Wenn hohe Energiepreise auf niedrige Einkommen treffen
Niederösterreich ist zwar ein Kernland dieser Republik – aber es ist ein vergleichsweise armes. Viele Bürger haben das Gefühl, dass die Belastungen steigen und die Entlastungen nicht recht ankommen.
Die schwarze Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die im aktuellen Wahlkampf lieber in den blau-gelben Landesfarben badet, sieht sich als Macherin. Im Sommer, als sie in Umfragen in Richtung der 30-Prozent-Marke abzusacken drohte, preschte sie mit einem „Strompreisrabatt“ von 11 Cent pro Kilowattstunde vor. Medial ließ sie sich dafür feiern, während die landesnahe EVN die Preise fast zeitgleich massiv erhöhte. FPÖ-NÖ-Chef Udo Landbauer sprach seinerzeit von einem „Taschenspielertrick“.
Strompreis-Korrektur nur nach oben
Tatsächlich war die vermeintliche Deckelung ein gelungener PR-Gag: „Hanni“ konnte nun von Medium zu Medium tingeln und mit großen Zahlen wie „250 Mio. Euro“ und einer Entlastung pro Haushalt von mehreren hundert Euro um sich werfen. Doch die Sache hatte einen Haken: Denn Ende August bekamen zahlreiche EVN-Bestandskunden plötzlich Briefe, welche ihnen eine Verdreifachung des Lieferpreises auf über 30 Cent in Aussicht stellte. Für Neukunden kostete die Kilowattstunden da schon knapp 67 Cent. Zwischen 2018 und 2020 lag der Preis noch bei 4-5ct/kWh.
Ein Ende dieser Teuerung ist nicht in Sicht: Auch im Jahr 2023 stehen seitens der EVN mutmaßlich zwei weitere Strompreis-Erhöhungen im Raum. Auch die anderen Partner des „blau-gelben Strompreisrabatts“, nämlich Verbund und Wien Energie erhöhen ihre Preise stetig. Ersterer erhöht mit 1. März die Preise für Bestandskunden und senkt sie für Neukunden, eine Praxis, gegen welche Verbraucherschützer nun klagen wollen. Letztere erhöhte die Preise zuletzt im Oktober. Die aktuell sinkenden Großmarktpreise gibt hingegen keiner der Versorger an die Endkunden weiter.
Niedriges Einkommen, massive Nachzahlungen
Nachzahlungen von mehreren hundert Euro alleine für Strom und einigen tausend Euro für Gas & Co. sind auch in Niederösterreich keine Seltenheit mehr. Wie sie das bezahlen sollen, wissen zahlreiche Bürger nicht so recht – und der längst wieder „aufgefressene“ Rabatt aus ihrem eigenen Steuergeld macht den Braten nicht fett. In Niederösterreich trifft es die Menschen härter als in anderen Regionen.
Denn trotz der Nähe zur Bundeshauptstadt Wien weist das einwohnerstärkste Flächenbundesland mit 2.369 Euro das zweitniedrigste Brutto-Medianeinkommen auf. Zum Vergleich: In Vorarlberg (2.634 Euro), Oberösterreich (2.573 Euro) und Wien (2.553 Euro) verdienen die Menschen im Schnitt etwa 200 bis 250 Euro mehr. Dass es nicht noch schlimmer ist, liegt daran, dass in Bezirken wie Amstetten (2.600 Euro), die Anschluss an den OÖ-Zentralraum haben, der Schnitt höher liegt.
Sinkende Realeinkommen, karges Weinviertel
Besonders intensiv zeigt sich das Gefälle im Weinviertel, das trotz der Nähe zu Wien vergleichsweise strukturschwach ist: Die vier Bezirke, welche vollständig in der Region liegen, sind besonders arm. Kann ein Arbeitnehmer in Korneuburg noch mit einem Einkommen von 2.201 Euro brutto rechnen, muss er im Bezirk Hollabrunn mit 1.903 Euro sein Auskommen finden. Nur in Krems-Land (1.889 Euro) im südöstlichen Waldviertel ist das Einkommensniveau noch schlechter.
Dort geht der Trend immerhin nach oben: Es ist der einzige Bezirk in Niederösterreich, in dem von 2020 auf 2021 – neuere Zahlen sind noch nicht verfügbar – das reale Einkommen um mehr als ein Prozent stieg (+ 1,08 Prozent). Zuwächse gab es sonst nur noch in Mistelbach (+ 0,53 Prozent), sowie unmerklich in Mödling (+ 0,09 Prozent) und Bruck an der Leitha (+ 0,02 Prozent). In den übrigen 16 Bezirken und allen vier Statutarstädten hatten die Menschen weniger Einkommen, um damit ihr Auskommen zu finden.
FPÖ & SPÖ mit Sozialprogramm – ÖVP ohne
Die Volkspartei blendet diese Probleme in ihrem Wahlprogramm gekonnt aus: So verweist man auf niedrige Arbeitslosenzahlen im Bundesland und einem Wirtschaftswachstum gegenüber dem Corona-Jahr 2020. Dafür rühmt man sich zeitgleich mit der absolut höchsten Zahl an E-Autos in Österreich und einem Wandel hin zum Tourismusland. Soziale Themen, die sich an Personen mit kleinen Einkommen richtet, sucht man auf 120 Seiten hingegen mit der Lupe – und weitgehend vergeblich.
Der freiheitliche Spitzenkandidat Udo Landbauer wiederum gibt regelmäßige Aussendungen zur „Abzocke“ bei Gas-, Strom- und Lebensmittelpreisen heraus; dies beträfe besonders Familien. Auch die Entlastung von Mietern und Gebührenstopps werden gefordert. Auch die SPÖ versucht mit solchen Themen zu punkten, etwa der Abschöpfung von Übergewinnen zum sozialen Ausgleich oder einem 14-seitigen „WohnPROgramm“.
Unterschiede bei kleinen Parteien
Die Grünen wiederum haben einige wenige Artikel zu den hohen EVN-Strompreisen – dafür war die News-Kategorie „Arbeit“ auf ihrer Homepage neun Tage vor der Wahl gänzlich leer. Die Konzepte der NEOS sind schwierig aufzufinden, immerhin plakatiert Spitzenkandidatin Indra Collini aber „Mehr Einkommen, besser Auskommen“ und dürfte die Forderung der Bundespartei nach mehr sozialer Treffsicherheit bei den Entlastungen damit meinen.
Nicht in allen Bezirken treten MFG und KPÖ-Plus an. Erstere erkor mit Christina Lukaschek eine frühere SPÖ-Kommunalpolitikerin zur Spitzenkandidatin, welche auch mit der MFG eine „soziale und gerechte“ Politik fahren will. Die Kommunisten wiederum beklagen zwar soziale Verschlechterungen und fordern unbürokratische Hilfe und einen Ausbau von Sozialzentren. Das scheint aber nur das Beibrot der „sozial-ökologischen Alternative zu sein“: Der Klima- und Asyl-Standpunkt deckt sich faktisch mit dem der Grünen.