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Exklusiv: So privatisieren Großbritannien und andere Länder bei Abschiebungen

Großbritannien ist der europäische Vorreiter bei der Privatisierung von Abschiebungsdienstleistungen. Aber auch andere Länder wie Italien und Schweden binden private Akteure ein, wenn auch in begrenztem Umfang.

Analyse von
10.12.2024
/
3 Minuten Lesezeit
Exklusiv: So privatisieren Großbritannien und andere Länder bei Abschiebungen

Großbritannien nimmt unter den Ländern, die ihre Abschiebungen bereits privatisieren, eine Vorreiterrolle ein.

© Foto von Jose Antonio Jiménez Macías auf Unsplash

In vielen europäischen Ländern gewinnt die Rolle privater Unternehmen bei der Durchführung von Abschiebungen zunehmend an Bedeutung. Besonders weit fortgeschritten ist dieser Prozess in Großbritannien, aber auch in Italien und Schweden spielen private Akteure eine unterstützende Rolle, wie aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages hervorgeht, der FREILICH exklusiv vorliegt. Der Einsatz privater Dienstleister variiert von Land zu Land, wobei es in allen Fällen gesetzliche Rahmenbedingungen und Kontrollmechanismen gibt.

Italien: Private Akteure in unterstützender Funktion

In Italien obliegt die Abschiebung in erster Linie der Grenzpolizei, die für die Abschiebung an der Grenze und die Ausweisung von Personen zuständig ist. In anderen Fällen wird der Polizeipräsident mit Unterstützung der öffentlichen Sicherheitskräfte tätig. Personen, die nicht freiwillig ausreisen, werden von Sicherheitskräften zur Grenze begleitet oder in speziellen Rückführungszentren (CPR) untergebracht, die unter staatlicher Aufsicht stehen.

Private Akteure sind in Italien vor allem für unterstützende Tätigkeiten zuständig. Sie verwalten die CPR und können private Fluggesellschaften für die Durchführung von Rückführungen einsetzen. Zur Bewachung öffentlicher Einrichtungen sind auch private Sicherheitsunternehmen zugelassen. Diese privaten Anbieter erhalten ihre Aufträge über öffentliche Ausschreibungen und unterstehen der Aufsicht des Innenministeriums und der Präfekturen. Die Kontrolle dieser Aufgaben obliegt letztlich den staatlichen Behörden.

Schweden: Privatisierung stößt auf Widerstand

In Schweden sind vor allem die Migrationsbehörde, die Polizei sowie der Gefängnis- und Bewährungsdienst für die Durchführung von Abschiebungen zuständig. Auch hier gibt es den Einsatz privater Akteure, der jedoch stark reglementiert ist. Sicherheitsunternehmen dürfen zur Überwachung der Abschiebehaft oder zum Transport der abzuschiebenden Personen eingesetzt werden, allerdings nur in engen Grenzen.

Im Jahr 2016 wurde ein Vorschlag diskutiert, die Transportaufgaben im Bereich der Abschiebung vollständig privaten Anbietern zu übertragen. Dieser Vorschlag stieß jedoch auf erhebliche rechtliche Bedenken, da die Ausübung öffentlicher Gewalt durch private Unternehmen als problematisch angesehen wurde. In einer aktuellen Studie wurde der Vorschlag erneut aufgegriffen, eine Rechtsgrundlage für eine vollständige Privatisierung fehlt jedoch nach wie vor.

Großbritannien ist Vorreiter

Das Vereinigte Königreich ist bei der Privatisierung von Abschiebungsdienstleistungen am weitesten gegangen. Hier sind private Akteure in mehreren Bereichen tätig: Sie sind für die Verwaltung von Fällen ohne Inhaftierung zuständig, bieten Transportdienste innerhalb des Landes an, betreiben Abschiebezentren und stellen Begleitdienste für Rückführungen zur Verfügung. Darüber hinaus können sie auch für die Gesundheitsversorgung in den Abschiebezentren zuständig sein.

Die britische Regierung setzt private Unternehmen nicht nur für Verwaltungsaufgaben ein, sondern auch für sicherheitsrelevante Tätigkeiten. So sind private Dienstleister beispielsweise befugt, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in Abschiebezentren Gewalt anzuwenden – im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Für den Betrieb von Abschiebezentren und die Bereitstellung von Begleitdiensten gibt es klare gesetzliche Regelungen, die den Rahmen für den Einsatz privater Akteure abstecken.

Darüber hinaus sind Beförderungsunternehmen gesetzlich verpflichtet, bei Abschiebungen mitzuwirken und können verpflichtet werden, sich bei der Durchführung von Rückführungen von privaten Akteuren unterstützen zu lassen. Diese umfassende Einbindung privater Akteure in den Abschiebeprozess ist ein anschauliches Beispiel für die Privatisierung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Migration.

Auch AfD will Abschiebeindustrie privatisieren

Die Forderung nach verstärkter Abschiebung von Ausländern, insbesondere von straffälligen Ausländern, hat auch in Deutschland die Debatte um die Privatisierung von Abschiebungen angeheizt. Zuletzt machte vor allem die AfD-Abgeordnete Lena Kotré mit der Forderung nach einer privaten Abschiebeindustrie auf sich aufmerksam. Die AfD Brandenburg plane sogar eine „Remigrations-Messe“ für künftige Abschiebeunternehmen, teilte sie im November auf X mit.

Erst kürzlich hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten, das FREILICH vorliegt, die verfassungsrechtlichen Aspekte und bestehenden Grenzen der Privatisierung untersucht. Dabei zeigt sich, dass eine Privatisierung im Zusammenhang mit Abschiebungen in Deutschland teilweise bereits praktiziert wird, jedoch an strenge Voraussetzungen gebunden ist. Die Forderung der AfD, bei der Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber künftig verstärkt private Unternehmen einzusetzen, ist jedoch verfassungsrechtlich möglich (FREILICH berichtete).

Möglichkeiten nie wirklich diskutiert

Der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer erklärte gegenüber FREILICH, dass die Notwendigkeit der Beteiligung privater Unternehmen bei Abschiebungen gegeben sei und dieses Potenzial auch in Deutschland erkannt werden müsse. Gleichzeitig kritisierte er, dass die Möglichkeiten nie wirklich diskutiert worden seien. „Wir haben uns durch den Wissenschaftlichen Dienst eine erste Einschätzung geben lassen, ob die Integration von privatwirtschaftlichen Akteuren im Rahmen gesetzeskonformer Abschiebungen möglich ist. Die Antwort bestätigt dies in einer Grundsätzlichkeit.“ Letztlich hänge dies aber von den entscheidenden Behörden auf Landes- und Bundesebene ab, so Springer.

Ob es dabei zu Konflikten mit dem Grundgesetz komme, habe das erste Gutachten nicht abschließend klären können. „Man müsste diese Option also aktiv ins Spiel bringen und prüfen lassen“, erklärte er. Grundsätzlich sei er aber der Meinung, wenn Großbritannien auch Private für Abschiebungen einsetze, warum dann nicht auch Deutschland?

Über den Autor

Monika Šimić

Monika Šimić wurde 1992 in Zenica (Bosnien und Herzegowina) geboren. Die gebürtige Kroatin wuchs in Kärnten auf und studierte Übersetzen mit der Sprachkombination Russisch und Englisch in Graz.

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