Historische Landtagswahlen: Thüringer AfD triumphiert, sächsische AfD enttäuscht

Die AfD konnte sich gestern sowohl in Thüringen als auch in Sachsen über Zugewinne freuen. Dennoch muss vor allem die AfD in Sachsen ihre Strategie überdenken, um bei zukünftigen Wahlen erfolgreicher zu sein, wie Bruno Wolters in seinem Kommentar für FREILICH erklärt.

Kommentar von
2.9.2024
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5 Minuten Lesezeit
Historische Landtagswahlen: Thüringer AfD triumphiert, sächsische AfD enttäuscht

Björn Höcke und Jörg Urban.

© IMAGO / Funke Foto Services / dts Nachrichtenagentur

Die jüngsten Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen haben die politische Landschaft in Ostdeutschland nachhaltig verändert. Insbesondere das Ergebnis in Thüringen zeigt, wie tief die AfD inzwischen in Teilen der Bevölkerung verwurzelt ist. Mit beeindruckenden knapp 33 Prozent der Stimmen hat sie sich als stärkste Kraft etabliert, ein deutlicher Vorsprung von fast zehn Prozent vor der CDU. In einer Region, die in Ostdeutschland traditionell eher links und skeptisch gegenüber dem politischen Establishment eingestellt ist und nach der Wiedervereinigung von allen neuen Bundesländern am wenigsten rechts war, gelang der AfD damit ein nahezu perfektes Ergebnis.

Dieses Ergebnis stellt nicht nur einen historischen Erfolg dar, sondern zwingt auch andere Parteien, hauptsächlich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), klare Positionen zu beziehen. Das BSW muss sich nun zwischen einer Koalition mit der CDU oder einer Zusammenarbeit mit der AfD entscheiden. Katja Wolf vom BSW hat jedoch bereits angekündigt, nicht mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen, was die politischen Möglichkeiten der AfD in Thüringen einschränkt. Möglicherweise hat sich die neue Partei bereits entzaubert: Mit ihrer Weigerung, mit der AfD um das Beste für Thüringen zu ringen, hat sie sich als neue Kartellpartei entpuppt.

Sächsische AfD enttäuscht

In Sachsen hingegen verlief die Wahl für die AfD weniger erfolgreich. Zwar konnte sie mit 30,6 Prozent der Stimmen ihr Ergebnis von 2019 leicht verbessern, doch angesichts der besonderen Ausgangslage bleibt ein bitterer Beigeschmack. Noch vor wenigen Monaten führte die AfD in den Umfragen, und es gab berechtigte Hoffnungen, dass sie die CDU überholen könnte. Diese Erwartungen wurden jedoch enttäuscht. Vor allem die SPD und die Grünen schnitten stärker ab als erwartet, und selbst die Linkspartei konnte sich behaupten. Die Wahl am gestrigen Sonntag war eine einmalige Chance, die Linkspartei zu beerdigen und dabei auch Grünen und Sozialdemokraten in Sachsen einen großen Schaden zu verursachen. Diese Chance wurde nicht genutzt. Grob fahrlässig.

Dies wirft die Frage auf, ob die Wahlkampfstrategie der AfD in Sachsen richtig gewählt war. Die Fokussierung auf die Grünen als Hauptgegner erscheint im Nachhinein als Fehlentscheidung. Urban sprach nach der Wahl im Fernsehen davon, dass die Sachsen „linksgrüne Politik“ abgewählt hätten und die Grünen die gefährlichste Partei Deutschlands seien. Aber: Der eigentliche Gegner in Sachsen ist die CDU, die mit einem gut finanzierten Wahlkampf die AfD am Ende auf den zweiten Platz verwies, während die AfD sich nicht wirklich anstrengte – und trotzdem 30 Prozent holte. Nun stellt sich die Frage, was möglich gewesen wäre, wenn die Führung der AfD Sachsen einen professionellen Wahlkampf mit dem richtigen Gegner geführt hätte.

Falscher Hauptgegner

Denn: Es war die CDU, die im Bund, aber auch in Dresden in der Koalition mit den Grünen all die von der AfD kritisierten Zustände erst ermöglicht hat! Mit anderen Worten: Die AfD hat es Kretschmer von der CDU ermöglicht, schwarze Propaganda zu machen, indem er die CDU als Alternative zur Ampel und zu den Grünen positioniert hat, obwohl die CDU immer öfter mit den Grünen regiert. Hier ist eine selbstkritische Analyse dringend erforderlich. Die Partei muss ergebnisoffen prüfen, warum es trotz der günstigen Ausgangslage nicht gelungen ist, die Wähler in größerem Umfang zu mobilisieren. Das muss die AfD Sachsen diskutieren. Und Konsequenzen ziehen. Aber ersten Medienberichten zufolge plant die AfD Sachsen möglicherweise, eine Minderheitsregierung von CDU mit der SPD zu tolerieren. Das hat doch kein AfD-Wähler mit seiner Stimme gewollt! Ein Tag nach der Wahl und die ersten Schritte lassen Böses erahnen – sollte der Bericht keine Ente sein. Man kann Zwergs Zitat auch anders interpretieren. Nämlich, dass man das als Opposition aus der Ferne verfolgt und nicht als Befürworter einer CDU-SPD-Minderheitsregierung. Dann wäre der Kontext von Kollenberg falsch.

Konkrete Wege, die die sächsische AfD gehen könnte: Ein besseres Verhältnis zu den rechten Strukturen in Sachsen, ein neuer Umgang mit rechten Parteien wie den Freien Sachsen, eine Professionalisierung der Parteistrukturen, um in Zukunft einen seriösen und erfrischenden Wahlkampf führen zu können, eine altersmäßige Auffrischung der eigenen Kandidaten – der junge Jonas Dünzel aus Zwickau ist ein guter Anfang, aber es muss mehr kommen – sowie ein harter Kampf gegen die Kretschmer-CDU. Mit anderen Worten: Die sächsische AfD muss sich einfach an ihren Parteifreunden in Erfurt orientieren! Aber leider ist zu befürchten, dass die AfD Sachsen in einer Wagenburgmentalität versumpfen wird, denn die besondere Struktur in Sachsen sorgt dafür, dass trotz geringer Anstrengungen bei Wahlen immer die 30 Prozent erreicht werden. Manche sind damit einfach zu zufrieden. Aber: Es ist nicht so, dass in Sachsen alles schlecht wäre. Die Junge Alternative hat dort mit erfrischenden Akteuren wie Lennard Scharpe oder Fabian Küble durchaus Möglichkeiten, den Kahn doch noch in die richtige Richtung zu lenken.

Die Liberal-Konservativen scheitern

Zudem: Ein Blick auf die kleineren Parteien, insbesondere Werteunion und Bündnis Deutschland, zeigt ein ernüchterndes Bild. Beide Parteien konnten in Thüringen und Sachsen nur marginale Ergebnisse erzielen, die weit unter den Erwartungen lagen. Die Werteunion kam in Thüringen auf 0,6 Prozent, in Sachsen sogar nur auf 0,3 Prozent. Bündnis Deutschland erreichte in Thüringen 0,5 Prozent und in Sachsen ebenfalls enttäuschende 0,3 Prozent. Und das, obwohl man noch vor kurzem von über zehn Prozent schwärmte und ein großes bürgerlich-liberales Wählermilieu erkennen wollte. Pustekuchen!

Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass diese Parteien kaum in der Lage sind, in der aktuellen politischen Landschaft Fuß zu fassen. Weder die Werteunion noch Bündnis Deutschland konnten genügend Wähler mobilisieren, um relevant zu werden. Dies liegt nicht nur an fehlender Dynamik und klaren Führungspersönlichkeiten, sondern auch an der mangelnden Verankerung in der Gesellschaft. Ihre Botschaften scheinen in der Wählerschaft kaum Widerhall zu finden, was ihre Zukunftsperspektiven deutlich schmälert.

Keine Zukunft für Werteunion und Co.

Die Zukunft der kleinen Parteien ist ungewiss. Eine mögliche Fusion könnte ihre Kräfte bündeln, aber auch dann ist fraglich, ob sie bundesweit mehr als 1 bis 2,5 Prozent der Wählerstimmen erreichen können – davon geht zum Beispiel der Politikwissenschaftler und FREILICH-Autor Benedikt Kaiser aus. Ihre politische Relevanz bleibt gering und es ist fraglich, ob sie sich langfristig als ernstzunehmende Alternativen etablieren können. Für die AfD hingegen bietet das schwache Abschneiden dieser Parteien die Chance, weitere Wähler an sich zu binden. Sollte es der AfD gelingen, ihre Strategie zu überdenken und ihre Position in Sachsen zu stärken, könnte sie bei zukünftigen Wahlen erfolgreicher sein. Das gilt übrigens auch für die rechte Partei Freie Sachsen, die immer sehr von den Fehlern der AfD profitieren konnte. Ein Überdenken der Strategie der Freien Sachsen könnte für die AfD interessant sein – wenn man sich traut.

Insgesamt zeigen die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, dass die AfD trotz ihrer Erfolge in Thüringen noch immer Herausforderungen zu bewältigen hat. Während sie in Thüringen eine klare Führungsrolle übernommen hat, bleibt ihre Position in Sachsen ausbaufähig. Die Partei muss sich ernsthaft mit den Gründen für ihre vergleichsweise schwache Performance auseinandersetzen, um in zukünftigen Wahlen weiterzuwachsen. Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie sich die kleineren Parteien wie die Werteunion und Bündnis Deutschland entwickeln werden. Der Druck auf diese Parteien, sich entweder zu reformieren oder zu fusionieren, wächst. Ob sie dieser Herausforderung gewachsen sind, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Die politische Landschaft in Ostdeutschland bleibt in Bewegung, und es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Kräfteverhältnisse weiter verschieben werden.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Bruno Wolters

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei Freilich. Seine Interessengebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

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