Kay Gottschalk zur Finanzpolitik (AfD): „Wir brauchen Deregulierung auf allen Ebenen“
Im Gespräch mit FREILICH spricht Kay Gottschalk, AfD-Bundestagsabgeordneter und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion, über den kürzlich von der Ampelregierung verabschiedeten Bundeshaushalt, die Schuldenbremse, Deregulierung und Kernpunkte der AfD-Finanzpolitik.
FREILICH: Herr Gottschalk, wie beurteilen Sie grundsätzlich den Bundeshaushalt 2024, den der Bundestag am vergangenen Freitag beschlossen hat?
Kay Gottschalk: Desaströse Flickschusterei aufgrund eines verfassungswidrigen Haushalts, welcher nun zu Lasten des deutschen Mittelstands, der Bevölkerung unseres Landes und der Infrastruktur Deutschlands geht. Ich habe die zweite Rede zum Einzelplan 08 (BMF) und 20 (Bundesrechnungshof) für die AfD-Bundestagsfraktion gehalten und wiederhole es hier gerne nochmals: diese Regierung ist in höchstem Maße unfähig. Meine Fraktion hat mehrere Änderungsanträge vorgelegt mit denen man nicht nur 100 Milliarden Euro einsparen hätte können. Die Umsetzung unserer Vorschläge hätten profund zu einen verfassungskonformen Haushalt beitragen können. Viel mehr als diese deutschlandhassenden Geldverschwender der Ampelregierung es jemals vorlegen könnten und würden!
Hier ein paar Beispiele für unnötige Verschwendung von Steuergeld: Fahrradwege in Peru, Bürgergelderhöhung, welche gleichzeitig als Magnet für illegale Migration wirkt und entsprechende Folgekosten auslösen dürfte. Entwicklungshilfe für China und Indien erscheinen da fast wie Bagatellen, sind jedoch trotzdem grotesk. Beide Länder sind Atommächte, China strebt sogar eine eigene Mondlandung an, um von dort aus zum Mars zu fliegen. Und von den exorbitanten finanziellen Unsummen an die Ukraine will ich gar nicht erst anfangen. Überall ins Ausland wird das Geld verteilt, regelrecht zum Fenster rausgeworfen, oder es werden Staatsapparate in Form von Ministerien aufgebläht, um Freunde und eigene Strukturen finanziell großzügig zu versorgen. Für die eigene Bevölkerung oder die Infrastruktur unseres Landes: Bahn, Wasserstraßen, Stromnetz, schnelles Internet, Autobahn – Fehlanzeige! Bleibt nichts übrig.
Die Schuldenbremse wird eingehalten. Ein Versprechen, das die Regierung angesichts der Peinlichkeiten der letzten Haushaltsberatungen halten kann? Oder sogar muss?
Ja, muss sie. Doch während die Ampelregierung für den Haushalt 2023 nachträglich, schon alleine dies ist grotesk, eine „außergewöhnliche Notsituation“ ausrief, um formal den Bruch der Schuldenbremsen zu kaschieren, ist sie beim Haushalt 2024 bemüht, die Peinlichkeit dieser offensichtlichen Umgehung der Schuldenbremse nicht zu wiederholen. Stattdessen suggeriert Bundesfinanzminister Lindner, die Schuldenbremse einzuhalten, obwohl er das Urteil aus Karlsruhe auch mit dem Haushalt 2024 einfach nicht vollständig umsetzt, also weiter mit gezinkten Karten spielt. Die Schuldenaufnahme in den Sondervermögen und die Entnahme aus der sogenannten allgemeinen Haushaltsrücklage werden von der Ampelregierung einfach nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Rechnet man die Schuldenaufnahmen der Schattenhaushalte, also insbesondere des Klima- und Transformationsfonds sowie des Sondervermögens Bundeswehr hinzu, kommt man auf eine Neuverschuldung von 97 Milliarden Euro statt der offiziellen 39 Milliarden Euro. Damit wäre die Schuldenbremse gerissen.
Der Fall ist eigentlich klar. Doch die Unionsfraktion unter Friedrich Merz weigert sich trotz großer Worte über die Wichtigkeit der Schuldenbremse an den Erfolg der ersten Klage anzuschließen und weiter rechtlich vorzugehen. Noch hat die AfD leider keine 25 Prozent im Bundestag, um eine Normenkontrollklage ohne Unterstützung der Union anstrengen zu können. Die Falschspieler von der Union lehnten unseren Antrag auf Normenkontrollklage daher einfach ab, um das missliebige Thema der Verfassungswidrigkeit des Haushaltes „abzuräumen“. Abschließend: Die Schuldenbremse wurde aus gutem Grund nach den verheerenden Erfahrungen mit der Lehman-Pleite und nach den kriminellen Haushaltsmanipulationen in Griechenland, Spanien, Frankreich und Italien ins Grundgesetz aufgenommen.
Das aktuelle Zauberinstrument der Regierung ist das „Sondervermögen“ – Wirtschaftsminister Habeck zum Beispiel will damit jetzt „die Wirtschaft ankurbeln“. Verabschiedet sich Deutschland angesichts solcher Schattenhaushalte – nichts anderes nennen Experten die Sondervermögen – immer weiter von einer seriösen Finanz- und Haushaltspolitik?
Ja. Die Einhaltung der Schuldenregeln ist im Übrigen kein Selbstzweck, sondern soll die zukünftige staatliche Handlungsfähigkeit und damit die elementaren Grundlagen demokratischer Handlungs‐ und Entscheidungsprozesse sicherstellen, wie auch der Bundesrechnungshof dankenswerterweise immer wieder hervorhebt. Steigende Zinsbelastungen aufgrund der Zinswende, massiv ansteigende Abführungen an die EU, unter anderem für die Tilgung der EU-Kredite, die für den sogenannten Coronawiederaufbaufond aufgenommen wurden, und ausgefallener britischer EU-Beiträge, sprich zur Kompensation des Brexits; massiv ansteigende Ausgaben für Renten und Pensionen, aufgrund des zunehmenden Ausscheidens der Babyboomer aus dem Arbeitsleben; die Wiederherstellung der Wehrfähigkeit der Bundeswehr, usw. werden den Bundeshaushalt bei gleichzeitiger Stagnation, wenn nicht gar Rezession, der Wirtschaft absehbar schwer belasten.
Die über viele Jahre herbeigeführte Haushaltskrise bietet nun den überfälligen Anlass zum Umdenken. Die sogenannte sozial-ökologische Marktwirtschaft ist gescheitert. Die meisten der dafür veranschlagten Maßnahmen können gestrichen werden. Es bedarf nun einer Prioritätensetzung im Rahmen einer ordnungspolitischen Neuausrichtung und der Hebung von Effizienzpotenzialen, um ausgeglichene und langfristig tragfähige Haushalte herbeiführen zu können. Vor diesem Hintergrund gilt es – wie auch vom Bundesrechnungshof gefordert – die Grundbedingungen zur Sicherung nachhaltiger Staatsfinanzen zu schaffen und die jährlichen Haushalte so aufzustellen, dass die langfristigen fiskalischen Wirkungen von politischen Maßnahmen transparent werden und in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden können. An einem entsprechenden Antrag arbeite ich gerade.
Auf der einen Seite will die Regierung um Wirtschafts- und Finanzminister Habeck beziehungsweise Lindner finanz- und haushaltspolitische Schranken umgehen, sich also nicht an Regeln halten, auf der anderen Seite soll der Bürger immer weiter gegängelt werden. Steuererhöhungen, Einführung neuer Steuern und jetzt möglicherweise eine Bargeldobergrenze auf Drängen der EU. Kann man mittlerweile davon sprechen, dass „die da oben“ sich alles erlauben und grenzenlos agieren, während der normale Bürger immer mehr eingeschränkt und belastet wird?
Da liegt ja das Problem: grün-ideologische Fantastereien zerschellen auf dem harten wirtschaftlichen Boden der Realität. Da helfen auch keine Finanzierungsumverteilungsmaßnahmen aus dem Hause Lindner. Da passt nichts zusammen und funktioniert auch nichts. Doch ja, ich glaube, dass dies lediglich der Anfang war, der Tragödie erster Teil sozusagen. Diese Regierung wird sich bis zum bitteren Ende dieser Legislaturperiode auf dem Regierungssessel festkrallen, vielleicht sogar -kleben und im Amt halten. Dementsprechend darf man gespannt bleiben, welche weiteren Ideen zur Schröpfung der Bürger und des Mittelstands auf uns zukommen. Die Schritte hin zur Abschaffung des Bargeldes und der Vorbereitung von Vermögensabgaben beziehungsweise von „Lastenausgleichen“, sprich Enteignungen, sind bereits sichtbar. Von der durch diese Regierung losgetretenen Lawine der rasant fortschreitenden Deindustrialisierung unseres Landes ganz zu schweigen.
Was braucht Deutschland aus finanzpolitischer Sicht mehr? Deregulierung oder Regulierung?
Für die AfD-Fraktion ist die Antwort so einfach wie klar. Wir brauchen eine Deregulierung auf allen Ebenen. Das heißt, der Staat muss sich aus den Angelegenheiten der Bürger heraushalten. Der Markt lebt vom Wettbewerb und nur so entsteht letztlich Wohlstand. Dazu muss gerade Deutschland als zweitgrößtes Steuer- und Abgabenland der Welt seine Steuern und Abgaben senken, um wieder attraktiver für Unternehmen, deren Standorte und potenzielle Arbeitnehmer zu werden. Darüber hinaus muss ein enormer Bürokratieabbau auf vielen Ebenen stattfinden, um nur ein Beispiel von vielen bei den staatlichen Verwaltungsstrukturen zu nennen, nicht nur bei den Steuern selbst, denn meist stehen die erzielten Einnahmen in einem ungünstigen Verhältnis zum Verwaltungsaufwand bzw. zu den Bürokratiekosten für die Steuerzahler. Näheres dazu finden Sie in unseren finanzpolitischen Leitlinien. Abschließend möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir nie vergessen dürfen, dass es die Überregulierung war, die uns in diese missliche Lage gebracht hat. Mehr davon kann nicht die Antwort auf die finanzpolitischen Fragen unserer Zeit sein.
Die AfD spricht oft davon, eine „verantwortungsvolle Finanzpolitik“ machen zu wollen. Was ist damit gemeint? Bitte in einem Satz erklären.
Verantwortungsvolle Finanzpolitik bedeutet, in der Finanzpolitik nicht nur die Interessen der gegenwärtigen, sondern auch der zukünftigen Generationen zu berücksichtigen und sich entsprechend von der Vision der Erhaltung beziehungsweise Erschaffung eines tragfähigen, also langfristig stabilen Wirtschafts- und Währungssystems leiten zu lassen, um die ökonomischen Grundbedingungen für das Gedeihen unserer Nation in Gegenwart und Zukunft insgesamt zu sichern.
Nennen Sie bitte drei Kernpunkte der AfD-Finanzpolitik und warum man nicht auf sie verzichten kann.
Wir treten für ein einfacheres und gerechteres Steuersystem ein, das mit niedrigen Steuern vor allem Mittel- und Geringverdiener finanziell entlastet, zu diesem Zweck bedarf es einer zielgerichteten Reform des Steuerrechts. Wir wollen wertstabiles Geld, sodass die Bürger nicht schleichend durch Inflation enteignet werden. Wir wollen eine nachhaltig florierende und leistungsstarke Wirtschaft, sodass der bestehende Wohlstand erhalten bleibt und weiter vermehrt werden kann. Zu diesem Zweck bedarf es wirtschaftlicher Entfaltungsmöglichkeit, Leistungsgerechtigkeit und einer stabilen Währung. Sollte dies in den bestehenden Strukturen der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion nicht möglich sein, würden wir auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen und zum Beispiel entsprechend gegebenenfalls zur D-Mark zurückkehren oder das Eurosystem reformieren.
Wir sind nicht bereit, eine Transfer-, Schulden- und Inflationsunion hinzunehmen, nur um das politische Projekt Euro zu retten. Bargeld ist gedruckte Freiheit. Wir lehnen daher die Abschaffung des Bargeldes und die Schaffung des gläsernen Bürgers beispielsweise über die verpflichtende Verwendung digitaler Zahlungsmittel und digitaler Identitäten ab. Das System hat den Interessen der Menschen zu dienen, nicht umgekehrt. Eine Aushöhlung demokratischer Freiheitsrechte durch die Installierung einer digitalen Tyrannei, die im Zuge dystopischer transhumanistischer Weltvorstellungen leider nicht ganz abwegig ist, wird es mit uns nicht geben.
Gibt es finanzpolitische Vorbilder für die AfD, zum Beispiel Finanzpolitiker anderer Staaten oder die Ideen einiger Vordenker oder früherer Finanzpolitiker?
Ich persönlich bekenne mich als Anhänger von Helmut Schmidt und vertrete auch persönlich die Devise, dass es immer fair zugehen muss. Denn ich bin ein Freund der Marktwirtschaft, aber sie braucht Leitplanken und Grenzpfähle. Denn einen Raubtierkapitalismus will im Grunde niemand Der Steuerrechtsprofessor und ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof ist für mich ein Vorbild, wenn es um ein groß ausgelegtes und gut ausformuliertes und durchgerechnetes Steuerreformkonzept geht. Staaten wie die Schweiz, Schweden, Dänemark oder die Niederlande geben immer wieder gute finanz- und steuerpolitische Vorbilder ab, die es wert sind, aufgegriffen zu werden.
Kann Deutschland überhaupt noch finanzpolitisch souverän und durchgreifend agieren? Manche Experten sprechen davon, dass die Inflation im Euroraum vor allem durch die EZB provoziert worden sein soll. Sind da nationalen Akteuren die Hände gebunden?
Nein, im gegenwärtigen Regime der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion können wir finanzpolitisch nicht souverän agieren. Nicht unbedingt, weil die Regeln alle falsch aufgestellt sind, sondern weil sich insbesondere die Eurosüdländer und Frankreich nicht an die gemeinsamen Regeln halten. Vor dem Hintergrund der Fehlkonstruktion des Euros, der Einführung einer Einheitswährung in einem inhomogenen Währungsraum, haben der vorsätzliche Bruch der Stabilitätskriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch die Rot-Grün-Regierungen unter Gerhard Schröder in den 2000er-Jahren und dessen Folgen für die Haushaltsdisziplin Frankreichs und der Eurosüdländer zu großer ökonomischer und politischer Instabilität geführt. Unter anderem Bundesfinanzminister Christian Lindner gesteht dies (implizit) auch ein, da er für den Erhalt des Euros die Einführung einer Transferunion, sprich die Umverteilung von Finanzmitteln zwischen den EU-Mitglieds- beziehungsweise Euroländern via Bankenunion, Eurorettungsschirm und EU-Schulden, für notwendig erachtet.
Auch wenn ich mich wiederhole, aber Preisstabilität und – in Krisenzeiten bis zu Einem gewissen Grade notwendige – expansive Fiskalpolitik sind nur bei tragfähigen Staatshaushalten möglich. Die Tragfähigkeit ist jedoch bei vielen Euroländern in Gefahr oder faktisch bereits nicht mehr gegeben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von sogenannter lediglich noch „geborgter fiskalischer Nachhaltigkeit“.
Um es zusammenzufassen: Die jahrelangen rechtswidrigen Verstöße gegen die Stabilitätsregeln haben anstatt zu Kohäsion zu verstärkten makroökonomischen Ungleichgewichten innerhalb der Eurozone geführt. Im Ergebnis brach ab 2007 der Teufelskreislauf aus Banken-, Staatsschulden- und Eurokrise aus und die EZB ging faktisch zur offenen monetären Staatsfinanzierung durch Staatsanleiheankäufe und Niedrigzinspolitik über, sodass sie sich nun im Zustand „fiskalischer Dominanz“ befindet, also die Preisniveaustabilität nicht mehr unabhängig von den Befindlichkeiten der Staatsfinanzierung steuern kann.
Die europäischen Fiskalregeln beziehungsweise die Stabilitätskriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts sollen demnach gemäß dem Beschluss des ECOFIN-Rates vom 8. Dezember 2023 weiter ausgehöhlt werden, damit insbesondere Frankreich und Italien auch in den kommenden Jahren sanktionslos hoch defizitäre Haushalte vorlegen können, um über die Runden zu kommen. Damit werden die nächsten Schleusen für eine europäische Fiskal- und Schuldenunion geöffnet. Deshalb gilt es jetzt, die aktuellen Vorstöße zur Bildung eines EU-Bundesstaates, der durch europäische Fiskalkapazitäten, eigene EU-Steuern etc. entstehen würde, zu verhindern und mit den anderen patriotischen Parteien in Europa zu überlegen, wie man gemeinsam eine tragfähige und friedliche Lösung dieses mittlerweile über Jahrzehnte gewachsenen Problems angehen kann.
Herr Gottschalk, danke für Ihre Antworten!
Zur Person:
Kay Gottschalk ist Politiker und sitzt seit 2017 für die AfD im Bundestag. Der Diplom-Kaufmann ist seit 2021 finanzpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.