30 Jahre EU: Wenig Freude, kaum Götterfunken
1995 ist Österreich der EU beigetreten. In seinem Kommentar für FREILICH zieht Robert Willacker eine kritische Bilanz und meint, dass der politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Preis der Mitgliedschaft längst zu hoch ist.
Zum Jahreswechsel ereignete sich ein Jubiläum, das Anlass zu einer gesellschaftlichen Diskussion hätte sein können, die jedoch im Zuge der verunglückten Regierungsbildung unterging. Seit genau 30 Jahren ist Österreich nämlich nun Mitglied der Europäischen Union und Jubiläen wie dieses sind immer ein guter Anlass, um Bilanz zu ziehen.
Das Für und Wider
Der EU-Beitritt wurde gerade in den 90er-Jahren als Garant für Frieden und Wohlstand gepriesen, als großer Binnenmarkt, der unzählige Chancen eröffnet. Und ja, der freie Waren-, Kapital-, Personen- und Dienstleistungsverkehr hat zweifelsohne zahlreiche Vorteile – nicht nur für die Wirtschaft und ihre Unternehmen, sondern explizit auch für Privatpersonen.
Es hängt jedoch ein gewaltiges Preisschild an diesen Errungenschaften; das vielleicht zentralste von vielen Problemen der EU-Mitgliedschaft ist die teilweise Übertragung der Souveränität der Mitgliedstaaten und damit die Aushöhlung der nationalen Entscheidungsfreiheit. Mit dem Beitritt verpflichtete sich Österreich naturgemäß, eine zahlenmäßig nicht mehr zu erfassende Anzahl an Verordnungen, Richtlinien, Regulierungen und Gerichtsurteilen umzusetzen – oft auch gegen den ausdrücklichen Willen der eigenen Bevölkerung.
Über die Jahre hat sich gezeigt, dass die Ausübung der Machtfülle seitens der EU-Kommission und insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs weniger zur europäischen Integration als zur Desintegration führt. Von der Landwirtschaft über die Energiepolitik bis hin zur Migration werden die Spielräume der Mitgliedsstaaten stetig eingeschränkt. Beispiele dafür sind etwa die weltfremden und ideologisch motivierten Klimaziele, die die europäische Industrie vor massive Herausforderungen stellen, oder auch die EU-Agrarpolitik, die große Betriebe bevorzugt und kleine, traditionelle Landwirte in Bedrängnis bringt.
Problem Migration
Spätestens bei der Migrationspolitik zeigt sich das Problem in seiner ganzen Größe: die EU kann es nicht lösen und die Mitgliedstaaten dürfen es nicht lösen. Deshalb muss man nach Eurokrise, Migrationskrise, Teuerungskrise und Energiekrise – nahezu alles binnen der letzten zehn Jahre – einmal die Frage stellen: lohnt sich die EU-Mitgliedschaft für Österreich noch? Oder überwiegen die Nachteile längst die Vorteile? Ist man an einem Punkt, an dem das politische Zusammenketten der europäischen Völker deutlich mehr Unfrieden stiftet als es zur Beruhigung beiträgt?
Österreich ist ein stark exportorientiertes Land, das auch ohne EU-Mitgliedschaft florierende Handelsbeziehungen pflegen könnte – wie Norwegen oder die Schweiz eindrucksvoll beweisen. Gleichzeitig trägt man als Nettozahler erheblich zu den EU-Haushalten bei, ohne dass die finanziellen Rückflüsse in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Zeit für eine Alternative
Bliebe noch der Sicherheitsaspekt: das immer gerne angeführte Argument, wonach es sich bei der EU um ein Friedensprojekt handele, ist fadenscheinig. Die EU besteht in dieser Form erst seit 1992, mit Ausnahme des Jugoslawienkriegs gab es in Zentraleuropa jedoch seit Ende des Zweiten Weltkriegs – also schon gut 50 Jahre vorher – keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr. Garant dafür war weniger die EU als vielmehr die NATO, von der aufgrund seiner geographischen Lage auch Österreich profitiert, ohne selbst Mitglied zu sein.
Natürlich, ein EU-Austritt ist sicherlich kein leichtes Unterfangen und birgt Risiken, das hat auch der Brexit gezeigt. Doch gerade in einer Zeit, in der die EU immer autoritärer agiert – Stichwort: Meinungsfreiheit und Soziale Medien – wäre es unverantwortlich, zumindest von rechter Seite nicht laut und ernsthaft über Alternativen nachzudenken. Die EU hat in den vergangenen 30 Jahren vieles erreicht, aber sie hat sich auch weit von jenen Idealen entfernt, die sie einst proklamierte. Vielleicht ist es an der Zeit, neue Wege zu gehen – nicht, um Europa zu spalten, sondern um es zu bewahren.