Studie: Sanktionen zeigen kaum Wirkung auf Russlands Kriegsführung

Der Sanktionsmonitor als Forschungsprojekt zielt darauf ab, ein möglichst realistisches Bild davon zu zeichnen, wie die Sanktionen gegen Russland wirken, und so genau wie möglich zu analysieren, wie sich die russische Wirtschaft entwickelt hat. Dabei zeigt sich, dass die Sanktionen kaum Einfluss auf die Kriegsfähigkeit des Landes haben.

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Studie: Sanktionen zeigen kaum Wirkung auf Russlands Kriegsführung

Der russische Präsident Wladimir Putin gemeinsam mit dem Armeegenera Waleri Gerassimow bei einem Treffen in Moskau.

© IMAGO / ZUMA Wire

Wien. – Ein Forschungsprojekt von Instituten in Kiel, München und Wien im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt, dass die Sanktionen gegen Russland bislang nur geringe Auswirkungen auf die Kriegsführung des Landes haben. Vasily Astrov, Experte des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), erklärt, dass die russische Wirtschaft derzeit aufgrund eines Rüstungsbooms stark wachse, die Sanktionen aber langfristig wie ein schleichendes Gift wirken könnten.

Umfassende Daten zu den Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft finden sich in einer neuen Datenbank, die öffentlich zugänglich ist. Das Online-Dashboard enthält zahlreiche Indikatoren, die den Zeitraum von 2021 bis April 2024 abdecken und als interaktive Infografiken aufbereitet sind. Ziel der Datenbank sei es laut den Forschern, ein realistisches Bild der Auswirkungen der Sanktionen zu zeichnen und die wirtschaftliche Entwicklung Russlands genau zu analysieren.

Wirtschaft im Aufwärtstrend

Ein Beispiel ist die Betrachtung des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die jüngsten Daten zur Entwicklung des BIP zeigen eine interessante Dynamik der Wirtschaftsleistung ab dem Jahr 2021. Die tatsächliche Entwicklung des BIP wurde mit einem kontrafaktischen Szenario ohne Sanktion verglichen. Zu Beginn des Jahres 2022 erreicht das BIP im ersten Quartal einen deutlichen Anstieg, bevor es im zweiten Quartal einbricht. Auffällig ist, dass die tatsächliche BIP-Entwicklung im Vergleich zum kontrafaktischen Szenario niedriger ausfällt, insbesondere im zweiten Quartal 2022, in dem die tatsächliche Entwicklung bei 91,6 und die kontrafaktische bei 97,2 liegt.

Im weiteren Verlauf des Jahres 2022 und zu Beginn des Jahres 2023 nähern sich die realen BIP-Werte wieder dem kontrafaktischen Szenario an, mit Schwankungen um den Basiswert von 100. Im vierten Quartal 2023 war erneut ein deutlicher Anstieg des realen BIP zu beobachten, was darauf hindeutet, dass die Wirtschaftstätigkeit zu diesem Zeitpunkt wieder aufwärts gerichtet war.

Auch die Wirtschaftsdaten der russischen Zentralbank zeigen eine deutliche Volatilität der Inflationsrate und des Leitzinses seit Anfang 2021. Zu Beginn des Jahres 2021 bewegten sich sowohl die Inflationsrate als auch der Leitzins auf einem moderaten Niveau. Ab Mitte 2021 begann die Inflationsrate allmählich zu steigen, was die Zentralbank dazu veranlasste, auch den Leitzins anzuheben. Im Jahr 2022 erreichte die Inflationsrate mit knapp 20 Prozent ihren Höhepunkt, während der Leitzins kurzzeitig auf 16 Prozent anstieg.

Im weiteren Verlauf des Jahres 2022 und im Jahr 2023 sank die Inflationsrate wieder und erreichte im Januar 2023 einen Tiefstand von rund vier Prozent. Gleichzeitig senkte die Zentralbank den Leitzins schrittweise auf rund 7,4 Prozent.

Steigende Einnahmen durch Öl

Seit Ende 2023 ist ein erneuter Anstieg sowohl der Inflationsrate als auch des Leitzinses zu beobachten. Bis Januar 2024 stieg die Inflationsrate auf 16 Prozent, während der Leitzins auf 7,4 Prozent angehoben wurde. Diese Entwicklungen verdeutlichen die Reaktion der Zentralbank auf die wirtschaftlichen Herausforderungen, um die Inflation unter Kontrolle zu halten und die Stabilität der Währung zu gewährleisten.

Zu Beginn des Jahres 2021 lagen die monatlichen Ausgaben konstant zwischen 20 und 40 Milliarden US-Dollar. Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft sowie aus anderen Quellen waren relativ stabil und vergleichbar. Im Laufe des Jahres 2022 stiegen die Ausgaben deutlich an, insbesondere im Januar und Mai, als sie Spitzenwerte von über 60 Milliarden US-Dollar erreichten. Gleichzeitig waren die Einnahmen aus Öl und Gas volatil, wiesen aber insgesamt einen Aufwärtstrend auf.

Ein auffälliger Anstieg der Ausgaben ist im Januar 2023 zu verzeichnen, als die Ausgaben auf über 100 Milliarden US-Dollar anstiegen. Dies war der höchste Wert im betrachteten Zeitraum. Die Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen stiegen in dieser Phase ebenfalls an, blieben aber hinter dem Anstieg der Ausgaben zurück. Im weiteren Verlauf des Jahres 2023 bis März 2024 stabilisierten sich die Ausgaben wieder, blieben aber auf einem hohen Niveau zwischen 40 und 60 Milliarden US-Dollar. Die Einnahmen aus anderen Quellen als Öl blieben relativ konstant, während die Einnahmen aus Öl und Gas weiterhin Schwankungen unterlagen.

Sanktionen haben wenig Einfluss

„Die Wirtschaft des Landes wächst angesichts des Rüstungsbooms momentan kräftig, allerdings wirken die Sanktionen langfristig wie ein schleichendes Gift“, fasst Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw die Studienergebnisse zusammen.

Das Projekt wurde vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in Zusammenarbeit mit dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), dem Münchner ifo-Institut und dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) durchgeführt. Die Studie wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Berlin finanziert und hatte eine Laufzeit von Februar 2023 bis April 2024.