Kolumne: „Durchsuchungen bei Identitären sind demokratiepolitischer Skandal“

Die am vergangenen Freitag durchgeführten Hausdurchsuchungen bei führenden Mitgliedern sowie in den Büros der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) stellen den Höhepunkt einer äußerst bedenklichen Entwicklung dar. Der Versuch der Kriminalisierung einer patriotischen Protestbewegung ist sowohl aus rechtsstaatlicher als auch aus demokratiepolitscher Sicht äußerst kritisch zu sehen.
Kommentar von
3.5.2018
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4 Minuten Lesezeit
Kolumne: „Durchsuchungen bei Identitären sind demokratiepolitischer Skandal“

Das Lambda der Lakedaimonier als Zeichen der Verteidigung Europas dient der Identitären Bewegung als markantes Emblem. Bild (Fahnen mit Lambda): Identitäre Bewegung Österreich / Facebook

Die am vergangenen Freitag durchgeführten Hausdurchsuchungen bei führenden Mitgliedern sowie in den Büros der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) stellen den Höhepunkt einer äußerst bedenklichen Entwicklung dar. Der Versuch der Kriminalisierung einer patriotischen Protestbewegung ist sowohl aus rechtsstaatlicher als auch aus demokratiepolitscher Sicht äußerst kritisch zu sehen.

Ein Kommentar von Peter Reuthofer

Die Aktivisten der Identitären Bewegung Österreich sind regelmäßig Angriffen durch Linksextremisten ausgesetzt. So steckten etwa Unbekannte das Auto von Co-Leiter der IBÖ Martin Sellner im Dezember 2017 in Brand. Erst vergangene Woche attackierten Linksextreme einen Infostand der Organisation in Linz. Viele Medien und linke Organisationen bezeichnen die Bewegung zudem regelmäßig zu Unrecht als „rechtsextrem“. Sämtliche Bankkonten endeten – oftmals bereits nach kurzer Zeit – in einer Kündigung durch die Geldinstitute.

Alle diese Faktoren erschweren die Arbeit der Gruppierung selbstverständlich. Dass nun auch noch von staatlicher Seite gegen die IBÖ vorgegangen wird und die Aktivitäten der Bewegung in die scheinbare Nähe krimineller Handlungen gerückt werden, könnte fatale Auswirkungen auf die weitere Arbeit und das gesamte Ansehen der Bewegung haben. Die ungarische Bank kündigte der Bewegung noch am Tag der Hausdurchsuchungen das Bankkonto.

Gummiparagraph als Rechtsgrundlage…

Grund für die Ermittlung der Staatsanwaltschaft ist unter anderem der Verdacht auf Gründung einer kriminellen Vereinigung nach § 278 StGB (Höchststrafe drei Jahre). Diese Bestimmung wird gemeinsam mit dem noch strengeren § 278a (Bildung einer kriminellen Organisation, Höchststrafe fünf Jahre) auch als Mafiaparagraph bezeichnet und steht seit ihrer Einführung in der Kritik. Für Aufsehen sorgten vor allem die sogenannten Tierschützer-Prozesse, die zwar nach langem Verfahren mit Freisprüchen endeten, für die Betroffenen aber mit massiven Kosten und Belastungen verbunden waren.

Die Strafbestimmung, die ursprünglich zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, eingeführt wurde, ist unbestimmt formuliert. Immer wieder kritisieren NGOs wie Greenpeace oder Amnesty International dieses Rechtsgut deshalb. Der Tatbestand ist rasch erfüllt. Denn eine etwaige Bereicherungsabsicht ist keine Voraussetzung für die Strafbarkeit. Daher kann die Bestimmung nach Belieben auch gegen zivilgesellschaftliche Initiativen und nicht bloß gegen mafiaähnliche Organisationen wie Drogen- oder Schlepperkartelle ihre Anwendung finden. Denn zu Gesetzesüberschreitungen kann es bei Protestaktionen – ganz gleich von welcher Bewegung diese ausgehen –  immer wieder kommen.

… zur politischen Kontrolle …

Nach einer strengen Auslegung des § 278 StGB hätte man wohl auch die Anti-Atomkraft-Bewegung oder die Besetzer der Hainburger Au als „kriminelle Vereinigung“ einstufen können. Die Problematik, die dadurch entsteht, stellte bereits die linke Solidarwerkstatt anlässlich des Tierschützer-Prozesses heraus. Die gesetzliche Bestimmung, so jene Gruppe, wäre geeignet dazu, das „Ende praktisch jeden zivilgesellschaftlichen Engagements“ herbeizuführen.

Zudem wurde das Gesetz im Jahr 2015 im Zuge einer Strafrechtsreform erst verschärft. Durch Hinzunahme der Tatbestandes der Verhetzung (§283 StGB) kann seitdem auch die Begehung von ‚Meinungsdelikten‘ zur Klassifizierung als kriminelle Vereinigung führen. Im konkreten Fall reicht anscheinend nachhaltige Kritik an Massenzuwanderung und Islamisierung bereits aus, um nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den Tatbestand der Verhetzung zu erfüllen.

… wegen haltloser Vorwürfe

Ob dies der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers entspricht, darf zu Recht bezweifelt werden. Für politisch motivierte Staatsanwälte eröffnet sich auf dieser gesetzlichen Grundlage jedenfalls ein breites Feld an Betätigungsmöglichkeiten. Auch im gegenständlichen Fall darf man bezweifeln, ob die Grazer Staatsanwaltschaft die nötige politische Neutralität und Unabhängigkeit walten ließ. Anders kann man sich dieses Vorgehen gegen die Identitären kaum erklären. Dass sich einzelne Aktionen an der Grenze der Strafbarkeit bewegen könnten, ist kein Spezifikum der IB. Dieses Kriterium betrifft Protestbewegungen im Allgemeinen.

Erstaunlich sind die Ermittlungen auch wegen der Rahmenbedingungen. Denn die Gruppe betont seit Anbeginn ihrer Aktivitäten die Gewaltfreiheit ihres Protests. Im Gegensatz zu linksextremen Gruppen sind ihre Aktionen niemals mit Gewalt gegenüber anderen Menschen verbunden. Ihr Ziel ist – ebenfalls konträr zu manchen linksextremen Ausläufern – auch niemals die Einschüchterung oder Mundtotmachung von Andersdenkenden. Vielmehr versuchen sie ihre eigenen Ideen lautstark anzubringen und damit eine mediale Schweigespirale zu durchbrechen.

Stellen wir uns nun also vor, der erhobene Verdacht der „kriminellen Vereinigung“ stützt sich also einzig und alleine auf die Anwendung des Verhetzungsparagraphen. Wir hätten es mit einer skandalösen Kriminalisierung von Meinungsäußerungen zu tun, die sich gegen die Zuwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte und ihrer Folgen richten. Auch als Präzedenzfall für weitere Zweckentfremdung des „Mafiaparagraphen“ wäre eine Aburteilung bedenklich.

Unabhängig vom Ausgang: Der Schaden ist bereits angerichtet

Wahrscheinlich ist aus heutiger Sicht, dass es am Ende zu keiner Verurteilung kommt. Aber der erwähnte Tierschützer-Prozess zeigt, dass der Schaden für eine derart verfolgte Gruppierung dennoch immens sein könnte. Dort beklagten die letztendlich Freigesprochenen, dass sie durch den Prozess am Rande eines Privatkonkurses standen. Von  Verteidigungskosten von etwa €400.000 wurden knapp über €21.000 rückerstattet – dazu gesellte sich der Verlust des Arbeitsplatzes.

Selbst wenn sich die Vorwürfe nicht bestätigen, kann dies eine nachhaltige finanzielle Schädigung der Gruppe bedeuten. Dabei kann auch die Schädigung des öffentlichen Ansehens für die Bewegung einen Wermutstropfen darstellen. Alleine, dass bereits einmal Ermittlungen in diese Richtung liefen, könnte Förderer und Unterstützer abschrecken. Im konkreten Fall wird der IBÖ aber sogar das Sammeln von Spenden zur Finanzierung einer Verteidigung unmöglich gemacht – immerhin wir ihr von keiner heimischen Bank die Eröffnung und dauerhafte Führung eines Kontos zugestanden.

Vorzeichen eines „sanften Totalitarismus“

Das Gesamtbild, das bei dieser Vorgangsweise entsteht, erinnert stark an autoritäre Staaten, welche das Wirken zivilgesellschaftlicher Gruppierungen, die der herrschenden Staatsideologie widersprechen, massiv behindern. Im Falle der Identitären soll die Arbeit einer patriotischen Protestbewegung scheinbar nachhaltig beeinträchtigt – oder gänzlich unterbunden werden. Das Zusammenspiel staatlicher Verfolgungshandlungen mit dem Treiben einer linken Jagdgesellschaft – einseitige Berichterstattung, Kontokündigungen, Gewalt gegen Aktivisten – ergibt ein Gesamtbild, das dem Anspruch einer rechtsstaatlichen Demokratie nicht gerecht wird.

Denn die Idee des Rechtsstaats setzt klare und eindeutige gesetzliche Bestimmungen voraus. Diese dürfen der Willkür und einem möglichen Missbrauch der Amtsgewalt niemals Tür und Tor öffnen. Die Demokratie lebt vom Wettbewerb der Ideen. Dieser findet nicht ausreichend statt, wenn ein Teil des politische Spektrums durch Gewalt, Einschüchterung und die Behinderung einer legalen Betätigung in seinem Recht auf Meinungsäußerung beschränkt und benachteiligt wird.

Hoffen auf den Solidarisierungseffekt

Es muss daher auch der Appell an die amtierende Regierung gerichtet sein. Sie hat alle Maßnahmen zu setzen, die dazu dienlich sind, das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat nicht weiter zu erschüttern. Dazu zählt neben der Ausübung des Weisungsrechts gegenüber der Staatsanwaltschaft in begründeten Fällen auch die Gewährleistung eines Grundrechts auf Führung eines Bankkontos.

Im Übrigen kann man nur hoffen, dass der Schuss gründlich nach hinten losgeht. Wenn aus dem Versuch der Kriminalisierung einer gewaltlosen Protestbewegung ein Solidarisierungseffekt resultiert, ist dies ein Sieg für die Meinungsfreiheit. Im Übrigen sollten auch die Angehörigen der derzeit hämisch feiernden linken Jagdgesellschaft hoffen, dass die Bewegung durch diese Angelegenheit gestärkt hervorgeht. Immerhin könnte es ihnen selbst einst noch den Allerwertesten retten.

 

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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