Nur FPÖ kämpfte noch dagegen: Nationalrat nickt „Grünen Pass“ ab
Am Mittwoch fixierte der Nationalrat die rechtlichen Voraussetzungen für die definitive Version des „Grünen Passes“. Die Speicherung von Kranken-, Ausbildungs- und Einkommensdaten kommt derzeit nicht. Das umstrittene Projekt bedeutet für viele Bürger trotzdem einschneidende Veränderungen.
Wien. – Als „ungeheuerlichen Tabubruch“ bezeichnete FPÖ-Klubchef Herbert Kickl die Absegnung einer Gesetzesnovelle, die gewissermaßen eine Zweiklassengesellschaft auf mittelbare Dauer kreiert. Die Vorlage schaffe den Begriff „gesund“ endgültig ab, es folge eine Beweislastumkehr – und die Grund- und Freiheitsrechte würden dabei zu Grabe getragen. Die anderen vier Parteien stimmten für den Gesetzesentwurf.
Nach Teil-Entschärfung: SPÖ und NEOS ziehen mit
Dass das Vorhaben nicht scheitern würde, war eigentlich bereits am Dienstag klar, weil die SPÖ schon im Voraus deponierte, dass sie mit der Regierung mitstimmen will. Damit war auch eine allfällige Blockade der Opposition im Bundesrat – dort haben SPÖ, FPÖ und NEOS eine knappe Mehrheit – vom Tisch. Bei der Diskussion im Plenum entschieden sich dann sogar noch die Pinken, mitzugehen und die gesetzlichen Grundlagen für den „Grünen Pass“ mitzubestimmen.
Noch vor wenigen Tagen galt ein solches Abstimmungsverhalten als nahezu ausgeschlossen. Alle drei Oppositionsparteien hatten die Vorlage kritisiert, ein zentraler Punkt war die zentrale Speicherung der persönlichen Daten. FPÖ-Chef Norbert Hofer sah sich an die Romane von George Orwell erinnert, SPÖ-Klubchef-Vize Jörg Leichtfried sprach von einem „Datenmoloch“, die NEOS befürchteten sogar nach der Entschärfung eigentlich einen „Datenschutz-Super-GAU“. Diese kommt nun aber nicht.
Wieder scharfe Kickl-Kritik am „Grünen Pass“
Aus dieser Dreierfront gegen die Regierungspläne blieben die Freiheitlichen in der Folge als einsame Kämpfer für die Freiheit übrig. In seiner Rede warnte Kickl die übrigen Parteien davor, sich als „Sterbehelfer für Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz“ einzusetzen. Wenn diese den Grünen Pass abnickten, machten sie sich zu „Komplizen des gigantischen Geschäftsmodells der Pharmaindustrie“. Die „neue Normalität“, von der der Kanzler schwärme, werde amtlich.
Dabei benutze die Regierung die „von ihr selbst herbeigeführte Corona-Müdigkeit für Kontrolle, Überwachung und Steuerbarkeit“ und etabliere ein „System der Unfreiheit, wo es nur Verlierer“ gebe. Die Freiheit des Einzelnen zähle ab sofort nichts mehr und werde „ohne Evidenz der sogenannten Volksgesundheit untergeordnet“. Die eingeführte Logik des Grünen Passes erinnere ihn jedenfalls zudem an den „absurden Gedanken“, wenn es etwa im Justizbereich eine Schuldvermutung gölte.
Belakowitsch sieht Vorleistung für Impfzwang
Schon seit der Vorwoche gilt für zahlreiche Bereiche des öffentlichen Lebens: Nur, wer getestet, genesen oder geimpft ist, darf Einlass erhalten. Dazu zählen derzeit auch körpernahe Dienstleister wie Friseure, Gastronomiebetriebe, Freizeit- und Kultureinrichtungen wie Museen oder Zoos sowie Einrichtungen zur Sportausübung – völlig egal, ob es sich um eine Kampfsporthalle, ein Fußballfeld, einen Golfplatz oder einen Schießstand handelt.
An der nunmehrigen Verstetigung dieses Zweiklassen-Systems übte auch die studierte Medizinerin und stellvertretende FPÖ-Klubchefin Dagmar Belakowitsch herbe Kritik: „Mit dieser Gesetzesnovelle schafft die türkis-grüne Bundesregierung den gehorsamen Bürger, der brav mitspielt und seinen Gesundheitszustand regelmäßig vorlegt. Der nächste Schritt wird wohl sein, dass all jene, die sich der Zwangsimpfung entziehen wollen, ihren Zwangstest selbst bezahlen müssen.“
Vier-Parteien-Front für den „Grünen Pass“
Jubelstimmung der unterschiedlichen Art herrschte beim Großteil der anderen Fraktionen. Der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sprach von einem „guten Tag“ und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger zeigte sich begeistert, dass Österreich beim Grünen Pass eine Vorreiterfunktion in Europa einnehme. Die Sozialdemokratie sieht sich wiederum im Aufwind, weil sie die vermeintliche Teil-Entschärfung mit der Kippung der Datenspeicherung als ihren alleinigen Sieg verbucht.
Am Ende stimmten die Genossen – und auch die NEOS, die einige ihrer Kritikpunkte nichtsdestotrotz im Plenum erneut anbrachten – für die Vorlage. Diese kommt nun in leicht abgespeckter Version – wobei mehr als 16.000 Stellungnahmen kritischer Bürger im Gros neuerlich nicht ernstgenommen wurden. Ein großer Anteil davon richtete sich nämlich nicht nur gegen potenzielle Überwachungsmechanismen, sondern eben auch gegen die Schaffung einer empfundenen Zweiklassengesellschaft.
Polizeiaktion gegen zwangfreie Betriebe
Während das politische Hickhack nur eine Partei übrig ließ, die sich gegen die Diskriminierung von Personen aussprach, die sich am Test- und Impfzwang der Regierung nicht beteiligen, bekennen sich immer mehr Unternehmer dazu, die Regeln des „Grünen Passes“ nicht kontrollieren zu wollen. Mehr als 1.200 Betriebe registrierten sich auf ANIMAP und bekunden, dass sie ihre Kunden unabhängig von ihrem Impfstatus bedienen möchten, Ungeimpfte nicht ausgrenzen wollen.
Kaum zog das Portal breite Kreise, folgte der Gegenschlag der Obrigkeit: Der oberösterreichische Wochenblick berichtet von Polizeikontrollen bei kritischen Unternehmern zumindest in Tirol, Salzburg und im Burgenland. Oftmals käme diesen dabei vor, dass die Beamten nicht recht wissen, weshalb sie die Kontrollen durchführen sollen und der Befehl dazu „von ganz oben“ käme. Die Anwälte für Grundrechte veröffentlichte daher auf ihrer Homepage einen rechtlichen Leitfaden für Betroffene.
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