Zwischen Laternen und Leitbildern – „Konservative Kommunalpolitik“ von Yannick Noe
Die AfD-Politiker Yannick Noe und Markus Wiener wollen jungen Politikern Orientierung geben. Sie liefern solide Handreichungen, aber lassen auch entscheidende Lücken. Was taugt der Polit-Ratgeber aus dem Eigenverlag?
Was braucht es für gute Politik? Fragt man den Mann, der uns heute als Urtyp des konservativen Politikers schlechthin begegnet, ergibt sich ein Bild eines eher zynischen Politikverständnisses. Otto von Bismarck formulierte die Politik als die „Lehre des Möglichen“, die Fähigkeit, das am „wenigsten Schädliche oder Zweckmäßigste“ zu tun, oder gar als Gehege, in dem der Stärkere den Schwächeren frisst – das Milieu, das er wie kein anderes auf der Welt kannte und über Jahrzehnte fast mühelos bewegte. Für den Konterrevolutionär von 1848 stünde wohl außer Frage, dass auch die kleinste Form dieses Haifischbeckens (oder in seinem metaphorischen Bild das Forellenbecken) der lokalen Verwaltung diesen Gesetzmäßigkeiten folgt.
Ratgeber für systematischen Zugang zur Materie
Es gibt jedoch auch solche Politiker, die einen anderen, transparenteren und nicht zuletzt einen optimistisch-idealistischeren Zugang zur Politik haben. Zwar (noch) keine Staatsmänner vom Kaliber Bismarcks, bringen die beiden AfD-Politiker Yannick Noe und Markus Wiener zusammen rund 40 Jahre Erfahrung in der Kommunalpolitik mit – der eine nach jahrzehntelanger Tätigkeit bei den Christdemokraten, der andere als eines der jungen, aufstrebenden Gesichter der AfD in Nordrhein-Westfalen.
Im Eigenverlag brachten sie in diesem Sommer ihren Ratgeber „Konservative Kommunalpolitik“ heraus, der sowohl Neueinsteigern als auch aktiven Kommunalpolitikern einen systematischen Zugang zur Materie ermöglichen soll. Von Abläufen und Verantwortlichkeiten über die rechtlichen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung bis hin zur Gestaltung einer eigenen Wahlkampfkampagne: Das Buch nimmt seinen Auftrag und die Politik in ihrer unmittelbarsten Ausprägung ernst, denn dort wüchsen die „Führungspersönlichkeiten, die später auch auf den großen politischen Bühnen mitreden werden“ – zweifellos auch ein Verweis auf die eigenen Ambitionen der beiden Autoren.
Wo das Buch überzeugt – und wo nicht
Die Ernsthaftigkeit des Anliegens und die Mischung aus Erfahrung und einer klaren Sicht auf das, was ist, und das, was sein soll, machen den Praxisteil des Buches zu einem durchaus lesenswerten Schulungsdokument, auch wenn die Herausstellung der Kommunalpolitik teils an provinzieller Überbetonung grenzt. Wer etwa von „fernen Parlamenten“ schreibt, in denen Politik entworfen werden würde, der stellt sich nicht als volksnaher Lokalpolitiker dar, sondern nur als weltfremder Stimm- und Zustimmungshascher.
Denn ja, letztlich geht es in der Politik, auch um „jede Parkbank [und] um jede Laterne“, aber gerade für das Lager jenseits der Bonner Resterampe und der globalen Vermassungsparteien sollte der Ordnungsrahmen die Nation und nicht die Provinz sein. Diese Unschärfe der Formulierungen trifft besonders im zweiten Kapitel des Buches einen empfindlichen Punkt. Wer „Leitbilder einer konservativen Kommunalpolitik“ entwerfen oder zumindest popularisieren möchte, der braucht Leitfiguren, Vorbilder, Denker, Literaten und nicht zuletzt einen Standpunkt in der eigenen Ideengeschichte. Ansonsten ergeben sich völlig austauschbare Phrasen wie: „[Rechts] bedeutet, mit offenen Augen und festen Werten zu handeln“ – welcher Parteigänger irgendeiner anderen politischen Strömung würde das nicht von sich behaupten? Ebenso: „Rechte Kommunalpolitik heißt nicht: repressiv sein. Sie heißt: da sein, wo andere wegsehen – und handeln, wo andere schweigen.“ - Die Liste ließe sich mühelos fortsetzen.
Verpasste Chancen bei der geistigen Fundierung
Diese inhaltliche Verflachung ist bedauerlich, denn einerseits wäre das Buch eine Möglichkeit gewesen, ganz konkrete rechte beziehungsweise konservative Politik auch weltanschaulich zu unterfüttern. Andererseits auch die Gelegenheit, das eigene Profil gegenüber den Konkurrenten in- und außerhalb der Partei zu schärfen. Es ist unklar, ob man seinen Lesern keine allzu dicken Bretter vorsetzen, sich nicht durch vermeintlich zu klare Positionierungen angreifbar machen wollte oder sich letztlich einfach nicht an diese Aufgabe herangetraut hat – es blieb ein blinder Fleck des Buches. Das ist schade und es schwächt dadurch auch die überzeugenden, praktischen Ansätze und Ideen der Autoren ab. Dabei muss festgestellt werden, dass gerade die Hinweise zur grundlegenden Gestaltung eines Kommunalwahlkampfes und der Umgang mit medialem Druck und Ausgrenzung nicht nur von einem großen Erfahrungsschatz, sondern auch von einem ungeheuren Idealismus und einem gut justierten Wertekompass zeugen.
Praxisratgeber mit Einschränkungen
Der „Ratgeber für die Praxis“ vom ehemaligen Chef des Arcadi-Magazins und seinem Mitarbeiter Markus Wiener kann und wird jungen Politikern also gute Hinweise geben können. Wie jeder gut gemeinte Ratschlag ist jedoch auch dieser mit kritischem Auge zu bewerten, und er entbindet nicht von der Pflicht, nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, auch tiefe Antworten auf die Fragen der Zeit zu suchen, sich selbst zu bilden und letztlich groß zu fühlen und zu denken. Denn Europa ist kein Kontinent der Regionen und Provinzen, er ist die Heimat der Nationen, und die Aufgabe jedes Politikers sollte es sein, das Wohl seiner Nation zu schützen und zu mehren.






