Das Ende der JA in zehn Stichpunkten
Benedikt Kaiser steht als Politikwissenschaftler und Vordenker des patriotisch-freiheitlichen Lagers nicht abseits. An den Schnittstellen zwischen Partei, Jugend und Vorfeld agiert er mit klarem Standpunkt, aber hält zu unterschiedlichen Lagern Bindungen. Was der Kenner von AfD und JA zu den jüngsten Ereignissen in Riesa zu sagen hat, ist exklusiv im folgenden Kommentar für FREILICH nachzulesen.
Die Junge Alternative (JA), bisher anerkannte Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD), ist in ihrer jetzigen Form und Funktion durch den Parteitag von Riesa Geschichte: ein Anlass, zehn Thesen in den Raum zu stellen.
1. Die Bundes-JA hatte durch medialen Beschuss, Druck der Geheimdienste, eklatante eigene Fehler sowie Angriffe aus der AfD keinen Kredit bei der Mehrheit in der Mutterpartei mehr. Es musste sich was tun.
2. Das Juso-Modell, also die Integration der JA in die AfD zum Schutz und zur besseren Koordination, war und ist der richtige Weg. (Bereits 2023 hatte ich es im Gespräch mit Funktionären aus Partei und Jugend skizziert; das Interesse war beidseitig überschaubar.) Doch wie das Juso-Modell angekündigt, geplant und durchgestochen wurde, war der falsche Weg.
3. Die in Partei und Jugend rasch nach den „Leaks“ der Pläne zirkulierenden Reformvorschläge, beispielsweise seitens der Jungen Alternative Sachsen, waren richtig und wichtig. Dass sie nicht konsensual vermittelt und durchgesetzt wurden, ist eine verpasste Chance.
Die zweite verpasste Chance
4. Eine verpasste Chance war auch die ausbleibende offene Aussprache während des Parteitages. Egal, wie man am Ende ihrer Zeit zur JA stand: Es wirkt auf viele Mitstreiter jüngeren und älteren Semesters respektlos, dass sich persönlich angegriffene Personen nicht einmal rudimentär verteidigen durften.
5. In der Lage leben, einen kühlen Kopf bewahren, das Schlimmste erwarten und das Bestmögliche erkämpfen muss nun die Leitlinie sein. Infantiles Gekeife, lähmender Defätismus oder auch vulgäre Konfrontation sind hingegen der nicht mehr zu korrigierende Weg in die Sackgasse. Das hilft ausgerechnet jenen destruktiven Kräften um Parteiakteure wie Krzysztof Walczak, Kay Gottschalk und Co., die gar keine Parteijugend jenseits totaler Kontrolle und programmatischer Umprägung hin zu handzahmen Dienstleistern akzeptieren. Ohnehin: Wer keinen Rollback hin zu besagten Post-Meuthenianern möchte, muss sofort erkennen, dass die grundsätzliche Rechte in AfD und Jugend einer möglichst raschen und doch nachhaltigen Re-Strukturierung bedarf, um künftig nicht (weiter?) überrollt zu werden; 2025 ist nicht 2017 oder 2022. So manches hat sich offensichtlich überlebt.
6. Das (Zweck-)Bündnis, das die JA-Überwindung als Jugendorga der Partei durchgesetzt hat, war überaus heterogen. Dass es sich so geschlossen und effizient formierte, lag auch an JA-Fehlern der letzten Jahre. Wollte man Vorfeld sein, Tanz- und Eventverein, Parteijugend, Karrierenetzwerk, Nachwuchsschmiede, alles zugleich? Fast jeder Landesverband entwickelte eine eigene Quasi-Identität. Der Bund wirkte dabei erstaunlich abwesend. Auch der für die kommende Krisenzeit so bedeutende Kadergedanke verkümmerte. Sogar die eigene Zeitschrift, die man als Medium der Selbstverständigung, Bildung und Vernetzung hätte ausbauen können und müssen, wurde in der Ära Gnauck nicht zum weltanschaulichen und strategischen Leitorgan einer quantitativ und qualitativ möglichst wachsenden rechten Jugend ausgebaut, sondern: eingestellt.
Kein liberaler Coup
7. Das JA-Ende mit überwältigender Parteitagsmehrheit war in diesem Kontext der langjährigen internen JA-Krise beileibe kein liberaler Coup; das Bündnis hatte ganz unterschiedliche Motive: Manche Akteure hatten anständige und sinnvolle und andere hatten weniger anständige und weniger sinnvolle Gründe. Mit den einen muss vertrauensvoll zusammengewirkt werden, die anderen müssen (wie rund um „Kalkar“ und bei Meuthens Abgang) erneut zurückgedrängt werden. Sonst erreichen sie, verspätet, aber immerhin, ihr Ziel einer FDP 2.0, an dem Meuthen und Cotar anno dazumals noch scheitern mussten.
8. Die Leute um den noch amtierenden JA-Chef wären gut beraten, nach ihrem Triumph jenen Teil der mahnenden Kritik an ihrem Vorgehen ernst zu nehmen, der konstruktiv erfolgte, einen Wahrheitskern besaß und für Kommendes Fehler vermeiden ließe. Natürlich treibt viele junge Menschen diese Frage um: Wie kann man verhindern, dass die neue Jugend kernlos, zahnlos und mutlos wird, weil einem kaum noch eigenes Besteck zur Verfügung stehen dürfte? Darauf müssen Antworten gefunden werden.
9. Zu den Pflichtaufgaben der siegreichen Entscheidungsträger sollte es auch gehören, keinen Zweifel daran zu lassen, dass man sich nicht mit jenen pauschalen JA-Gegnern aus dem extrem liberalen Lager um Walczak und Gottschalk gemein macht beziehungsweise bereits gemein gemacht hat. Sonst hätten radikale Kritiker ex post doch recht behalten, was gemeinschaftliche Vermittlungsarbeit sofort und Aufbauarbeit künftig erschwert.
10. Fast 72 Prozent auf einem Parteitag sind eine kraftvolle Ansage einer professionell mobilisierten und organisierten Mehrheit. Die Entscheidung der Delegierten steht und ist so eindrücklich wie nachdrücklich erfolgt. Indes: Das ist kein Ende, sondern ein Neubeginn. Bei diesem wird die junge Garde jeden wirklichen und politikfähigen Idealisten benötigen, von denen es viele hundert fleißige und mutige in der „alten“ JA gibt. Die AfD braucht diese Jugend, die vorangeht. Daran ändern Beschlüsse nichts, ob man leidenschaftlicher beziehungsweise pragmatischer Unterstützer des Antrages war oder auch nicht.
Handeln im Sinne der JA und AfD
Ein Fazit ergibt sich aus dem Zusammenhang der Sache: Das sprichwörtliche Kopf in den Sand stecken ist nicht drin. Es gilt: rein in die AfD, offensiv mitwirken, besser vernetzen und organisieren, mehr Verständigung intern pflegen, und: strategisch, habituell und weltanschaulich mit nötigem Ernst wieder Kurs halten. Alles andere wäre übrigens ein Sieg nicht für die konstruktiven JA-Eingliederer, deren Ansatz durchaus treffende Punkte birgt, sondern für die destruktiven JA-Hasser (– die sich ja nur darin uneins sind, ob man programmatisch und habituell nun zurück zu Lucke oder „nur“ zu Meuthen sollte).
Vergessen wir nicht: Die Bundesrepublik Deutschland steht vor einem (relativen) Rechtsruck. Es wäre mindestens töricht, sich nun im Zuge der parteipolitischen Ausgestaltung dieses andauernden Prozesses selbst vom Feld zu nehmen.