AfD scheitert vor Bundesverfassungsgericht: Keine Ausschussvorsitze im Bundestag
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die AfD hat keinen automatischen Anspruch auf Ausschussvorsitze im Bundestag. Was heißt das für die parlamentarische Arbeit?
Karlsruhe/Berlin. – Die AfD ist mit zwei wichtigen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Dabei ging es um die Besetzung von Ausschussvorsitzenden im Bundestag. Das Gericht entschied, dass die Geschäftsordnung des Bundestages zwar eine Berücksichtigung der Fraktionen entsprechend ihrer Stärke bei der Besetzung der Ausschussvorsitze vorschreibt, aber keinen automatischen Anspruch auf einen Vorsitz garantiert.
In der laufenden Legislaturperiode hat die AfD in keinem Ausschuss des Bundestages den Vorsitz inne. Nach der Geschäftsordnung und der bisherigen Praxis hätte die Partei aber Anspruch auf den Vorsitz im Innenausschuss, im Gesundheitsausschuss und im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gehabt. Die AfD klagte gegen die Verweigerung dieser Posten. Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass „der Abgeordnetenstatus und damit die Rechtsstellung der Fraktionen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Anspruch auf die Besetzung der Ausschussvorsitze gewährleistet“.
Ausschüsse ab 2021 ohne Vorsitz
Seit 2021 sind die betroffenen Ausschüsse formal ohne Vorsitzenden. In diesen Fällen leitet der jeweilige stellvertretende Vorsitzende die Sitzungen. Die Besetzung der Ausschüsse erfolgt in der Regel über ein „Zugreifsverfahren“, das die Reihenfolge nach Fraktionsstärke regelt. Die AfD-Kandidaten Martin Hess, Jörg Schneider und Dietmar Friedhoff erhielten bei der Wahl der Ausschussvorsitzenden jedoch keine Mehrheit.
Ein weiterer Streitpunkt war die Abwahl von Stephan Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses in der vergangenen Legislaturperiode. Die AfD argumentierte, dass diese Abwahl ohne formelle Grundlage erfolgt sei. Das Gericht entschied auch in diesem Fall gegen die AfD und bestätigte, dass der Rechtsausschuss grundsätzlich befugt ist, seinen Vorsitzenden abzuwählen. Die Entscheidung entsprach der Auffassung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.
Frühere Eilanträge abgelehnt
Bereits im Juli 2022 hatte das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag der AfD auf vorläufige Einsetzung ihres Kandidaten als Ausschussvorsitzender bis zur endgültigen Entscheidung abgelehnt. Die Verfassungsrichter argumentierten, dass eine solche vorläufige Einsetzung in das freie Mandat der Mehrheit der Ausschussmitglieder eingreifen und dem Mehrheitswillen im Wahlergebnis widersprechen würde.
Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass es keinen Verstoß gegen das Recht auf Gleichbehandlung gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) festgestellt habe. Das Gericht betonte die Geschäftsordnungsautonomie des Parlaments. Der Zweite Senat, der zwei Verfahren verbunden hatte, entschied einstimmig. Die Senatsvorsitzende Doris König erläuterte, dass die Besetzung der Ausschussvorsitze dem Selbstorganisationsrecht des Parlaments unterliege und die Fraktionen lediglich das Recht hätten, Kandidaten vorzuschlagen und eine ordnungsgemäße Wahl zu verlangen.
Hintergrund der Klagen und weitere Schritte
Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag im Herbst 2017 konnte die Fraktion erst einmal einen Ausschussvorsitz stellen. Stephan Brandner war 2019 Vorsitzender des Rechtsausschusses, wurde aber mit den Stimmen aller Nicht-AfD-Ausschussmitglieder abgewählt. Diese Abwahl war ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestages. Derzeit leiten Stellvertreter aus anderen Fraktionen die jeweiligen Ausschüsse.
Die Ausschüsse sind zentrale Gremien der parlamentarischen Arbeit, in denen Gesetze vorbereitet und beraten werden. Die Vorsitzenden spielen eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung und Leitung der Sitzungen sowie bei der Außendarstellung des Ausschusses. Sie haben jedoch keine besonderen Kontrollrechte und sind auf Mehrheiten im Ausschuss angewiesen. Die Entscheidung über die Besetzung der Ausschussvorsitze liegt im grundgesetzlich garantierten Selbstorganisationsrecht des Parlaments.