Mythen, Haiderjahre, neue Normalität, Krisenwahlen

In seinem Kommentar zur anstehenden Landtagswahl in Kärnten schreibt Gert Bachman von Genderleitfaden, Öko-Kullis, Schneemännern und Faschingsgilden.

Kommentar von
14.2.2023
/
4 Minuten Lesezeit
Mythen, Haiderjahre, neue Normalität, Krisenwahlen

Gert Bachmann

Der traditionell frühe Wahltermin für Landtagswahlen in Kärnten sorgt dafür, dass Wahlkampf und Fasching parallel ablaufen. Jedoch finden regelmäßig freiwillige und unfreiwillige Zusammenstöße statt. Hiervon profitieren sowohl die Politik als auch die Faschingsgilden. Schließlich trat der EU-Bauer nicht nur beim Aschermittwoch in Ried auf, sondern auch für die Freiheitlichen bei der letzten Landtagswahl an.

So wurde der Genderleitfaden des Landes Kärnten mit großer Dankbarkeit entgegengenommen. Aber lediglich von Gilden und Opposition. Die Bevölkerung erwies sich als renitent. Somit wird in Kärntner Amtsstuben weiterhin von Bauern und Polizisten geschrieben und nicht von „landwirtschaftlich Beschäftigten“ und „Polizeikräften“ beziehungsweise von Bauer*innen und Polizist*innen. Chacun a son gout.

Lachen ist schließlich die beste Medizin – oder wie Ephraim Kishon sagte: „Ich hatte die Wahl zwischen Weinen und Lachen. Ich habe mich für das Lachen entschieden.“

Kärnten schrumpft

Dabei gibt es ernste Themen zuhauf. Kärnten liegt beim Bruttoregionalprodukt auf Rang sieben. Durchschnittslöhne und BIP pro Kopf liegen unter dem österreichweiten Schnitt. Bei vielen Gradmessern und Indikatoren der ökonomischen Entwicklung wechseln Kärnten und das Burgenland als Inhaber der roten Laterne einander ab. Seit 1999 ist die Geburtenbilanz negativ. Es sterben mehr Menschen als Junge geboren werden. Ein Drittel der Bevölkerung ist über 60 Jahre. Die Söhne und Töchter der Heimat lernen fernab in Wien und Graz während des Studiums Lebenspartner und Chancen kennen. Ein „Braindrain“, der in Niederösterreich oder dem Burgenland durch das Pendeln ausgeglichen werden kann. Kärnten wird als erstes und vorerst einziges Bundesland beginnen zu schrumpfen. Die Stadtbilder sind trotz der geringsten Zuwanderungsrate wie Migrantenanteils im Vergleich zu den Neunzigern nicht wiederzuerkennen. Besonders ins Gewicht fällt dieser Alterungstrend ob der ländlich geprägten Struktur Kärntens. Lediglich Klagenfurt und Villach zählen über 50.000 Einwohner und kämpfen mit besagten Integrationsproblemen. Die freiheitlichen Hochburgen sind auch das Gurktal, das Mölltal, Arriach und vergleichbare Gemeinden, wo Jörg Haider leicht Mehrheiten eingefahren hat. 

Damit ist auch der Name gefallen, der im Süden noch immer  einen wirkmächtigen Mythos entfaltet. Ein Kärntner Landeshauptmann am Cover des Time-Magazine. Diese und viele andere Episoden machen einen gewichtigen Bestandteil des Mythos aus. Haider gegen Ambrozy, Zernatto und Schaunig war wie ein Champions-League-Stürmer gegen die Verteidigung eines Regionalligisten.

Die einzementierte Große Koalition mitsamt verkrustetem Kammernstaat vor sich hertreibend, hat Haider die Freiheitlichen nicht nur in Kärnten von Wahlerfolg zu Wahlerfolg geführt, doch dort am Stärksten. Drei Mal wurde das Dritte Lager unter Haider mit über 40 Prozent stärkste Partei. Das letzte Mal post mortem unter BZÖ-Banner. Dies war sogar das beste Ergebnis und wenn man die vier Prozent der FPÖ hinzufügt, kratzte man sogar an der 50er-Marke.

Die Hypo sowie das teils arrogante und großteils ineffiziente Krisenmanagement des FPK führte zu einem Verlust von zwei Dritteln der Stimmen von 2009. Jedoch blieb das Dritte Lager in Kärnten seit 1949 immer über der Zehn-Prozent-Hürde. War also niemals gefährdet aus dem Landtag auszuscheiden. Nunmehr liegt die Grenze bei fünf Prozent. Aber diese müssen die Freiheitlichen ohnehin nicht fürchten.

Kaiser als Landeshauptmann

Niemand hätte die Rückkehr zur Normalität besser verkörpern können als der fade aber nett scheinende Peter Kaiser. Zehn Jahre Unaufgeregtheit, solala Sparkurs, „Good-Will“ gegenüber der Bundesregierung in Wien, Aufgabe des Proporz etc. Wo Jörg Haider Landeshauptmännerkonferenzen gesprengt, gefürchtete Interviews gegeben und internationale TV-Stationen angelockt hätte, war Kaiser ein braver Verwalter. Stets Stütze seiner Bundesparteichefs und „1:1-Umsetzer“ der Corona-Maßnahmen. Und Kärnten ein schönes, aber kleines und wirtschaftlich zurückfallendes Bundesland. Vorbei die Zeiten, wo man dafür wenigstens den Wiener Strizzis eins ausgewischt hat. Ähnlich wie das Motto Berlins: „Arm, aber sexy“, könnte man im Falle Kärntens sagen: „Arm, aber lästig.“

Dies entspringt dem zweiten wirkmächtigen Mythos des Südens, auf dessen Klaviatur Haider spielte. Der Kärntner Abwehrkampf und die Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920.

Wer das alte Kärnten verstehen will und den Aufstieg des Volkstribunen Haider, muss den ausgeprägteren Patriotismus wie die Skepsis vor dem Wasserkopf Wien einkalkulieren. 

So schließt sich der Bogen zur neuen Normalität. Schließlich unterscheidet sich Kaiser fundamental  von seinen Vorgängern, die mit großer Mehrheit, oft auch mit Absoluten, das Land regierten. Männer wie Leopold Wagner entsprachen mehr dem Typus Sozialdemokrat wie Helmut Schmidt.

Öko-Kullis, SPÖ-Querelen, 89er Revival?

Konnte Kaiser 2013 von der Implosion des Dritten Lagers profitieren, war es 2018 die Implosion der Grünen. Genährt durch die Furcht vor einem 1989er-Szenario. Und es ist tatsächlich knapp gewesen. Die SPÖ errang mit 18 Mandaten ebenso viele Sitze im Landtag wie FPÖ, ÖVP und Team Kärnten zusammen. Nunmehr zeichnet sich erneut ein 89er-Szenario ab. Das Team Kärnten, angeführt vom ehemaligen SPÖ-Bürgermeister Köfer, der mehr dem Typus Sozialdemokrat Leopold Wagner zugeneigt ist, dürfte den Wiedereinzug in den Landtag schaffen. Die ÖVP kann nicht mit Zugewinnen rechnen. Womöglich wird man sogar einstellig. Ein „Weiter so“ als Juniorpartner von Kaiser erscheint also wenig attraktiv. Also könnte man erneut den Zweiten, wie 1989 Haider, zum Landeshauptmann wählen. Denn um das zu verhindern, wird die SPÖ nicht nochmals den Dritten, wie 1991 und 1994 Zernatto, zum Landeshauptmann machen. Ein Befreiungsschlag für die ÖVP mit Signalwirkung nach Wien. Die SPÖ wird sich freuen, diesen Teufel an die Wand malen zu können, um dadurch die Grün-Wähler von 2018 zu binden. Man hat vorsorglich schon mit dem Verteilen von Öko-Kugelschreibern begonnen und der Genderleitfaden schreckt diese Klientel nicht ab.

Was die SPÖ an Grünen gewinnt, könnte man aber an die FPÖ verlieren. Nur in Kärnten hätte Van der Bellen in eine Stichwahl müssen. Und die Krisen schlagen seither noch stärker durch. Was Kaiser wohl dazu veranlasst hat, an seiner Nibelungentreue zu Rendi-Wagner zweifeln zu lassen. Nach dem „Doppelspitzensager“ mit Doskozil soll es aber doch eine flache Hierarchie in einem Team sein.    

Es gibt keine aktuellen aussagekräftigen Umfragen, aber nach Niederösterreich haben diese sicherlich bald Konjunktur. Ebenso wie die FPÖ, welche nunmehr mit Siegerimage und Rückenwind ob kritischer Großwetterlage antritt. So hat Herbert Kickl den Wahlkampf in Kärnten gestartet und wird bei mehreren weiteren Terminen erwartet. Er gilt als Mastermind des Sieges in Niederösterreich und will diesen in Kärnten und Salzburg wiederholen.


Zur Person:

Gert Bachmann, 42-jähriger Historiker mit Interesse an Geo- und Sicherheitspolitik. Trotz Studiums in Wien hat ihn die Heimatstadt Villach nie losgelassen. Das Herz des dreifachen Vaters und ehemaligen FPÖ-Landesparteisekretärs von Oberösterreich schlägt für ein freiheitliches Österreich und ein vitales, freies Europa der Vaterländer.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.

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