VfGH zu Personenstandsgesetz: „Drittes Geschlecht“ in Urkunden möglich
Am Freitag fällte der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine vielbeachtete Entscheidung. Künftig wird es Personen möglich sein, im Personenstandsregister eine Geschlechtsidentität jenseits von „männlich“ oder „weiblich“ anzugeben.
Basis der Debatte ist das Personenstandsgesetz 2013. Dieses sieht vor, dass Urkunden zur Geburt, Heirat, Verpartnerung und Todesfall eine eindeutige Geschlechtsbezeichnung beinhalten müssen. Ebenfalls eröffnet es allerdings die Möglichkeit, sein angeborenes Geschlecht behördlich ändern zu lassen. In allen Fällen muss eine entsprechende Eintragung auch ins Zentrale Personenstandsregister (ZPR) übermittelt werden.
Personenstandsgesetz auf Prüfstand
Anlass für das Höchstgericht sich mit dem kontroversen Thema auseinander zu setzen, war die Beschwerde einer Person aus Oberösterreich. Diese monierte die fehlende Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag im ZPR auf „inter“ oder ähnliche Formulierung ändern zu lassen. Der zuständige Bürgermeister als auch das Landesverwaltungsgericht als vorige Instanz beurteilten diesen Antrag negativ. Ämter folgten bislang der traditionellen Herleitung, wonach es auch formaljuristisch nur zwei Geschlechter gäbe.
Debatte um Anzahl der Geschlechter
Während die Soziologie bereits seit einigen Jahren diverse „nicht-heteronormative“ Geschlechtsidentitäten postuliert, erkennen Biologen eine entsprechende Vorstellung erst seit wenigen Jahren zusehends an. Die Frage ist in der gesellschaftlichen Diskussion außerdem eine Position des Standpunktes – während Liberale sich oft auf keine Anzahl an Geschlechtern festlegen, beharren Konservative im Regelfall auf zwei biologische Geschlechter. Auch Ämter folgten bislang der traditionellen Herleitung,
VfGH: Geschlechtszuweisung gegen Menschenrechte
Der VfGH jedenfalls sieht ein Festhalten an der Geschlechterdualität als unzulässigen Eingriff in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur Achtung des Privat- und Familienlebens. Dieser schütze ausgewiesen auch Personen mit „alternativer Geschlechtsidentität“ vor einer „fremdbestimmten Geschlechtszuweisung“.
Mangels einer gegenteiligen Formulierung im Gesetzestext sei das Personenstandsgesetz aber nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Vielmehr lasse sich der Begriff derart verstehen, dass er auch alternative Identitäten beinhaltet. Zu keiner Einsicht kam das Gericht allerdings zur Frage, wie Personen ohne klare Geschlechtsidentität auf Urkunden zu bezeichnen seien. Diese Vorgaben oblägen dem Gesetzgeber, der vorliegenden Provision sei kein konkreter Vorschlag zu entnehmen.
Im Dezember: Freigabe für „Ehe für Alle“
Damit fällt das Verfassungsgericht bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate eine potentiell gesellschaftlich richtungsweisende Entscheidung. Erst im Dezember kam es zur Erkenntnis, dass bei dem Ausschluss von homosexuellen Paaren von der Eheschließung eine unzulässige Diskriminierung vorläge. Die SPÖ forderte deshalb im März eine baldige Änderung der Gesetzeslage. Die beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ warnten damals allerdings vor voreiligen Änderungen – Die Tagesstimme berichtete.
Politik: Unterschiedliche Reaktionen
Auch im Falle des dritten Geschlechts gehen in Politik und Zivilgesellschaft nun die Wogen hoch. Während sich SPÖ, NEOS und diverse Interessensgruppen über die VfGH-Feststellung erfreut zeigten, kam von den Freiheitlichen einige Kritik an der Erkenntnis. Für FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan ist die Entscheidung „völlig unverständlich“ und erweise der Republik einen „Bärendienst“. In diversen Gebieten, etwa bei Wehrpflicht oder beim Pensionsantrittsalter, ergäben sich folglich zahlreiche Unklarheiten.