Fünf Fälle: Wenn Memes und Kommentare gegen Politiker juristische Folgen haben
Ob Meme, Fotomontage oder Kommentar – wer sich in Sozialen Medien kritisch über Politiker äußert, riskiert mittlerweile Hausdurchsuchungen, Strafverfahren oder Bewährungsstrafen.
Robert Habeck (Mitte) geht besonders häufig gegen kritische Kommentare und Memes vor.
© IMAGO / Mike SchmidtImmer wieder kommt es in Deutschland zu Strafverfahren gegen Personen, die Politiker beleidigt oder verleumdet haben sollen – oft ausgelöst durch Memes, satirische Kommentare oder zugespitzte Äußerungen in Sozialen Netzwerken. FREILICH stellt fünf Fälle vor, die zeigen, wie schmal der Grat zwischen Meinungsfreiheit und Strafverfolgung geworden ist. Der jüngste Fall betrifft den Deutschland-Kurier.
Sieben Monate auf Bewährung wegen Faeser-Meme
Wegen einer satirischen Fotomontage über Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist der Chefredakteur des Deutschland-Kurier, David Bendels, vom Amtsgericht Bamberg zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Die Bildmontage war im Februar 2024 auf dem X-Profil des Portals veröffentlicht worden und thematisierte laut Deutschland-Kurier das „gestörte Verhältnis“ Faesers zur Presse- und Meinungsfreiheit. Neben der Bewährungsstrafe wurde Bendels verpflichtet, sich schriftlich bei der Ministerin zu entschuldigen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bendels kündigte an, juristisch gegen das Urteil vorzugehen und sich weiterhin für die Grundrechte von Medien einzusetzen. Unterstützung bekommt er dabei unter anderem von der AfD, die im Fall einer Berufung parlamentarische Prozessbeobachter entsenden will. Die Partei wertet das Verfahren als Angriff auf die Meinungsfreiheit in Bayern und stellt sich demonstrativ hinter Bendels.
Habeck und die „Schwachkopf“-Affäre
Dieser Fall hat im vergangenen Jahr über die Grenzen Deutschlands hinaus für Aufsehen gesorgt. Wegen eines satirischen Memes über Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Polizei in Schweinfurt die Wohnung eines 64-jährigen Rentners durchsucht. Das an das Design der Marke Schwarzkopf angelehnte Bild zeigte Habeck mit dem Schriftzug „Schwachkopf PROFESSIONAL“. Laut Durchsuchungsbeschluss wollte der Mann damit Habeck verunglimpfen und seine Arbeit als Regierungsmitglied erschweren. Die Staatsanwaltschaft Bamberg hatte die Durchsuchung erwirkt. Dabei wurden Mobiltelefone beschlagnahmt und sämtliche Räume durchsucht.
Besonders brisant: In einer Talkshow erklärte der Grünen-Politiker Felix Banaszak später, die Durchsuchung habe nichts mit dem Meme zu tun gehabt - es habe andere Verdachtsmomente wie Volksverhetzung gegeben. Gegen diese Aussage geht der Rentner nun juristisch vor. Sein Anwalt spricht von Verleumdung und kündigte zuletzt eine Strafanzeige gegen Banaszak an.
Immerhin widerspricht der Durchsuchungsbeschluss, aus dem unter anderem die Welt zitiert, Banaszaks Darstellung: Als Grund für die Hausdurchsuchung wird dort ausschließlich das „Schwachkopf"-Meme genannt. Von Volksverhetzung ist dort keine Rede. Rechtsgrundlage für das Vorgehen sind demnach § 185 Strafgesetzbuch (Beleidigung) und § 188 Strafgesetzbuch (Verleumdung / üble Nachrede gegen Amtsträger).
Immunitätsaufhebung wegen Merkel-Meme
Weil er auf Twitter eine Bildcollage geteilt hat, auf der unter anderem Angela Merkel den Hitlergruß zeigen soll, hat das Europäische Parlament die Immunität des AfD-Europaabgeordneten Petr Bystron aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Verdachts des Verbreitens von Propagandamitteln einer verfassungswidrigen und terroristischen Organisation. Das geteilte Bild zeigte mehrere prominente Politiker wie Merkel, Scholz und Schulz beim Winken – mit dem Schriftzug „Bye, bye Melnyk“ in Anspielung auf die Verabschiedung des ukrainischen Botschafters 2022.
Bystron reagierte empört und sprach von einem politischen Manöver. Er verwies auf ein früheres Verfahren gegen ihn, in dem ihm ein Hitlergruß vorgeworfen worden war. Damals habe er ähnliche Bilder anderer Politiker – darunter auch das Merkel-Foto – vorgelegt und sei entlastet worden. Umso unverständlicher sei es für ihn, dass ausgerechnet dieses Bild nun gegen ihn verwendet werde.
Hausdurchsuchung wegen Zitat-Collage
Ein satirisches Meme über Spitzenpolitiker der gescheiterten Ampelkoalition führte im Juni 2023 zu einer Hausdurchsuchung bei einer Frau im bayerischen Partenstein. Die Polizei informierte sie darüber, dass ihre Wohnung während ihrer Abwesenheit durchsucht worden sei. Dabei wurden persönliche Geräte wie ihr Handy und der Laptop ihres Sohnes beschlagnahmt. Hintergrund war ein im September 2022 auf Twitter geteiltes Bild, das Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP), Annalena Baerbock (Grüne) und Robert Habeck mit zugespitzten Zitaten zeigte – darunter verfremdete, aber auf realen Aussagen basierende Aussagen.
Die Staatsanwaltschaft Würzburg leitete Ermittlungen wegen übler Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens ein. Im Durchsuchungsbeschluss hieß es, die satirischen Falschzitate seien geeignet, das politische Wirken der Betroffenen zu erschweren und sie in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Der geringe Einfluss der Nutzerin spielte dabei offenbar keine Rolle.
Die Betroffene wies die Vorwürfe zurück und sprach von einem völlig unverhältnismäßigen Vorgehen. Auch ein Strafverteidiger aus Würzburg äußerte sich irritiert: In 20 Jahren Berufserfahrung habe er keinen vergleichbaren Fall erlebt.
Bemerkenswert erscheint in diesem Fall auch das unterschiedliche Vorgehen der betroffenen Politiker: Während der noch amtierende Bundeskanzler Scholz und der damalige Bundesfinanzminister Lindner trotz ähnlicher Darstellung in der Bildmontage auf rechtliche Schritte verzichteten, entschieden sich die Grünen-Politiker für den Rechtsweg.
Geldstrafe wegen „Arschloch“-Sager gegen Merz
Nicht direkt ein Meme, aber ein Kommentar auf X kostete eine 50-jährige Frau aus Unterfranken am Ende 1.000 Euro. Auslöser war ein Beitrag von CDU-Chef Friedrich Merz zur Cannabis-Legalisierung der Ampelkoalition. Merz schrieb im Oktober 2023 auf X: „Wir als @cducsubt werden mit aller Kraft dafür kämpfen, dass die von der #Ampel bei ihrer letzten Therapiesitzung auf Schloss Meseberg geplante Legalisierung des Rauschmittels #Cannabis nicht kommt.“ Die Frau, selbst in Psychotherapie, empfand diese Wortwahl als herabwürdigend und reagierte impulsiv: „Löscht euch ihr Arschlöcher“, schrieb sie dazu.
Was sie für einen emotionalen Ausrutscher hielt, hatte juristische Folgen: Friedrich Merz stellte persönlich Strafantrag wegen Beleidigung. Im Mai 2024 erhielt die Frau eine polizeiliche Vorladung. Der Fall landete schließlich vor Gericht. Im August wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage von 1.000 Euro eingestellt – ihr Kommentar war zu diesem Zeitpunkt bereits gelöscht, eine Entschuldigung erfolgt.
Ihr Anwalt äußerte Verständnis für juristische Schritte gegen „Hass im Netz“, kritisierte aber die Verhältnismäßigkeit in diesem Fall. Sein Fazit: „Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“