Expertin hält Verbot islamistischer Vereine für falsch und fordert Anti-Rassismus-Projekte
Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hat Mitte Juni den Verein „Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft" (DMG) verboten. Die DMG gilt laut Innenministerium als Anlaufstelle für Islamisten. Eine Islamwissenschaftlerin warnt nun vor möglichen Folgen des Verbots.
Braunschweig. – Die DMG-Moschee in Braunschweig, ein Zentrum der islamistischen Szene, wurde kürzlich vom niedersächsischen Innenministerium verboten (FREILICH berichtete). Die Islamwissenschaftlerin Julia Nohn sieht das Verbot in einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung kritisch und warnt vor möglichen negativen Folgen.
„Das Verbot kam für niemanden überraschend, der sich mit der Thematik auskennt“, sagt Julia Nohn, Islamwissenschaftlerin und interkulturelle Trainerin aus dem Raum Braunschweig. „Die DMG taucht seit Jahren in Verfassungsschutzberichten auf.“ Aus polizeilicher Sicht sei das Verbot ein großer Erfolg, so Nohn. Es sei das Ergebnis eines langen Prozesses von Ermittlungen, Analysen und der Einbeziehung islamwissenschaftlicher Expertise.
„Verbot kann Radikalisierungstendenzen verschärfen“
Nohn betonte jedoch, dass ein Verbot allein nicht ausreiche. „Die radikalen Kräfte bekommen auf diese Weise ihre Bestätigung für das, wovor sie ihre Anhänger immer gewarnt haben“, warnt sie. Das Verbot könne Radikalisierungstendenzen sogar noch verstärken. „Schon jetzt finden sich neue Inhalte von anderen islamistischen Akteuren und Netzwerken online, die das DMG-Verbot ausschlachten und für eigene Zwecke nutzen.“
Ein weiteres Problem sei die Verbreitung eines extremen Schwarz-Weiß-Bildes durch die Prediger der DMG. „Sie fördern bewusst Desintegrationstendenzen und propagieren ein Opfer-Narrativ, das die Angst vor Diskriminierung und Ausgrenzung schürt“, erklärt Nohn. Diese Strategie sei besonders wirksam, weil muslimische Jugendliche im Alltag tatsächlich mit Diskriminierung und Vorurteilen zu kämpfen hätten.
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Nohn fordert eine Neuorientierung in der Radikalisierungsprävention und ein entschiedenes Vorgehen gegen antimuslimischen Rassismus und Diskriminierung. „Nur so können wir den radikalen Kräften ihren Brennstoff nehmen“, sagt sie. Außerdem betont sie die Bedeutung des Dialogs und des Perspektivenwechsels: „Unterschiedliche Weltanschauungen müssen wir in einer pluralistischen Gesellschaft aushalten können.“
„Islamische Verbände fühlen sich diskriminiert“
Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Einbeziehung der Schulen. „Mit diesen Jugendlichen sollten wir in den Dialog treten, ihnen klare Grenzen aufzeigen, aber auch Perspektivwechsel zulassen. Diese jungen Menschen können wir am besten über Schulen erreichen, da in Deutschland Schulpflicht herrscht“, so Nohn.
Die Islamwissenschaftlerin kritisiert auch die Forderungen, dass sich islamische Verbände ständig für das Fehlverhalten vermeintlicher Glaubensbrüder rechtfertigen müssten. „Dieser gefühlte Zwang wird von Muslimen in Deutschland als diskriminierend empfunden“, erklärt sie. Hier sei ein ernsthafter Perspektivenwechsel nötig.
Julia Nohn arbeitet als interkulturelle Trainerin und Konfliktberaterin im Raum Braunschweig. In ihren Seminaren zur interkulturellen Konfliktlösung ist das DMG immer wieder Thema. „In so ziemlich jedem Klassenzimmer in unserer Region dürften Schüler sitzen, die die DMG kennen und sich teilweise stark von den Inhalten der Online-Videos beeinflussen lassen“, sagt sie abschließend.