Das Bauhaus hinterfragen! – Rückblick auf eine dürftige Debatte
Zuletzt hatte ein Antrag der AfD Sachsen-Anhalt zum Bauhaus-Jubiläum für Diskussionen gesorgt. In seinem Kommentar für FREILICH blickt der AfD-Landtagsabgeordnete Carlo Clemens auf die Debatte zurück und erklärt, dass der Detailkritik der AfD kaum zu widersprechen ist.
Ausgerechnet mit einem kulturpolitischen Thema stieß die AfD in Sachsen-Anhalt im Oktober in ein Wespennest. Die dortige Landtagsfraktion stellte einen Antrag mit dem Titel „Irrweg der Moderne – für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus“[1] als Reaktion auf das bevorstehende Doppeljubiläum des UNESCO-Weltkulturerbes Bauhaus in den Jahren 2025 und 2026.
Der Antrag forderte keinen Verzicht auf eine Würdigung des Bauhauses als kunstgeschichtliches Phänomen, wollte aber den absehbaren Jubelarien von Anhängern des Baumodernismus einen Riegel vorschieben. Deshalb wurde der Landtag aufgefordert, eine „einseitige Glorifizierung des Bauhaus-Erbes“ abzulehnen „und stattdessen in einer kritischen Auseinandersetzung ein seriöses und kulturgeschichtliches Gesamtbild aufzustellen, die alle Aspekte des Bauhauses beleuchtet“.
Die AfD legt den Finger in die Wunde
Der Detailkritik der sachsen-anhaltischen AfD-Landtagsfraktion am Bauhaus kann angesichts der derzeitigen bauästhetischen Misere nur schwer widersprochen werden. Zwar war das Bauhaus natürlich nicht allein für die verhängnisvolle Entwicklung der Architektur, in der wir immer noch stecken, verantwortlich. Zum einen war das Bauhaus nicht nur eine Architektur-, sondern vor allem eine Designschule, der wir einige Inneneinrichtungs-Klassiker zu verdanken haben. Zum anderen war das Bauhaus nur eine der Strömungen sogenannten „Neuen Bauens“, also des frühen Modernismus, und existierte somit zum Beispiel neben der „Neuen Sachlichkeit“ oder Ernst Mays „Neuem Frankfurt“.
Gleichwohl verdichtet sich heute die modernistische Traditionsverehrung unter dem Namen „Bauhaus“. Der Begriff wird gerade von Modernismus-Anhängern als Markenzeichen verwendet. Das Bauhaus in Dessau ist ein Wallfahrtsort für Architekturstudenten. Folgerichtig, dass die AfD ihre Kritik an der modernistischen Bauentwicklung auf diesen Begriff fokussiert und angesichts der zu befürchtenden Lobhudeleien im nächsten Jahr den Finger in diese Wunde legt.
Was die AfD kritisiert
So hat besagte Landtagsfraktion erklärt, dass viele Gebäude im Bauhaus-Stil heute als „Bausünden“ gelten. Die puristische Ästhetik und funktionale Reduktion können oft nicht mit den Bedürfnissen der Bewohner in Einklang gebracht werden. Die „Betonung auf Nüchternheit und Minimalismus“ hätte zu „unpersönlicher Architektur“ geführt, die oft als kalt, abweisend und „menschenfeindlich“ wahrgenommen werde. Die universell angelegte Ästhetik des Bauhauses, so stellt der Antrag richtig fest, hat zudem auf individuelle und regionale Besonderheiten keine Rücksicht genommen, widersprach somit traditionell verankerten Wohnvorstellungen. Der Antrag hätte noch die in vielen Teilen wenig praktische und Bauschäden provozierende Gestaltung der Bauhaus-Architektur erwähnen können.
Zwar kann das Bauhaus nicht politisch einseitig gedeutet werden, gleichwohl gab es höchst problematische Verbindungslinien.[2] Nicht nur haben sich Bauhaus-Schüler rasch in das NS-System eingefunden, so vor allem Fritz Ertl, der bei Wassili Kandinsky gelernt hatte und später Baumeister des KZ Auschwitz-Birkenau wurde. Zum anderen bestehen Verbindungslinien zum zweiten totalitären System des 20. Jahrhunderts. Unter der Leitung von Hannes Meyer wurde die Schule deutlich in Richtung Kommunismus[3] gerückt. Meyer ging 1930 konsequenterweise nach Moskau, um dort als Hochschullehrer zu fungieren, bis er sich der stalinistischen Paranoia, die auch innerhalb der eigenen Anhängerschaft wütete, durch Rückkehr in seine Schweizer Heimat entzog.
Bauhaus-Direktorin wollte „sachliche Auseinandersetzung“
Die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt berief sich in ihrem Antrag ausdrücklich auf Barbara Steiner, Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, die anlässlich der Sitzung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur am 16. August ausdrücklich für eine „Kritik und sachliche Auseinandersetzung mit dem Bauhaus“ geworben habe. Aus diesem Grund forderte die AfD: „Der Landtag sollte sich kritisch mit dem Bauhaus auseinandersetzen, da die Bewegung nicht nur positive, sondern auch problematische Aspekte hervorgebracht hat, die einer differenzierten Betrachtung bedürfen.“ Doch es war zu erwarten, dass es zu den üblichen pauschalisierenden Reflexen des linksliberalen Kulturestablishments kommen musste.
Plötzlich wollte die Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau von allzu kritischer Auseinandersetzung nichts mehr wissen. Sie attackierte das „Moderne-Bashing“ der AfD, unterstellte ihr, keine „seriöse Auseinandersetzung mit dem Erbe der Moderne“ zu suchen, fabulierte von einer „alternativen kulturellen Agenda“ aus der „Mottenkiste“. Sie wandte sich gegen eine „Instrumentalisierung letztlich auch eines emanzipatorischen Nationendiskurses und einer Verschiebung hin zu Abschottung und Ausgrenzung“.[4] Sie unterschlug dabei, dass große Teile des gegenwärtigen linksliberalen Kulturdiskurses aus Instrumentalisierungsbestrebungen bestehen, nur eben in Richtung pro Globalisierung, Einwanderungsgesellschaft und Wokeness.
Kritik am AfD-Antrag von links
Kulturstaatsministerin Claudia Roth verstand es wieder, die Aufregung über den AfD-Vorstoß auf das ihr eigene Niveau herunter zu brechen. Sie halte die Kritik am Bauhaus für „absolut inakzeptabel“, verkündete sie in der Süddeutschen Zeitung. Und weiter mit dem unvermeidlichen NS-Vergleich: „Dass jetzt die AfD mit erschreckend ähnlichen Argumenten und Formulierungen wie einst die NSDAP versucht, gegen das Erbe des Bauhaus heute vorzugehen, ist in höchstem Maße alarmierend.“[5] Auf einer geistigen Wellenlänge mit Roth äußerte sich der sachsen-anhaltische FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack, indem er womöglich aus seinem Sichtbeton-Badezimmer posaunte: „Hier zeigt die AfD die Fratze des Nationalsozialismus par excellence“[6]. Das linksliberale Establishment verlor angesichts der Kritik an seinen unhinterfragbaren Heiligkeiten also rasch die Contenance.
Wieviel geistreicher war die Replik von David Engels in der Jungen Freiheit, der einerseits differenzierte, dass das Bauhaus eine Mitschuld, aber nicht die alleinige Verantwortung für die Entmenschlichung unserer Stadtlandschaften trage. Er regte an, den „Bauhaus-Antrag“ nur als ersten Schritt zu sehen. Die Partei solle nun konstruktiv weiter gehen: „Sollte die AfD zur Verdeutlichung ihres eigenen architektonischen Anspruchs nicht eine repräsentative Parteizentrale bauen lassen? Kunstpreise ausloben? Einen eigenen Verlag nicht nur für Programmschriften, sondern auch Belletristik gründen? Ihre Büros mit eigens geförderter zeitgenössischer Kunst schmücken? Einen Konzertsaal errichten, in dem die Werke junger Komponisten aufgeführt würden? Ich fände das Resultat hochinteressant.“[7]
Die Scheu der Kulturschaffenden
Engels‘ Idee klingt reizvoll. Sie würde freilich die Funktion einer Partei überfordern. Dies, zumal Künstler, die so direkt in Parteikontexten auftreten, ausstellen oder veröffentlichen würden, sich zurecht dem Vorwurf der politischen Vereinnahmung aussetzen müssten. Gleichwohl können AfD-Funktionäre durchaus künstlerische Aktivitäten in einem kulturpolitischen Vorfeld anregen und fördern.
Die Scheu des Großteils der Kulturschaffenden vor Infragestellung der Säulenheiligen ist noch zu groß. Es drohen soziale Isolation, negative Presseberichte und Entzug öffentlicher Fördergelder. Damit sind die meisten Künstler an die Stange politischer Konformität gebunden. Doch das muss nicht ewig so bleiben. Politische Zeitenwenden kündigen es an: Auch unter Kulturschaffenden, Architekten und Meinungsmachern wird die Zahl derjenigen wachsen, die in einem „weiter so“ keine Perspektive mehr erkennen, die nach der Überwindung alter Denkmuster und Gräben suchen werden. Dann wird auch das Bauhaus auf den Prüfstand geraten. Leute werden auch in der Architektur nach neuen Wegen jenseits dieser Schule des 20. Jahrhunderts suchen.
[2] Vgl. https://www.welt.de/kultur/stuetzen-der-gesellschaft/article182590506/Don-Alphonso-Druck-auf-das-Bauhaus-Stalin-und-Ulbricht-gefaellt-das.html
[3] Vgl. https://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article191654149/100-Jahre-Bauhaus-So-bolschewistisch-war-die-Kunstschule.html
[4] Vgl. https://www.nzz.ch/feuilleton/bauhaus-expertin-barbara-steiner-kritisiert-afd-reinstes-moderne-bashing-ld.1854146
[5] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bauhaus-kritik-der-afd-kulturstaatsministerin-roth-sieht-parallelen-zur-nsdap-a-5e13c580-ce30-4452-ba59-d216846e2762