„Wenn alle untreu werden“: FPÖ mit Klage gegen Standard erfolgreich
Das Landesgericht Wien hat den Standard zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Vorwurf: üble Nachrede im Zusammenhang mit einem Begräbnis mit FPÖ-Beteiligung.
Wien. – Die Tageszeitung Der Standard ist am Donnerstag am Wiener Landesgericht in einem Verfahren wegen übler Nachrede verurteilt worden. Das Medium hatte über die Teilnahme von FPÖ-Politikern an einem Begräbnis berichtet, bei dem ein immer wieder irrtümlich als „SS-Lied“ bezeichnetes Lied gesungen wurde. Das Gericht sah in der Berichterstattung den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt und sprach den Klägern eine Entschädigung von insgesamt 20.250 Euro zu.
Kritik an Medienberichterstattung
Im Mittelpunkt der Klage standen die FPÖ-Nationalratsabgeordneten Harald Stefan, Martin Graf und Klubdirektor Norbert Nemeth. Diese wehrten sich gegen die mediale Darstellung, die sie mit einem in der NS-Zeit verwendeten Lied in Verbindung brachte. Ihr Rechtsvertreter Christoph Völk bezeichnete die Berichterstattung als „infam und rufmörderisch“. Laut Standard-Anwalt Michael Pilz wurden jedoch wahre Tatsachen berichtet, weshalb er gegen das Urteil Berufung eingelegt hat. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.
Medial irrtümliche Darstellung des Liedes
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Begräbnis am 27. September 2024, bei dem das Lied „Wenn alle untreu werden“ gespielt wurde. Ein Video davon führte zu Berichten, dass bei der Trauerfeier das „SS-Lied“ gesungen worden sei. FPÖ-Politiker wehren sich gegen diese Behauptung und argumentieren, dass es sich bei dem Lied um ein über 200 Jahre altes Volks- und Studentenlied handle, das keinen Bezug zum Nationalsozialismus habe. Stefan, der bis 2017 Mitglied der Burschenschaft „Olympia“ war, erklärte: „Für mich war das niemals ein verbotenes Lied.“ Auch Nemeth betonte, dass das Lied nichts mit dem Dritten Reich zu tun habe.
Und tatsächlich hat das Lied seinen Ursprung im 19. Jahrhundert und geht auf den ostpreußischen Dichter Gottlob Ferdinand Maximilian Gottfried „Max“ von Schenkendorf (1783-1817) zurück, der es 1814 unter dem Titel „Erneuter Schwur“ veröffentlichte. Die Textform lehnt sich an ein älteres Gedicht des Dichters Novalis (Geistliches Lied, VI) an, wobei nur die ersten beiden Zeilen nahezu unverändert übernommen wurden. Das Lied ist in seiner ursprünglichen Form ein christlich-patriotisches Lied und transportiert die Aufbruchstimmung der Jenaer Urburschenschaft von 1815. Studentenverbindungen, schlagende wie nichtschlagende, singen das Lied seit dieser Zeit – auch weil die Burschenschaften seit jeher antimonarchistisch geprägt sind – als Teil ihres Selbstverständnisses und in der Fassung, in der statt „von Kaiser und von Reich“ „vom heil’gen deutschen Reich“ die Rede ist.
Version schon lange vor NS-Zeit in Gebrauch
Dass das Lied dennoch immer wieder für Aufregung sorgt, liegt daran, dass diese von Studentenverbindungen gesungene Version auch von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke genutzt wurde und diese sich beispielsweise im Liederbuch der Schutzstaffel hinter dem „Horst-Wessel-Lied“ und dem „Lied der Deutschen“ wiederfand.
Anders als die Berichterstattung dazu vermuten lassen könnte, stammt diese Fassung aber eben nicht von der SS. Sie ist bereits 1830 in der Leipziger Auswahl deutscher Lieder als Textalternative belegt und findet sich so auch in den Liederbüchern zahlreicher Burschenschaften, wie dem Allgemeinen Deutschen Kommersbuch oder dem Commersbuch der Wiener Studenten. Die auch von der SS verwendete Version war also schon lange vor der Zeit des Nationalsozialismus Bestandteil der deutschen Liedkultur. Dennoch hält sich in jüngster Zeit in den Medien die Darstellung, es handele sich um ein „SS-Lied“.
Unklare Darstellung der Verdachtslage
Der Standard berichtete jedenfalls ausführlich über die Vorfälle auf dem Hernalser Friedhof und die Staatsanwaltschaft Wien leitete Ermittlungen gegen die FPÖ-Politiker wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung ein. Stefan berichtete, dass er aufgrund der Medienberichte sowohl beruflich als auch privat „massive Probleme“ gehabt habe.
Das erstinstanzliche Gericht stellte nun aber fest, dass die in der Berichterstattung enthaltenen Informationen eine „ungenaue Verdachtslage“ darstellten. Aus dem im Video, das das Absingen des Lieds dokumentiert, hätte nach Dafürhalten des Richters hervorgehen müssen, dass die dritte Strophe weggelassen und an einer Stelle statt „Reue“ „Treue“ gesungen wurde. Aufgrund der schlechten Tonqualität und der Geräusche von prasselndem Regen sei das aber „nicht feststellbar“.
Hafenecker kritisiert die Berichterstattung
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker reagierte in einer Aussendung auf das Urteil und die Berufung des Standard. Er bezeichnete die Berichterstattung des Mediums als „pietätlos, infam und rufmörderisch“ und kritisierte, dass das Begräbnis mit versteckter Kamera gefilmt wurde, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Hafenecker sprach von „menschenverachtenden Machenschaften der linken Medienschickeria“ und zeigte sich angesichts der angekündigten Berufung des Standard gelassen. „Eindeutiger“ könne ein Gerichtsurteil wohl kaum sein, betonte Hafenecker und wies darauf hin, dass der Richter in seinem Urteil klargestellt habe, dass das gesungene Lied nicht verboten sei.