Vorstufe zur Beobachtung: Verfassungsschutz stuft AfD als ‚Prüffall‘ ein
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) fällte am Dienstag eine erste Entscheidung, ob es zur Beobachtung der AfD kommt. Während die Gesamtpartei nur ein „Prüffall“ wird, wird bei einigen Teilorganisation künftig näher hingeschaut – sie werden zum „Verdachtsfall“.
Berlin. – Mit Spannung erwarteten die Beobachter die möglicherweise richtungsweisende Entscheidung, ob der Verfassungsschutz künftig die größte deutsche Oppositionspartei beobachtet. Im Fall der Partei wurde dies quasi vertagt, indem sie ein bundesweiter Prüffall wird. Hier sieht die Behörde zwar „tatsächliche Anhaltspunkte“ für vermeintlich verfassungsfeindliche Bestrebungen – muss diesem Vorwurf allerdings erst nachgehen. Die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) sowie der nationalkonservative „Flügel“ sind hingegen sofort Verdachtsfälle.
Prüffall und Verdachtsfall: Definitionen
Bei einem Prüffall darf der Verfassungsschutz nur öffentlich zugängliche Quellen konsultieren – etwa Parteiprogramme, Flyer, Internetquellen, Zeitungen, soziale Medien. Nachrichtendienstliche Mittel wie Abhörungen oder Verbindungsleute dürfen dabei nicht zum Einsatz kommen. Dies gilt auch bei einer Einstufung als „Verdachtsfall“ – Prüffälle gelten als Vorstufe hirezu – dort ist allerdings das Einholen bestimmter Behördeninformationen möglich, ebenso die Observation einzelner Personen.
Die Endstufe eines „Verdachtsfalls“ ist schließlich die Einstufung als vollwertiges Beobachtungsobjekt. Erst wenn sich die Verdachtsmomente also erhärten, ist die Verwendung der V-Leute und die Überwachung der Telekommunikation möglich. Eine Kommission erteilt in diesem Fall die Befugnis, wenn die Behörden schwere Straftaten im Umfeld des Beobachtungsobjekts vermuten. Weil sich V-Leute üblicherweise aus dem Dunstkreis einer solchen Gruppierung rekrutieren, steht das Konzept seit Jahren in der Kritik.
Begründung für Einstufungen
Zur Frage, weshalb JA und „Flügel“ bereits unmittelbar als Verdachtsobjekt gelte, ist mittlerweile eine Begründung bekannt. Beim „Flügel“ geht es insbesondere um Wortmeldungen des Thüringer AfD-Landessprechers Björn Höcke. Im Fall der Jugendorganisation geht es um vermeintliche personelle Verbindungen zwischen JA und und Identitärer Bewegung (IB).
Die patriotische Protestgruppe gilt nämlich bereits seit 2016 als Verdachtsfall des Verfassungsschutzes. Diese angeblichen Überschneidungen waren bereits in mehreren Bundesländern, darunter Bremen und Niedersachsen, ein Vorwand für eine Beobachtung der AfD-Parteijugend. Um diese auf Bundesebene abzuwenden, stand zeitweise sogar eine Abspaltung einiger Verbände im Raum.
Beobachtung als politische Entscheidung?
In beiden genannten Ländern regiert eine Koalition unter einem sozialdemokratischen Ministerpräsident. Auch Baden-Württemberg – ein Bundesland mit grüner Regierungsspitze – gesellte sich kürzlich dazu. In Thüringen, wo der Verfassungsschutzpräsident gleichzeitig im Stiftungsrat der linksradikalen Amadeu-Antonio-Stiftung sitzt, gilt die Gesamtpartei als Prüffall. Der Landesverband brachte deshalb im Dezember eine Verfassungsklage ein – Die Tagesstimme berichtete.
Auch im Fall der jüngsten Entscheidung liegt unterdessen der Verdacht einer politischen Motivation nahe. Denn der aufgrund seiner Zweifel an der Authentizität eines Videomitschnittes als Beleg für angebliche Hetzjagden auf Migranten in Chemnitz in Verruf geratene ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen sprach sich mehrfach gegen eine Beobachtung der AfD aus. Insbesondere die SPD machte sich für dessen Entlassung stark. Kaum war dessen Nachfolger Thomas Haldenwang angelobt, schien hingegen der Weg für eine Beobachtung frei.
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