über den Stand des Konzepts mündlich unterrichtet zu werden. Bislang soll nicht einmal klar sein, ob Fachleute aus den Innenministerien die Chefs der Staatskanzleien begleiten dürfen.
Beobachter führen einen triftigen Grund für das Geheimhaltungs-Prozedere an: es solle verhindert werden, dass sich Baerbocks eklatantes Scheitern an einer handhabbaren Sicherheitsstrategie herumspricht.