Warum die geplante Abschaffung der Bildungskarenz österreichischen Familien schaden könnte
Österreich muss sparen. Eine mögliche blau-schwarze Regierung will deshalb unter anderem die Bildungskarenz abschaffen. In seinem Kommentar für FREILICH erklärt Philipp Huemer, warum dieser Schritt den österreichischen Familien schaden könnte.
FPÖ und ÖVP haben kürzlich die Abschaffung der Bildungskarenz bekannt gegeben – das ist rein arbeitsmarktpolitisch und budgetär betrachtet verständlich, hat jedoch (ungewollt) negative Auswirkung auf österreichische Familien. Warum?
Der „versteckte“ Zweck der Bildungskarenz
Das von den Verhandlern ins Feld geführte Argument, dass der beabsichtigte Zweck der Bildungskarenz – also eine arbeitsmarktrelevante Fortbildungsmöglichkeit – nicht oder unzureichend erzielt wird, ist richtig und wurde so bereits vom Rechnungshof festgestellt und beanstandet. Doch die Bildungskarenz erfüllt inzwischen auch einen anderen, quasi „versteckten“ Zweck: sie verschafft Müttern die Möglichkeit, länger zuhause bei ihren Kindern zu bleiben, ohne dafür finanzielle Einbußen in Kauf nehmen zu müssen. Wieso?
In Österreich besteht grundsätzlich die Möglichkeit, bis zu zwei Jahre lang in Karenz zu gehen. Die Summe, die man in dieser Zeit erhält, berechnet sich aus der Dauer der gewählten Laufzeit, man spricht von einem sogenannten Kinderbetreuungsgeld-Konto (KBG): je länger eine Mutter zuhause bleibt, desto weniger Geld gibt es. Eine Mutter, die den Zeitraum von 24 Monaten voll ausschöpft, erhält beispielsweise täglich 17,65 Euro – also etwa 530 Euro pro Monat. Das entspricht in etwa einer geringfügigen Beschäftigung und kann den Ausfall eines Vollzeitgehalts in keinster Weise kompensieren. Sprich, es gibt hier einen klaren Anreiz, einen kürzeren Zeitraum zu wählen – der maximale Tagesbetrag liegt bei 41,14 Euro (entspricht 1.234,20 Euro monatlich).
Es gibt allerdings noch eine weitere Möglichkeit, nämlich das sogenannte einkommensabhängige Kindergeld. Die Höhe beträgt 80 Prozent der Letzteinkünfte und ist mit 80,12 Euro täglich gedeckelt. Sprich: eine Mutter, die beispielsweise vor einer Familiengründung 2.000 Euro netto verdient hat, erhält 1.600 Euro monatlich – das ist wesentlich mehr als beim KBG-Kontomodell. Allerdings kann dieses einkommensabhängige Modell für maximal ein Jahr in Anspruch genommen werden. Arbeitende und entsprechend verdienende Frauen müssen sich also entscheiden: bleibe ich ein Jahr zuhause und erhalte 80 Prozent meiner Letzteinkünfte oder bleibe ich zwei Jahre zuhause und erhalte lediglich das Äquivalent eines geringfügigen Gehalts. Man beachte: das Gesamtvolumen des einkommensabhängigen KGBs ist (in meinem Beispiel) deutlich größer, als beim zweijährigen KGB-Konto.
Was hat das mit der Bildungskarenz zu tun?
Da viele Mütter das völlig legitime und berechtigte Bedürfnis haben, zumindest zwei Jahre zuhause zu bleiben, wählen viele das einkommensabhängige KGB und hängen daran anschließend ein Jahr Bildungskarenz, in dem sie beispielsweise im Wochenausmaß von fünf bis zehn Stunden von zuhause einen Online-Englischkurs absolvieren. Das ist arbeitsmarktpolitisch zwar weitestgehend irrelevant, hat sich in den vergangenen Jahren aber für viele Familien als eine finanziell attraktive Methode etabliert, damit sich Frauen primär um die Kinderbetreuung kümmern zu können, ohne dafür einschneidende finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen.
Diese Möglichkeit ist nun Geschichte. Davon sind primär gut gebildete und besser verdienende Frauen und Familien betroffen, die mutmaßlich tendenziell österreichisch beziehungsweise autochthon sind. Das ist schlecht, weil man gerade diese Gruppe eigentlich zur Familiengründung animieren sollte. Arbeitslose oder gering Verdienende sind von dieser Maßnahme nicht betroffen, da ihnen das einkommensabhängige KGB ohnehin keinen Mehrwert bringt und sie mit dem KGB-Konto beziehungsweise den diversen Sozialleistungen entsprechend kompensiert werden.
Alternative gefordert
Noch einmal: Ich werfe der FPÖ die Abschaffung der Bildungskarenz keineswegs vor, weil sie einerseits im Hinblick auf ihren ursprünglichen Zweck und die aktuelle budgetäre Lage sachlich gerechtfertigt ist und andererseits auch die sogenannte „Ampelkoalition“ die Bildungskarenz abgeschafft oder zumindest so reformiert hätte, dass die oben skizzierte Methode nicht mehr möglich gewesen wäre. Allerdings sollte die FPÖ als soziale Heimatpartei, die explizit den Anspruch hat, österreichische Familien und Kinder zu fördern, zügig an einer Alternative arbeiten.
Dazu könnte etwa die Schaffung der Möglichkeit eines zweiten Bezugsjahres des einkommensabhängigen Kindergeldes, das dann beispielsweise im zweiten Jahr einen geringeren Prozentsatz der Letzteinkünfte kompensiert, gehören. Idealerweise bietet man auch dreijährige Modelle an. Letztlich ist die Abschaffung der Bildungskarenz eine Chance, eine dem Ansinnen entsprechende Lösung zu schaffen, die einen „Missbrauch“ eines eigentlich zweckfremden und darüber hinaus unwirksamen Instruments nicht mehr notwendig macht. Bleibt diese Alternative aus, wird sich die Abschaffung der Bildungskarenz jedoch als Schaden für österreichische Familien erweisen.