Großes Sicherheitsaufgebot bei türkischen Wahlen: Hamburger Senat schweigt über Kosten
Bis zum 24. Mai haben Türken in Hamburg unter starkem Polizeischutz ihren nächsten Staatspräsidenten gewählt. Der Hamburger Senat verweigert Auskunft über Kosten des Polizeieinsatzes.
Vor dem roten Backsteingebäude in der Tesdorpfstraße 18 herrscht seit Wochen Hochbetrieb: Menschenmassen schieben sich durch den Vorhof mit der roten Halbmondfahne die Stufen hinauf zum Hamburger Generalkonsulat der Türkei. „Nein, das ist keine Demonstration“, winkt ein Polizist lächelnd ab. „Die wählen. Ganz Norddeutschland wählt hier.“ Mehrere Polizisten und ein privater Sicherheitsdienst überwachen das Gewimmel. Türkische Staatsbürger aus Hamburg und Schleswig-Holstein konnten hier vom 27. April bis zum 9. Mai ihre Stimme abgeben, bei der Stichwahl um das Präsidentenamt vom 20. bis zum 24. Mai noch einmal.
Wenn Demokratie zum Sicherheitsrisiko wird
Die Türkei wird seit Jahrzehnten vom Konflikt zwischen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und Erdogans nationalistischer AKP erschüttert. In Deutschland ist dieser Konflikt besonders ausgeprägt: Der Verfassungsschutzbericht 2021 zählt mehr als 28.000 türkischstämmige Extremisten. Davon werden 14.500 Extremisten der kurdischen PKK zugerechnet. Zum Vergleich: Die größten rechtsextremistischen Parteien in Deutschland (NPD, Die Rechte, III. Weg) haben zusammen nur 4.300 Mitglieder.
Entsprechend groß ist die Polizeipräsenz rund um das türkische Konsulat: In Richtung der nahe gelegenen Binnenalster standen am 7. Mai auf der gegenüberliegenden Seite des Konsulats vier Mannschaftswagen im Schatten der Bäume. Von Zeit zu Zeit stiegen Polizisten aus und patrouillierten durch den angrenzenden Park. Ob so viel Polizeischutz bei Wahlen normal sei? „Wenn die anderen kommen und es zu einer Auseinandersetzung kommt, dann ist der Teufel los. Dann berichtet der NDR“, sagt ein Polizist. Ob mit „die“ Gruppen wie die PKK gemeint seien? Der Polizist nickt stumm.
Nationalistischer Sicherheitsdienst? „Team Yörükoglu Europa“
Die Wahl der Türken im noblen Hamburger Stadtteil Rotherbaum geriet schon früh ins Visier der Presse. Bereits am 28. April berichtete die Frankfurter Rundschau über die mutmaßliche Präsenz des Sicherheitsdienstes „Team Yörükoglu Europa“. Der Chef des Wachdienstes, Nuri Harmankaya, sei ein strammer Nationalist und bezeichne sich selbst als „Soldat Erdogans“.
Auch Radio Hamburg berichtete am 4. Mai, dass ein Reporter vor dem Konsulat von einer Person bedroht worden sei. Man halte nichts von seiner „Propaganda“. Der Reporter solle sich „verpissen“. Angesichts der prekären Sicherheitslage fragten Linkspartei, CDU und AfD den Hamburger Senat, ob es Einschüchterungsversuche durch den Sicherheitsdienst von Harmankaya gegeben habe. Der Hamburger Senat verneinte dies in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Alexander Wolf am 19. Mai.
Der Senat schweigt: Wie viel musste Hamburg für die Türken zahlen?
Alexander Wolf stellte eine weitere Frage, die Linkspartei und CDU zuvor nicht thematisiert hatten. Das Vorstandsmitglied der Hamburger AfD wies in einer Kleinen Anfrage vom 11. Mai darauf hin, dass laut Medienberichten der Sicherheitsdienst Team Yörükoglu Europa die Wahlen vor dem Konsulat geschützt habe. Darüber hinaus verfüge das Konsulat über eigene Sicherheitskräfte. Auch FREILICH-Fotos vom 7. und 23. Mai zeigten, dass offenbar vom Konsulat beauftragte Sicherheitsdienste das Konsulat bewachten.
Vor diesem Hintergrund sei es verwunderlich, dass die Stadt Hamburg die Wahlen vor dem Konsulat 18 Tage lang mit einem großen Polizeiaufgebot geschützt habe. Der Abgeordnete fragte daher den Senat, wie viele Personalstunden die Hamburger Polizei für die Bewachung des Konsulats während der türkischen Wahlen aufgewendet habe. Der Senat antwortete am 19. Mai, dass solche Informationen „nur für den internen Dienstgebrauch“ bestimmt seien und daher der „Geheimhaltung“ unterlägen. Alexander Wolf sagte gegenüber FREILICH, diese Antwort habe ihn nicht überrascht. Der rot-grüne Senat ducke sich immer weg, wenn es „ungemütlich“ werde, so Wolf.
Wolfs Zusatzfrage, ob die Kosten für den Polizeieinsatz der Türkei in Rechnung gestellt worden seien, verneinte der Senat. Wenn der Senat auch die Höhe der Personalkosten für den Schutz der türkischen Wahlen in Hamburg geheim hält, so ist zumindest klar, wer auf den Kosten sitzen bleibt: der Hamburger Steuerzahler.
Die Türkei und die liberale Demokratie
Das Wahlverhalten der Türken wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. In der ersten Wahlrunde vom 27. April bis zum 9. Mai wählten 65,4 Prozent aller Türken in Deutschland Erdogan zum Präsidenten. In Hamburg waren es mit 59,2 Prozent etwas weniger. In der Türkei hingegen erhielt der als Nationalist geltende Erdogan mit nur 49,4 Prozent deutlich weniger Stimmen.
Cem Özdemir bedauerte dieses vergleichsweise hohe Ergebnis für Erdogan, der im Westen wegen Menschenrechtsverletzungen und eines autoritären Führungsstils in der Kritik steht. Türkischen Staatsbürgern müsse der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert werden, sagte der Grünen-Politiker am 10. Mai der Osnabrücker Zeitung. Das ermögliche eine erfolgreiche Integration und verhindere, dass sich Türken Politikern wie Erdogan zuwendeten.
Alexander Wolf sagte gegenüber FREILICH, die Wahl der Türken in Hamburg habe gezeigt, dass die rot-grüne Integrationspolitik von „hilfloser Naivität“ geprägt sei. Wenn die hier lebenden Türken mehrheitlich einen „Autokraten“ wählten, müsse man sich fragen, wie sie zur freiheitlichen Demokratie stünden. Özdemirs Vorschlag, zur Förderung der Integration die deutsche Staatsbürgerschaft zu verleihen, sei „absurd“. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft müsse immer am Ende und nie am Anfang des Integrationsprozesses stehen.
Einen Erklärungsansatz für das scheinbar widersprüchliche Wahlverhalten von Türken in Deutschland liefert das Konzept der „ethnischen Wahl“. Während Türken mit deutschem oder österreichischem Pass in ihren Gastländern mehrheitlich woke Regenbogenparteien wählen, bevorzugen sie in ihrer Heimat konservative Nationalisten. Der Heimatkurier erklärte dies in einem Artikel vom 16. Mai damit, dass die Türken bei beiden Wahlen die Interessen ihres eigenen Volkes vertreten würden. Während sie in der Türkei eine „weitgehend homogene“ Heimat anstrebten, würden sie in Europa ein multikulturelles „Beuteland“ bevorzugen.