Neue Sanktionen für Arbeitslose: Scharfe Kritik an Kocher-Vorstoß
Kaum fanden die ersten Teil-Öffnungen statt, sucht die Regierung durch den Rückgang der Arbeitslosen-Zahl eine Bestätigung für ihre Politik. Obwohl die AMS-Zahlen weiterhin hoch sind und sich der Arbeitsmarkt gerade für Langzeitarbeitslose nicht entspannt, will Arbeitsminister Martin Kocher den Jobsuchenden jetzt zusätzlich Druck machen.
Wien. – Am Montag gewährte der erst vor wenigen Monaten über ein ÖVP-Ticket für die über eine Plagiatsaffäre gestolperte Christine Aschbacher ins Ressort eingezogene Ökonom einen ersten Einblick in seine Pläne. Dabei will er Menschen über zusätzliche „Anreize“ in Arbeit bringen und hält ein sogenanntes „degressives“ Arbeitslosengeld für eine mögliche Option. Dabei würde der öffentliche Zuschuss nach einiger gewissen Zeitspanne immer weniger. Dafür hagelt es Kritik aus der Opposition.
Umstrittene Kante gegen Langzeitsarbeitslose
Dem ORF zufolge können Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bei „Verweigerung einer zumutbaren Arbeit sechs Wochen, im Wiederholungsfall acht Wochen gestrichen werden“. Die Volkspartei verkauft das ganze wie ein Paket gegen vermeintlich Arbeitsscheue. Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger sagte etwa: „Wer arbeiten kann und nicht will, gehört sanktioniert.“ In der Realität ist das Angekündigte aber ziemlich prekär. Denn bei einer Vollzeitbeschäftigung etwa eine Wegzeit (also Hin- und Rückweg) von zwei Stunden stets als zumutbar.
Sprich: Ein Grazer muss bereit sein, auch in Leoben zu arbeiten, ein Linzer in der Nähe von Wien oder in Ried im Innkreis. Einem Innsbrucker könnte blühen, bis ins Brixental oder ins vordere Ötztal pendeln zu müssen, ein Salzburger bis weit ins Innergebirg. Eine Entlohnung auf Niveau des Kollektivvertrages ist dafür ausreichend. Im Ernstfall – gerade ab Erhalt der Notstandshilfe gibt es keine Branchengrenzen mehr kann das heißen: Nimmt ein gelernter Maschinenschlosser keine Spätschicht im Schnellkost-Restaurant in der Provinz um unter 1.600 Euro brutto an, bekommt er weniger Arbeitslosengeld.
FP-Belakowitsch: „Soziale Kälte in Reinkultur“
Aus Sicht der Opposition ist der Vorschlag gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Krise untauglich. FPÖ-Vizeklubchefin Dagmar Belakowitsch sprach von einer „neoliberalen Einfachlösung“, welche eine „soziale Kälte in Reinkultur“ offenbare. Dabei sei die derzeitige Langzeitsarbeitlosigkeit eben genau eine Folge der „überschießenden Corona-Pandemiemaßnahmen der schwarz-grünen Regierung“. Nun verlangten dieselben Akteure aber, dass „die Betroffenen büßen“.
Es handle sich somit um einen „Anschlag“ auf eine ohnehin armutsgefährdete Gruppe. Wenn ÖVP und Grüne schon nach der Kürzung von Sozialleistungen zumute ist, sollten sie zuerst bei „langzeitsarbeitslosen Wirtschaftsflüchtlingen und Asylanten“ ansetzen, so die blaue Spitzenpolitikerin. Eine große Anzahl derer liege „seit Jahren in der sozialen Hängematte“ und falle zudem noch mit Kriminalität auf.
SPÖ gegen Druck auf Krisen-Verlierer
Auch für die Sozialdemokratie kommen die Pläne Kochers nicht infrage. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch empörte sich über die „erbarmungslose soziale Kälte der Bundesregierung. Die Türkisen würden „mit freundlicher Unterstützung der Grünen die Daumenschrauben“ anziehen und gerade jene unter Druck setzen, die am meisten unter der Krise leiden. Sinnvoller wäre es, in die heimische Wirtschaft zu investieren oder Jobprogramme zu beschließen. Er wiederholte auch die rote Forderung nach einem bundesweiten Mindestlohn von 1.700 Euro.