Merz-Beben in der CDU: Neue Köpfe retten die CDU nicht
Die CDU ist in Aufruhr. Der Parteiausschluss von Maaßen ist vorerst gescheitert, CDU-Generalsekretär Czaja musste seinen Hut nehmen. Eine konservative Wende sei aber nicht in Sicht, meint der stellvertretende Chefredakteur Bruno Wolters.
Zwei Meldungen sorgten am Dienstagnachmittag für Aufregung im politischen Berlin: Zum einen scheiterte das vom CDU-Bundesvorstand angestrengte Parteiausschlussverfahren gegen den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen. Dafür musste ein anderer seinen Platz räumen: Generalsekretär Mario Czaja. Der CDU-Parteivorsitzende Merz und dieser hätten sich „heute einvernehmlich darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit an der Parteispitze zu beenden“, heißt es von Seiten der Partei. Beides, das Maaßen-Urteil und der Rauswurf Czajas, hängen zusammen. Schließlich war es der Ostberliner Czaja, der das Ausschlussverfahren gegen Maaßen ins Rollen gebracht und maßgeblich vorangetrieben hatte. Normalerweise ist es kein Zeichen von Stärke, Autorität und Geschlossenheit, wenn sich der Chef von seiner rechten Hand trennt. Nun ist die Parteispitze blamiert und die Spaltung der Partei erreicht einen neuen Höhepunkt.
Maaßen hatte den linken Flügel um Parteikollegen wie den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther in der Schweizer Weltwoche als „Antideutsche“ bezeichnet. Das Thüringer Parteigericht sah jedoch darin keinen ausreichenden Grund für einen Parteiausschluss. Für den Parteivorsitzenden Merz ist dieses Urteil aber ein schwerer Schlag. Der Ansatz, die linken und eher liberalen Elemente der CDU zu integrieren und damit die Partei zu einigen und Wahlen zu gewinnen, ist gescheitert. Aber auch der Ansatz, die CDU durch eine „Brandmauer nach rechts“ abzugrenzen, ist letztlich eine Sackgasse – während dieser Plan in Mitteldeutschland zu allerlei innerparteilichen Problemen geführt hat, schließlich ist dort die AfD am stärksten, so dass ein Umgang mit ihr unumgänglich ist, konnte diese Abgrenzung, für die sich Merz immer wieder lautstark ausgesprochen hat, keinen linken Christdemokraten vollends überzeugen.
Brandmauern und Anstriche ändern nichts
Auch mit dem Rauswurf des Anwalts Maaßen versuchte Merz, dem linken Flügel einen Gefallen zu tun. Dass dies viele Mitglieder in den neuen Bundesländern vor den Kopf stoßen würde, hat Merz riskiert, sein Ziel konnte er jedoch nicht erreichen. Der Sauerländer hat aber erkannt, dass er umsteuern muss. Ein Rauswurf von Czaja, dessen Berufung zum Generalsekretär auch als Signal an den linken Parteiflügel verstanden wurde, und die Berufung des eher wirtschaftsliberalen Carsten Linnemann, welcher aus der gleichen Region wie Merz stammt, zu seinem Nachfolger scheinen dies zumindest zu verdeutlichen: Die Einheit der Partei ist nicht möglich, ein Konfrontationskurs also notwendig.
Dieser Kurswechsel wird aber nichts ändern, weil er vor allem oberflächlich bleibt. Die Nominierung Linnemanns, die schon vor zwei Jahren im Raum stand, ist nur ein konservativer Anstrich, der unter Druck abblättern wird. Denn an die Wurzel will und kann Merz nicht gehen, dazu müsste er der Christdemokratie ihr Markenzeichen entreißen. Hier geht es um die Identität der CDU: Die Union war nie eine konservative oder gar rechte Partei, sie war immer vor allem ein Machterhaltungsverein für eine transatlantische Elite. Mit dem Rückgriff auf den Ostwestfalen Linnemann zeigt Merz diese Seele auch symbolisch: Er gibt den Osten auf und zieht sich an den Rhein zurück. Rheinrepublik statt Berliner Republik oder gar Reich.
Ungeeignet für den bevorstehenden Kulturkampf
Die Union und ihre Akteure können nicht aus ihrer Haut. Jahrzehntelang war der Substanzverlust der deutschen Kultur und Gesellschaft für die CDU kaum ein Problem, weil eine politische Alternative, die ihn anprangerte, nie wirklich existierte – das hat sich 2023 geändert. Es gab schlicht keine andere Wahl, so dass sich die Union stets gegen linke Parteien abgrenzen und so als konservativer Sachwalter des Volkswillens darstellen konnte – hier die Sozis und Grünen, dort die Union. Mit der AfD, die seit nunmehr zehn Jahren die politische Szene in Deutschland aufmischt, ist es mit diesem bequemen Luxus für die Partei der Erben Kohls und Adenauers vorbei.
Die Union muss den Kulturkampf jetzt annehmen – oder sie wird untergehen. Sie ist aber aufgrund ihrer systemischen und strukturellen Schwächen – der Opportunismus liegt in der DNA der Union – nicht in der Lage, langfristig zu denken und zu handeln, um eben jenen Kampf der Ideen aufzunehmen, der länger dauert als Legislaturperioden. Linnemann wird wie seine Vorgänger scheitern. Die AfD wird davon profitieren, wenn sie es geschickt anstellt.