Kiel: Schwarz-grüne Asylbeauftragte rät Afghanen wegen EuGH-Urteil zu neuen Anträgen
Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich entschieden, dass Frauen in Afghanistan systematisch verfolgt werden. Frauen mit nationalem Abschiebungsverbot oder subsidiärem Schutz in Deutschland wird nun empfohlen, Asylfolgeanträge zu stellen, um die Flüchtlingseigenschaft und damit weitere Vorteile zu erhalten.
Kiel. – In einem wegweisenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Anfang Oktober entschieden, dass Frauen in Afghanistan aufgrund ihres Geschlechts systematisch verfolgt werden (FREILICH berichtete). Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Asylpraxis in Europa, denn es signalisiert einen grundlegenden Wandel in der Schutzgewährung für afghanische Frauen. Die Zahl der Frauen in Afghanistan wird auf über 20 Millionen geschätzt.
Empfehlungen für Frauen mit Aufenthaltserlaubnis
In einer „Handreichung für die Beratungspraxis“ der Landesbeauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen in Schleswig-Holstein, Doris Kratz-Hinrichsen, wird in Bezug auf das EuGH-Urteil in Deutschland lebenden Frauen und Mädchen mit nationalem Abschiebungsverbot oder subsidiärem Schutz empfohlen, einen Asylfolgeantrag nach § 71 AsylG zu stellen. Kratz-Hinrichsen, die bereits seit rund 30 Jahren in der Migrationsarbeit tätig ist, wurde im vergangenen Jahr von der schwarz-grünen Regierung vorgeschlagen.
Wie dem Leitfaden zu entnehmen ist, würden die Betroffenen im Falle eines erfolgreichen Folgeverfahrens die Flüchtlingseigenschaft und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative AufenthG erhalten. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass auch afghanische Frauen mit anderen Aufenthaltstiteln einen Asyl- oder Folgeantrag in Betracht ziehen können. Sollte nach dem Urteil des EuGH die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, können Ehegatten, Kinder oder Eltern auch einen Antrag auf Familienasyl nach § 26 AsylG stellen.
Vorteile der Flüchtlingseigenschaft
Für die Beteiligten ergäben sich daraus mehrere Vorteile. Im Leitfaden werden einige davon aufgezählt. So bietet die Flüchtlingseigenschaft gegenüber dem subsidiären Schutz und dem Abschiebungsverbot verschiedene Vorteile. Personen mit Flüchtlingsstatus haben Anspruch auf einen Flüchtlingspass, der auch dann ausgestellt werden kann, wenn Zweifel an der Identität bestehen. Die aufwändige Beschaffung von Identitätsnachweisen in Afghanistan entfällt.
Der aufenthaltsrechtliche Integrationsweg wird durch den Flüchtlingsstatus erheblich erleichtert. Bei sehr guter sprachlicher und beruflicher Integration kann bereits nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Eine Einbürgerung ist direkt aus dem Flüchtlingsstatus heraus möglich, während ein Abschiebungsverbot den Umweg über die Niederlassungserlaubnis erfordert. Der Familiennachzug ist an geringe rechtliche Voraussetzungen geknüpft, während der subsidiäre Schutz kontingentiert ist. Die Flüchtlingseigenschaft eröffnet zudem die Möglichkeit, eine Blaue Karte EU zu erhalten, die zur Freizügigkeit innerhalb der EU berechtigt und einen Anspruch auf Elternnachzug für Fachkräfte eröffnet.